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▶ Die Skandal-Chronik der Schweinezucht in Alt Tellin

Alt Tellin / Lesedauer: 3 min

Wie an vielen Standorten des einst umstrittenen Unternehmers Adriaan Straathof ist auch die Geschichte der Schweinezucht in Alt Tellin eine Abfolge von Verstößen, Protesten, Klagen und Störfällen.
Veröffentlicht:01.04.2021, 06:00
Aktualisiert:06.01.2022, 21:44

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Die unsägliche Chronik der seit jeher umstrittenen Schweinezucht in Alt Tellin, die jetzt durch einen Großbrand weitestgehend zerstört wurde, ist geprägt von einer Vielzahl Aufsehen erregender Schlagzeilen. Schon im Mai 2005, als der damalige Kreis Demmin von 30 Prozent Arbeitslosigkeit gebeutelt war und sich die Gemeindevertretung für den Bau einer 10.000-Sauen-Anlage mit 35 bis 40 Arbeitsplätzen durch den holländischen Investor Adriaan Straathof aussprach, hatte eine Bürgerinitiative heftig dagegen protestiert.

Mehr als die Hälfte der wahlberechtigten 406 Einwohner, unter ihnen auch einige kleine Schweinehalter, hatten sich damals gegen die Ferkelzuchtanlage ausgesprochen. Immer wieder kam es zu Protestmärschen, Bauplatzbesetzungen, Blockaden, Montagsdemonstrationen und Mahnwachen. Dennoch genehmigte das damalige Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt in Neubrandenburg 2010 das Projekt. Schon als ein Jahr später der Bau von sechs Ställen begann, warnten Tierschützer davor, dass der Brandschutz hier nicht gewährleistet sei.

„Unbeschreibliche Bilder“: Sehen Sie hier ein Video vom Tag der Katastrophe.

Erste Sauen ohne Genehmigung eingestallt

Erstmals richtig Ärger gab es, als der Kreis 2011 den Investor zum Rückbau einer illegalen unterirdischen Rohrleitung von der künftigen Anlage zu einem nahegelegenen Bach aufforderte. 2012 stoppte das Oberverwaltungsgericht Greifswald kurzzeitig die Einstallung der ersten Sauen, weil eine Genehmigung noch gar nicht vorlag.

Im Juli 2013 verweigerte die Gemeinde dem Investor Straathof die Gefolgschaft und lehnte eine Erweiterung der Anlage ab. Anfang 2015 hatte Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) den holländischen Schweinezüchter ermahnt, behördliche Auflagen des Tierschutzes einzuhalten. Bis dahin hatte die Straathof Holding schon Strafgelder in Höhe von 163.000 Euro zahlen müssen.

Auch gegen die Berichterstattung der Medien hatten sich Straathofs Anwälte immer wieder gewehrt und Unterlassungserklärungen angestrebt, darunter auch gegen den Nordkurier angestrebt. Das Magazin „Stern“ hatte 2014 dem Unternehmer unter anderem eine „Qualzucht“ durch unbehandelte Verletzungen und die Verabreichung von Antibiotika ohne tierärztliche Verordnungen vorgeworfen.

Erst Tierhaltungs-, dann Berufsverbot gegen Straathof

Gegen Straathof war 2014 erstmals in Deutschland ein Tierhaltungsverbot verhängt worden, im Juli 2016 ein Berufsverbot. Straathof musste elf Ferkelzuchtbetriebe an ein Bankenkonsortium abgeben, darunter die Standorte in Alt Tellin und Medow (Vorpommern-Greifswald) sowie in Fahrbinde (Landkreis Ludwigslust-Parchim). 2016 hatten der BUND und eine örtliche Bürgerinitiative 2016 beim Verwaltungsgericht Klage gegen die umweltrechtliche Genehmigung eingereicht.

Nach einem Brand in einer Schweinezuchtanlage im niederländischen Erichem mit hunderten verendeten Schweinen war es der Neu Telliner Tieraktivistin Hannah Schlesinger 2018 gelungen, die von der Öffentlichkeit streng abgeschirmte Anlage in Alt Tellin von innen zu besichtigen. Im Anschluss daran hatte sie dem Nordkurier gesagt, sie sei davon überzeugt, dass es auch hier vor Ort im Brandfall zu einer Katastrophe kommen würde.

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Schwefelsäure unkontrolliert ausgetreten

Zu einem tatsächlichen ersten Vorfall kam es am 6. August 2019, als auf dem Gelände mindestens 50 Liter einer 96-prozentigen Schwefelsäure unkontrolliert ausgetreten waren, die eigentlich für die Abluftreinigung der Schweineställe vorgesehen war. Der Boden musste nach dem Unfall großzügig ausgetauscht werden.

Der nächste Skandal stand schon vier Monate später ins Haus, als nach Recherchen des Nordkurier in der inzwischen zur LFD-Holding gehörenden Mega-Sauenanlage mehr als 1.000 Ferkel erstickt waren, weil eine Belüftungsanlage kurzzeitig ausgefallen war. Im Februar 2020 übernahm die Schweizer Terra Grundwerte AG die Anlage.