Gegen Fachkräftemangel

Demminer Krankenhaus verstärkt Kooperation mit Argentinien

Demmin / Lesedauer: 4 min

In Zeiten des Ärztemangels streckt das Demminer Krankenhaus die Fühler weit aus – bis nach Argentinien. Die Zusammenarbeit mit der Universität in Cuyo soll weiter vertieft werden.
Veröffentlicht:22.12.2021, 06:38
Aktualisiert:

Von:
  • Author ImageChristine Gerhard
Artikel teilen:

Alles begann mit einer Zeitungsannonce, die das Demminer Kreiskrankenhaus 2019 am anderen Ende der Welt schaltete. Damals war die Personalkrise am Krankenhaus besonders heftig, teure Makler, die Ärzte an Kliniken vermitteln, aber unbezahlbar.

Lesen Sie auch: Demminer Klinik bekommt Hilfe aus Argentinien

Die Anzeige im Argentinischen Tageblatt dagegen lag im Budget. „Ich habe zu Herrn Firneisen gesagt, dass es eine völlig ausgeflippte Idee ist“, erinnert sich der aus Argentinien stammende Arzt Dr. German Horn. „Aber wir mussten es mit einer Alternativlösung versuchen, auch wenn sie vielleicht verrückt und exotisch war.“

Verrückte Idee mit Erfolg

Horns verrückte Idee hatte Erfolg. Vier argentinische Mediziner in der Facharztausbildung sind auf die Anzeige hin bereits seinem Beispiel gefolgt. Am Demminer Kreiskrankenhaus arbeiten sie in verschiedenen Bereichen, darunter in der Pädiatrie, der Gynäkologie und der zuletzt von Engpässen betroffenen Anästhesie. Drei der argentinischen Ärzte haben laut Horn ihre deutsche Approbation bereits erlangt.

Ein Fünfter, der sich ebenfalls in der Anästhesie weiter spezialisieren will, soll voraussichtlich im Februar ankommen. Die Anzeige hatte er jahrelang aufbewahrt. „Er brauchte aber noch ein paar Qualifikationen wie ein B2-Niveau in Deutsch“, erklärt der ehemalige Bürgermeister Michael Koch, der die Kooperation seinerzeit mit auf den Weg gebracht hatte. Inzwischen habe der junge Mediziner die nötigen Prüfungen abgelegt und sich beworben.

Annonce jahrelang aufbewahrt

Dass jemand die Annonce ausgeschnitten, in seinen Unterlagen aufbewahrt, gezielt darauf hingearbeitet hat und nun nach so vielen Jahren tatsächlich nach Demmin kommt, beeindruckt Krankenhaus-Geschäftsführer Kai Firneisen und lässt ihn für die Zukunft der deutsch-argentinischen Zusammenarbeit hoffen.

Bislang hat das Krankenhaus laut Horn „exzellente Erfahrungen“ mit den Ärzten aus Südamerika gemacht. „Die meisten kommen mit einer großen Motivation, Hingabe und Opferbereitschaft“, so der Arzt. Auch eine Kooperation zwischen der Universität Cuyo, dem Kreiskrankenhaus Demmin und der Stadt ist nach Rücksendung des Vertrags durch die Universität daher nun offiziell besiegelt.

Studentin im ersten Lockdown gestrandet

Begonnen hatte sie eher zufällig, als eine argentinische Medizinstudentin im ersten Lockdown in Norddeutschland gestrandet war. Ihre Fakultät in Cuyo, die besonderen Wert auf das Erlernen der deutschen Sprache legt, nahm Kontakt zu Dr. German Horn auf und die Studentin durfte in Demmin arbeiten. Auch künftig sollen argentinische Mediziner ihre Facharztausbildung beziehungsweise ihre deutsche Approbation am Demminer Kreiskrankenhaus absolvieren und dabei von dem angesehenen deutschen Ausbildungsstandard profitieren können.

Sollten sie danach in ihre Heimat zurückkehren, so könnten sie dort ohne Weiteres als Ärzte arbeiten. „Der europäische Standard ist dort absolut anerkannt“, weiß Firneisen. Auch wenn nicht alle länger bleiben, wäre ihre Arbeit am Kreiskrankenhaus aus seiner Sicht so ein Gewinn, es bliebe zudem der Wissenstransfer und vielleicht machten einige in der Heimat weiter Werbung für die Ausbildung in Demmin.

Soziale Integration in der Stadt gehört dazu

Die große Hoffnung aber ist, dass einige der argentinische Ärzte bleiben, vielleicht für ein paar Jahre, vielleicht für immer, und damit dem Ärztemangel etwas entgegensetzen. „Und mit der guten Unterstützung der Stadt stehen die Chancen gut, dass sie sich hier in Demmin gut einleben“, meint Firneisen

Während sich im Krankenhaus unter anderem Dr. Horn um die Neuankömmlinge aus seiner Heimat kümmert, stellt die Stadt den Ärzten die erste Unterkunft im Luisentor zur Verfügung, gestaltet die Integrationsarbeit mit und schafft damit laut Firneisen „eine angenehme Atmosphäre her, damit sie sich wohlfühlen“.

Denn die Ärzte sollen sich nicht nur auf der Arbeit gut einleben, findet Horn. Die soziale Integration in der Stadt gehöre unbedingt dazu. So seien die argentinischen Ärzte auch in Vereinen engagiert.

Pflegekräfte lernen eifrig Deutsch

Auch sonst sei Kooperation ein Gewinn für die Stadt, meint Ronny Szabó in Vertretung für Bürgermeister Thomas Witkowski. „Das Kreiskrankenhaus als einer der größten Arbeitgeber in der Region ist für uns von großer Bedeutung.“

Künftig soll die Kooperation auch auf Pflegepersonal ausgeweitet werden. „Die ersten belegen schon die Deutschkurse, um sich vorzubereiten“, erklärt Firneisen. In Argentinien sei Krankenpflege ein Studienberuf und die Absolventen so hoch qualifiziert, dass sie praktisch sofort am Krankenhaus eingesetzt werden könnten. Fehlen werden sie auf dem argentinischen Arbeitsmarkt dabei nicht. „Es gibt dort so viele Pflegekräfte, dass der Markt sie nicht aufnehmen kann“, weiß Horn. „Viele können deshalb in diesem Bereich nicht Fuß fassen und landen in anderen Berufen.“