▶ Die wilden Jahre in Demmin sind offenbar vorbei
Demmin / Lesedauer: 3 min

Die Zeiten, in denen der Tag der Befreiung mit einem absoluten Ausnahmezustand in der Hansestadt einherging, scheinen vorbei. Ob Großeinsatz der Polizei, rechtsextremer Trauermarsch oder eine kaum überschaubare Masse an Gegendemonstranten – vom 8. Mai vergangener Jahre ist wenig geblieben. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf Corona zurückzuführen ist. Komplette Stille herrschte am Samstag dennoch nicht.
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Denn wie schon 2020 wurde der Demminer Hafen im Bereich des Speicherensembles zum Anlaufpunkt für alle jene, die die Befreiung vom Nazi-Regime in Deutschland feiern wollten. Laut Polizei eine überschaubare Anzahl. „Wir liegen insgesamt zwischen 170 und 180 Personen”, so Polizeisprecher Alexander Gombert.
Auch die Einsatzkräfte selbst wurden im Vergleich zum Vorjahr noch einmal reduziert. Waren es 2020 noch 160 Beamte, reichten am Samstag 70 um die Veranstaltung abzusichern. Und tatsächlich mussten Vorfälle, die ein Einschreiten erforderten, mit der Lupe gesucht werden. Nicht einmal einen Verstoß gegen die Maskenpflicht oder die weiteren Corona-Auflagen bilanzierte die Polizei. Einzig um die Besucher zu den einzelnen Kundgebungen zu lotsen, waren kurze Ansprachen notwendig. „So wie es bei so einer Veranstaltung sein soll”, sagte Gombert. Allgemein sei die ganze Stadt ruhig gewesen.
Kollekte für Opfer der Brandkatastrophe
Eine Ruhe, die in der Kirche St. Bartholomaei greifbar wurde. In der traditionellen Andacht zum 8. Mai beteten Propst Gerd Panknin und Pastor Norbert Raasch mit der Gemeinde das Versöhnungsgebet der Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry – einer internationalen Friedensbewegung, in welche die Gemeinde im September des vergangenen Jahres offiziell aufgenommen wurde. Ausschlaggebend dafür war unter anderem das imposante Demminer Trauertuch, welches 2020 für internationale Aufmerksamkeit gesorgt hatte.
Am Ende war es jedoch nicht nur der Tag der Befreiung und die damit verbundenen, teils dunklen, Erinnerungen, die die Kirchgänger bewegten. Auch jüngste Ereignisse der Stadtgeschichte kamen zum Tragen. So ist die Kollekte den Opfern der Brandkatastrophe am 29. April bestimmt.
Auch am Bollwerk war das Themenfeld nicht nur auf das historische Datum beschränkt. Zwar blieb die Forderung, den 8. Mai offiziell zum Feiertag zu machen im Mittelpunkt, ebenso fand jedoch der Umgang mit dem Corona-Virus seinen Weg ins Hafenareal.
Es ging natürlich auch um Corona
Zuletzt hatten diesbezüglich weiße Plakate in den Hauptstraßen der Hansestadt für Aufsehen gesorgt. Das Kunstwerk mit dem Titel „Weißes Rauschen”, für welches sich die Initiative „Demmin hält zusammen“ verantwortlich zeigte, sollte mit Schriftzügen wie „Demokratie” und „Grundrecht”, kombiniert mit einem Trauerflor, Medien und Corona-Maßnahmen kritisieren.
An der Front des Speicherensembles tauchten am Samstag ähnliche Bilder auf. „Ich dachte mir, das muss ergänzt werden”, sagte der Künstler, welcher anonym bleiben möchte. So erfuhr das Schlagwort Demokratie beispielsweise den Zusatz „Heißt Schutz der Schwächsten”. Nicht ganz unironisch mit Blick auf die ursprüngliche Plakatierung, hieß es seitens des Künstlers.
Alles in allem ein 8. Mai, wie ihn sich auch das namensgleiche Demminer Aktionsbündnis nur wünschen konnte. „Es ist gut gelaufen. Im Großen und Ganzen sind wir sehr zufrieden”, so Heinz Wittmer. Vor allem auch aufgrund der Tatsache, dass sich der politische Gegner nicht blicken gelassen hat. „Wir sind froh, dass wir in der Stadt wieder keinen Neonaziaufmarsch hatten, und dass es eine gemütliche Sache war”, so Heinz Wittmer. Dennoch könne es seiner Ansicht nach künftig noch ein wenig bunter und lebendiger werden – wenn denn die Pandemie nicht mehr alles bestimmt.