▶ Angst vor Gefahren nach dem Alt Telliner Brand – Anwohner warten auf Antworten
Alt Tellin / Lesedauer: 4 min

Es scheint ein glücklicher Umstand zu sein, dass sich das am Tag des Großfeuers in der Schweinezucht Alt Tellin vorherrschende warme Wetter nicht von Dauer zeigte und der April dem Frühjahr erstmal eine Kühlphase verpasste. Sonst dürfte der an der Brandruine herrschende Verwesungsgeruch mittlerweile noch deutlicher wahrzunehmen sein, vom Ungezieferbefall ganz zu schweigen.
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Noch Tausende Kadaver zu entsorgen
Denn trotz der intensiven Aufräumarbeiten auf dem mehr als 4,5 Hektar großen Areal liegen wohl nach wie vor Tausende Tierkadaver in den Trümmern, teils mit dem Material versetzt, aus dem die Ställe gebaut waren. Eine enorme Herausforderung für die Arbeiter, aber auch für die Entsorgung.
„Die gesamte Brandstelle wird in enger Abstimmung mit dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte nunmehr beräumt. Dafür ist eine behördliche Freigabe erteilt und ein genauer Maßnahmenplan erstellt worden“, äußerte sich die LFD-Holding in einer Presseerklärung zum Thema, ohne Einzelheiten zu nennen. Umgesetzt werde das Ganze gemeinsam mit einem Fachunternehmen unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen des Werkschutzes – inklusive Corona-Prävention.
3000 Tonnen Brandreste
„Wie ich hörte, ist die Entsorgung der Kadaver, die in die Tierkörperbeseitigungsanlage gebracht werden können, weitgehend abgeschlossen“, ließ derweil Agrarminister Till Backhaus verlauten. Verbunden mit der Ankündigung, dass der Betreiber bis Ende vergangener Woche sein Entsorgungskonzept vorlegen sollte. Immerhin gebe es bis zu 3000 Tonnen Brandreste, die anderweitig behandelt werden müssten, um eine ordnungsgemäße und hygienisch unbedenkliche Entsorgung vorzunehmen.
„Bei so großen Mengen müssen die Brandreste möglicherweise auf verschiedene Entsorgungsanlagen verteilt werden. Eine Anlage allein kann mit solchen Mengen kaum in kurzer Zeit umgehen“, so der Ressortchef. All das mache deutlich: „So etwas wie in Alt Tellin darf sich nicht wiederholen. Da herrscht nicht nur unter Tierschützern und Umweltverbänden Einigkeit, sondern auch in der Politik.“
Bessere Information gefordert
Kritiker sehen derweil die Behörden in der Pflicht, mehr zu handeln und besser zu informieren, auch was die Folgen der Katastrophe für die Umgebung bedeuten. Schließlich war stundenlang eine riesige Rauch- und Aschewolke über die Region gezogen, auf den umgebenden Feldern gingen unzählige verkohlte Plastikteile der Wand- und Dachisolierungen nieder. Bei der Verbrennung dieser Teile könnte unter anderem das Langzeitgift Dioxin freigesetzt und verbreitet worden sein, so die Befürchtung.
„Das ist sicher keine Schwarzwaldluft gewesen“, räumte Einsatzleiter Gerhard Vockelmann von der Jarmener Feuerwehr ein. Aber er vertraue dem gesunden Menschenverstand, dass sich die Leute in den umliegenden Dörfern nicht in die Rauchwolke gestellt und ihre Fenster geschlossen hätten. Zumindest in Völschow-Ausbau und Kadow, die genau in der Ausbreitungszone lagen, war derweil Bürgermeister Thomas Breitsprecher an jenem 30. März mit der Polizei unterwegs, um mittels Durchsagen vor der Gefahr zu warnen.
Kreis hält sich bedeckt
Vom ausgebrannten Kunststoff erwartet Vockelmann, selber Landwirt, kaum Probleme für die Umgebung. Ähnlich scheint das der besonders betroffene Carl Hesse aus Neu Plötz zu sehen, der die in Hauptwindrichtung angrenzenden Felder bewirtschaftet. Durchaus aktiver Gegner der Ferkelfabrik, lobte er in dieser Sache den Betreiber. „Die sind anschließend mit zirka 30 Leuten über den ganzen Acker gegangen und haben so viel wie möglich von dem Zeug eingesammelt. Da haben die sich mehr Mühe gegeben, als ich erwartet hätte.“ Ob und wie genau die Böden, das Wasser und die Luft durch das Feuer und seine Folgen belastet wurden, wagten die zwei allerdings nicht einzuschätzen.
Nicht umsonst stellen Skeptiker des Agierens der Behörden eine Reihe Fragen in dieser Richtung, einschließlich zu deren Handeln am Brandtag und eventuellen Messungen vor Ort. Zumal die Schweinezucht in Sichtweite des Natura-2000- und FFH-Gebietes „Tollensetal mit Zuflüssen“ liegt. Das „Bürgerbündnis Landleben Tollensetal“ etwa, als Fraktion im Gemeinderat Alt Tellin vertreten, hat einen ganzen Fragenkatalog an Landrat Michael Sack (CDU) geschickt. Will beispielsweise wissen, wie es generell mit den Partikeln aus der Rauch- und Aschewolke aussieht, die auf Felder, Gärten, Spielplätze und dergleichen niedergegangen sind.
„Auch nach mehr als zehn Tagen haben wir vom Landkreis keine Antwort auf unsere Fragen erhalten“, erklärte der Bürgerbündnis-Abgeordnete Günter Hegewald. Erhofft sich aber zumindest bis 22. April um 18 Uhr eine Reaktion, wenn im Jarmener Kulturzentrum eine Gemeindevertretersitzung dazu stattfinden soll. Wobei sich das Landratsamt ohnehin sehr bedeckt in der Sache Alt Tellin und von seiner Informationspflicht wenig animiert zeigt. Denn auch der Nordkurier hat nach Wochen bis heute keine Antworten auf ähnliche Anfragen vorzuliegen.