Betreiber insolvent
Biogasanlage sorgt für Unruhe in Dorf bei Demmin
Vanselow / Lesedauer: 6 min

Kai Horstmann
Seit etwa zehn Jahren sorgt in Vanselow bei Demmin eine Biogasanlage der Ökostrom Dresden GmbH für warmes Wasser und für eine warme Heizung. Ein Nachteil unserer globalisierten Welt ist, dass Ereignisse von weit weg plötzlich ganz nah sind. So auch der Konkurs von Ökostrom Dresden. Davon sind in dem Dorf 28 Haushalte betroffen, rund zehn hatten sich dem Versorgungsunternehmen nicht angeschlossen. Gesucht wird jetzt ein neuer Eigentümer, ansonsten könnten einige Einwohner demnächst eine kalte Wohnung haben.
Zu den Betroffenen gehören Manfred Urbansky (67) und seine Frau Elke. In seinem Haus hatte das Ehepaar eine Ölheizung, die mit der Inbetriebnahme der Biogasanlage außer Betrieb gestellt wurde. Die Vorteile lagen klar auf der Hand: Klimaschutz durch weniger CO2 und auch preislich besser. 2016 entschieden sie sich dafür, die Ölheizung abzuschaffen. „In der Biogasanlage wird die Abwärme für unsere Heizung und unser Warmwasser genutzt. Man kann sagen, wir sind die Kühlung der Biogasanlage, deren Hauptaufgabe die Stromerzeugung ist. Das ist ökologisch, was man von einer Ölheizung nicht sagen kann“, erklärt Manfred Urbansky.
88-Jährige hat keine Alternative zur Fernwärme
Sollte sich kein neuer Betreiber finden, fürchtet er sich vor allem vor dem kalten Wasser. Wer will schon im Winter kalt duschen? Auf die Schnelle eine neue Heizung einbauen geht auch nicht. Vor allem macht Urbansky sich Sorgen um seine 88-jährige Mutter Edith, die im Nebenhaus wohnt. Mit ihr wohnte er von 1955 bis 1969 im Herrenhaus. Danach zogen sie innerhalb von Vanselow um und er kaufte 1992 sein jetziges Wohnhaus. „Ich habe ja noch einen kleinen Kamin im Eingang zu stehen, der reicht aber bei Weitem nicht aus. Meine Mutter dagegen hat gar nichts zum Heizen und das in so einem hohen Alter“, betont Manfred Urbansky.
Im Herrenhaus wohnt heute Jaspar von Maltzahn mit seiner Frau Brigida. Das Gebäude besitzt zwar mehrere Kamine und eine Ölheizung, aber um das Haus ein Jahr lang zu beheizen, werden 30 000 Liter Heizöl benötigt. Von daher trifft die Familie, die hauptsächlich von der Landwirtschaft lebt, die Insolvenz der Biogasanlage ebenfalls sehr hart. Denn schließlich muss so ein großes Haus auch erhalten werden. Das ist vor allem für den Tourismus wichtig, denn allein das Herrenhaus lockt jedes Jahr zahlreiche Besucher an. „Wir hoffen, dass schnell ein neuer Betreiber gefunden wird. Ich selber möchte die Biogasanlage nicht übernehmen. Das müsste jemand sein, der viele Rinder hat, da die Anlage hauptsächlich Gülle verarbeitet“, erläutert Jaspar von Maltzahn.
Gutshaus nach der Wende zurückgekauft
Verbunden ist das 1871 erbaute Herrenhaus mit einer langen Familiengeschichte. Der letzte Besitzer vor der Enteignung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war Jaspar Freiherr von Maltzahn, der Großvater des heutigen Besitzers. Die Familie erlitt das klassische Schicksal der Adelsfamilien: Enteignung und anschließend Ausweisung mit ein paar Habseligkeiten in den Westen. In Nordrhein-Westfalen fanden sie eine neue Heimat und gründeten eine Textilfabrik in Nottuln. 1987 machte Mortimer von Maltzahn eine Reise zum Haus seines Vaters. Er sah den Verfall des Herrenhauses, das anscheinend nicht mehr zu retten war, und wollte nicht mehr wiederkommen. Als zwei Jahre später die Mauer fiel, war er aber doch wieder da, kaufte 1990 das Anwesen mit viel Grundbesitz, die Grundlage für den heutigen landwirtschaftlichen Betrieb. „Für meinen Vater war die Krönung seines Lebens, dass er sein Elternhaus zurückbekam und es renovieren durfte“, sagt Jaspar von Maltzahn.
Erst 2008 zog er mit seiner Frau Brigida aus dem Rheinland hierher, weil er bis dahin noch die Textilfabrik führte. Den Schritt hat er nie bereut. Geprägt wird das Dorfbild unter anderem durch Pferde. Der örtliche Pferdestall gehört ebenfalls der Familie. Hier kommt auch Franziska Ploetz aus Jarmen zum Reiten her. Sie mag das naturbelassene Gelände mit Reitwegen, die über natürliche Hindernisse wie liegende Bäume oder durchs Wasser führen. Das dicht besiedelte Nordrhein-Westfalen war für die Maltzahns gestern, heute ist die Weite der Landschaft, der Blick in die Ferne. Den haben sie allein schon, wenn sie auf die Terrasse ihres Herrenhauses stehen. Aber was war das für ein Gefühl für eine Frau mit ihrem Mann das vertraute Umfeld zu verlassen, um in den Osten zu den Wurzeln seiner Familie zu gehen? „Der Hauptgrund, warum ich gekommen bin, ist die Liebe. Und jetzt fühle ich mich hier gut aufgehoben und zu Hause“, antwortet Brigida von Maltzahn.
Wird der Winter kalt, reicht der Kamin nicht aus
Und diese zwei sind so etwas wie die Hausband der Maltzahns: die Two Generation. Die Band besteht aus dem Gitarristen Helmut Siebert, seiner Tochter Isabell, die nicht nur den Bass spielt, sondern auch die Frontfrau ist. Beide wohnen eine Straße weiter, direkt an der Natur. Nur der Schlagzeuger Peter Wolf wohnt nicht in Vanselow. Siebert ist in der Region bekannt geworden durch seine Arbeit als Musiklehrer an der Pestalozzi-Schule in Demmin und als Leiter des Jugendblasorchesters. Musik macht er bereits seit seiner Jugend, gründete schon zu DDR-Zeiten eine Band. Peter Wolf ist sein langjähriger musikalischer Begleiter. Seine Vorbilder sind die Stones, CCR und die Beatles. Gespielt wird aber alles, was gut ist, auch deutsche Songs. „Am schönsten sind immer die Konzerte auf dem Peenefest in Demmin. Wir hoffen, in diesem Jahr dort wider auftreten zu können“, sagt Helmut Siebert.
1993 kam er mit seiner Frau Gundula nach Vanselow. Zuvor lebten sie in Demmin und kauften ein im Bau befindliches LPG-Gebäude, das längst noch nicht fertig war. Auch die Sieberts haben noch eine alte Ölheizung im Keller zu stehen. Doch auch die wurde schon lange nicht mehr angeworfen – wegen der hohen Ölkosten. Jetzt, wo es noch nicht so kalt ist, werfen sie den Kamin an. Der heizt so gut, dass er bei offenen Zimmertüren die anderen Räume mit erwärmt. Aber ein kalter Winter darf da nicht kommen. Deshalb hoffen die Sieberts ebenfalls auf eine schnelle Lösung für die Biogasanlage. „Zum Glück haben wir eine gute Gemeindevertretung, die sich für uns einsetzt. Bürgermeister Dirk Bruhn hat dafür gesorgt, dass die Biogasanlage erst einmal durch einen Öltank gespeist wird, damit man nicht im Kalten sitzt“, lobt Helmut Siebert.