Schweinezucht Alt Tellin

Demonstranten fordern Klimawald statt Wiederaufbau

Neu Plötz / Lesedauer: 4 min

Ein Doppeldecker-Bus mit Demokratie-Mission und ein Offener Brief an die Eigentümer standen im Mittelpunkt der jüngsten Mahnwache vor der Brandruine der Schweinezucht Alt Tellin.
Veröffentlicht:10.08.2021, 20:21
Aktualisiert:06.01.2022, 22:06

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Während Eigentümer, Behörden und Politik hinter den Kulissen anscheinend um neue Bewirtschaftungskonzepte für das Gelände der Schweinezucht Alt Tellin ringen beziehungsweise vorerst noch abwarten, machen Bürger, Initiativen, Vereine und Institutionen immer mehr Front gegen einen Wiederaufbau, egal in welcher Form. Denn die Geschichte dieses einst als Europas größte Ferkelfabrik geltenden Stallkomplexes auf einem Acker nahe des Jarmener Ortsteils Neu Plötz scheint bei vielen das Vertrauen in staatliche Stellen nachhaltig zerstört zu haben, von der Einstellung zu den Betreibern ganz zu schweigen.

Lesen Sie alle Beiträge über die Katastrophe und ihre Folgen auf unserer Themenseite: Brand in Alt Tellin

Schließlich gipfelte sie am 30. März in einen Brand, bei dem alle einschließlich der Feuerwehr nahezu hilflos mit ansehen mussten, wie sämtliche Ställe zerstört und weit mehr als 50.000 Sauen und Ferkel starben. Lediglich rund 1300 der Tiere konnten gerettet werden. Ein Szenario, das Kritiker von Anfang an prognostiziert hatten, das im Genehmigungsverfahren aber als an den Haaren herbei gezogen eingestuft wurde.

Grüne Spitzenkandidatin Anne Shepley vor Ort

Angesichts dessen erlebt auch die seit Betriebsbeginn aufrechterhaltene montägliche Mahnwache an der Zufahrt zu dem Gelände wieder starken Zulauf, immer mal wieder begleitet von besonderen Aktionen und Besuchern. An diesem Montag beispielsweise war unter anderem Anne Shepley zugegen, Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl. Sozusagen ein Heimspiel für die Politikerin, fordert ihre Partei doch in Schwerin ein Tierschutz-Klagerecht für anerkannte Verbände und einen unabhängigen Tierschutzbeauftragten in der Landesregierung ein, damit Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nicht mehr ohne Folgen bleiben und Tierschutz geltend gemacht werden kann. Vor allem aber verlangt sie klare Obergrenzen für die Anzahl der Tiere pro Anlage und ein Ende der Überlegungen für einen Wiederaufbau des Standortes bei Neu Plötz, lehnt jegliche Unterstützung vom Land dafür ab.

Von daher verwunderte es wenig, dass Shepley zu den ersten Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen eines Offenen Briefes an die Terra Grundwerte AG gehört, der am Montag vor Ort verlesen sowie an den Zaun gehängt wurde. Die Schweizer Gesellschaft fungiert als Eigentümerin der LFD Holding GmbH, unter deren Fittichen die Schweinezucht Alt Tellin agiert. Umweltschutz und Bäume statt industrieller Tierzucht und Beton lautet die in dem Schreiben manifestierte Zukunftsidee für das Areal, verbunden mit der Forderung, vom Bau neuer Ställe abzusehen und dafür einen Klimawald zu pflanzen. Damit, so die Hoffnung, könnte ein weithin beachtetes Signal gegen Massentierhaltung und deren Folgen in die Welt geschickt werden.

Mehr Volksabstimmungen gleich mehr Tierschutz?

Als Initiatoren dieser Aktion traten die Alt Telliner Gemeindevertreterin Susanne Wiest sowie Brigitte Krenkers und Werner Küppers vom „Omnibus für Direkte Demokratie“ auf. Die gleichnamige Bürgerinitiative hat sich die Verwirklichung von Volksabstimmungen auf allen Hoheitsebenen in Deutschland auf die Fahnen geschrieben. Seit 1987 schickt sie ein entsprechendes Gefährt als Werbe- und Infomobil quer durch die Republik, selbst nach Südosteuropa führten schon Touren. Der Bus selbst wechselte zwar mehrmals, doch der Zweck des Ganzen blieb und bleibt: die vollständige Umsetzung von Absatz  2 im Artikel 20 des Grundgesetzes.

Der nämlich bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht – ausgeübt in Wahlen und Abstimmungen. Aber während Wahlen durch ein entsprechendes Gesetz geregelt sind, drückt sich die Politik nach wie vor häufig um die Gewährleistung der versprochenen direkten Demokratie. Und wird das ohne entsprechenden Druck der Öffentlichkeit weiterhin tun, so die Auffassung der BI-Mitstreiter.

Große Protestaktion am 28. August

Diese „Machtlosigkeit“ sowie die gefühlte Ignoranz vonseiten der großen Politik und Behörden gegenüber den Interessen des einfachen Bürgers sind eine Ebene, bei der dieser Omnibus und die Ferkelfabrik-Gegner sich auf einer Spur sehen. Mittels Volksabstimmung, da geben sich beide Seiten zuversichtlich, wäre beispielsweise der Tierschutz hierzulande längst deutlich präsenter im Denken und Handeln von Ämtern und Wirtschaft – gezwungenermaßen. Die Katastrophe Alt Tellin, so die Erwartung, könnte das jetzt buchstäblich befeuern. „Alt Tellin hat eine große Strahlkraft. Wir hoffen, dass die mal so groß wird, dass hier ein Klimawald entsteht“, erklärte am Montag Leo Kraus aus Hohenbüssow. Der Chef des proVie-Theaters gehört zu jenem Aktionskreis, der für den 28.  August einen großen Aktions- und Demonstrationstag an der und um die Brandruine plant. Die Flyer dazu werden momentan überall in der Region und weit darüber hinaus verteilt, neben einer Menschenkette soll es demnach an jenem Samstagnachmittag einen Bühnenwagen samt einem vielfältigen Kulturprogramm geben. Und natürlich jede Menge Raum für Reden, vor dem Mikrofon ebenso wie miteinander.