Peenetal

Corona-Zahlen sorgen für Wirrwarr und Ernüchterung

Loitz / Lesedauer: 5 min

Die Lockerungen im Freizeitsport haben sich zerschlagen. Denn selbst das lange kaum von Corona betroffene Peenetal-Amt gilt nun als Risikogebiet. In Jarmen schnellen die Zahlen noch höher.
Veröffentlicht:09.12.2020, 06:16
Aktualisiert:06.01.2022, 21:30

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Es war bereits alles abgesprochen und die Vorfreude spürbar. Denn nachdem Vorpommern-Greifswalds aus Loitz stammender Landrat Michael Sack vergangene Woche mit seiner neuen Allgemeinverfügung ermöglicht hatte, dass die Turnhallen und ähnliche Einrichtungen trotz Corona wieder für den Freizeitsport öffnen dürften, bereitete sich die Peenetal-Amtsverwaltung umgehend auf diese Lockerung vor.

Schließlich lagen seine Heimatstadt einschließlich der zwei Nachbargemeinden Sassen-Trantow und Görmin deutlich unter jenem Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche, den der Kreis als Hürde für dieses Zugeständnis aufstellte. Ohnehin gehörte die Region seit dem Frühjahr zu denen, die am wenigsten von den zwei Pandemie-Wellen heimgesucht wurden. Erst kurz vor Mitte November gab es hier wieder erste sehr vereinzelte Corona-Neuinfektionen und Covid-19-Erkrankungen, auch die Quarantäne-Fälle blieben sehr überschaubar.

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Deutlicher Anstieg der Neuinfektionen

Inzwischen aber verschärft sich die Lage am mittleren Peenetal wieder, stiegen die Fallzahlen innerhalb weniger Tage deutlich an. So zumindest veranschaulicht es die jüngste vom Landratsamt stammende Lagekarte. Am Montagabend veröffentlicht, gibt sie den Stand vom Nikolaustag wieder, also dem 6. Dezember. Und demnach liegt der Inzidenzwert im Amt Peenetal/Loitz nun bei 67, also doppelt so hoch wie Mitte vergangener Woche. Andererseits gab es dort mit Stand Montagmorgen lediglich zwei aktive bestätigte Corona-Fälle, wie die zuständige Dezernentin Karina Kaiser gestern dem Nordkurier erläuterte. Im benachbarten Amt Jarmen-Tutow lag deren Zahl bei zehn und stieg der Inzidenzwert von 60 auf 105. Einige Gegenden im Südzipfel Vorpommern-Greifswalds allerdings bringen es sogar auf das Zwei- bis Dreifache.

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Letztlich entschieden die Loitzer Bürgermeisterin und ihre Mitarbeiter gestern angesichts der neuen Zahlen, die Öffnung der Turnhallen wieder abzusagen. Auch wenn ihnen daran gelegen sei, gerade den Kindern und Jugendlichen wieder etwa mehr Normalität zukommen zu lassen. Fraglich ist, ob sie das wirklich so gemusst hätte. „Die gestern veröffentlichten Zahlen sind nicht Grundlage der Allgemeinverfügung. Es gelten immer jeweils die Inzidenzwerte, die mit der Allgemeinverfügung veröffentlicht werden“, kommentierte die Beigeordnete Kaiser. Und da lag Loitz eben am 3. Dezember noch im akzeptablen Bereich. Ob die Peenestädter gut daran taten, dürfte sich morgen zeigen, wenn die nächste Allgemeinverfügung ansteht: „Am Donnerstag erfolgt zur Veröffentlichung eine neue Berechnung der 7-Tages-Inzidenz.“

Jugendtrainer fordert mehr Augenmaß

In Jarmen hingegen waren schon am vergangenen Freitag alle Überlegungen und zwischenzeitlichen Hoffnungen verflogen, dass die bis Ende November verfügte rigorose Schließung der Innen-Sportstätten aufgehoben werden könnte, berichtete Jarmens Haupt- und Ordnungsamtsleiter Rainer Hardt. Glücklicherweise seien Außenanlagen nach wie vor ausgenommen von dem Verbot und das Wetter weiterhin so mild, dass sich diese Möglichkeit bisher noch ohne Winterkleidung wahrnehmen lässt.

Ein Umstand, den insbesondere der SV Sturmvogel Völschow nutzt. Um so dem Gros seiner vielköpfigen Nachwuchsabteilung zumindest sonnabends gruppenweise ein Training auf dem Fußballrasen zu ermöglichen. Jugend-Cheftrainer Uwe Rochow zählte von Anfang an zu den schärfsten Kritikern eines völligen Teamsportverbots und hatte sich für diese Lockerung persönlich stark gemacht. Beruflich als Präventionsexperte bei einer Krankenkasse aktiv, befürchtet er nachhaltige Beeinträchtigungen auch im psychischen Bereich für seine Schützlinge, wenn deren Bewegungsdrang und Koordinationstraining für viele Wochen so strikt beschränkt würden. Von den damit zusammenhängenden Folgen für einige Familien ganz zu schweigen.

Der Völschower verlangte deshalb mehr Augenmaß und eine individuelle Herangehensweise bei den Jüngsten unserer Gesellschaft. Mittlerweile stimmen einige mehr bei diesen Mahnungen mit ein, mancher spricht gar von nicht mehr nachvollziehbaren Entscheidungen. Insbesondere, wenn große Einzelausbrüche in Betreuungseinrichtungen oder Reha-Kliniken den Durchschnittswert für eine Region rasant ansteigen lassen, ohne dass die „normale“ Bevölkerung auch nur annähernd so betroffen ist. Aber trotzdem alle einschließlich der Kinder darunter „leiden“ müssen, weil allein der Inzidenzwert für die Region als Maßstab gilt.

Ämter beklagen mangelnde Auskunft

Wobei die einzelnen Ämter anscheinend nur auf Nachfrage oder über Umwege erfahren können, wie hoch die Fallzahlen bei ihnen jeweils sind. Diesen Eindruck zumindest ergaben Gespräche unserer Zeitung in den Rathäusern von Jarmen und Loitz. Dort konnte in den vergangenen Wochen nie jemand Auskunft darüber geben, wie viele aktive Corona- und Quarantänefälle in ihrem Amtsbereich gerade existieren.

Dezernentin Kaiser indes will das nicht so stehen lassen: „Die Ämter wurden durch uns regelmäßig über Fallgeschehen in ihren Amtsbereichen informiert. Zukünftig werden Ihnen auch die aktuellen Übersichten zur Verfügung gestellt“, schrieb sie dem Nordkurier. Wobei diese Lagekarten laut Kreis-Pressesprecher Achim Froitzheim nun mindestens zwei- bis dreimal die Woche erstellt werden sollen. Die bisherigen Zahlen darin waren seiner Schilderung zufolge allerdings wegen Problemen in beziehungsweise mit der Software mit Vorsicht zu genießen, es gab immer wieder mal Korrekturbedarf. „Wir setzen alles daran, den Fehler zu finden und abzustellen.“ Schließlich sei es wichtig, dass die Leute den offiziellen Zahlen vertrauen könnten.