▶ Gedenkrunde spart nicht mit Kritik an Behörden und Politik
Neu Plötz / Lesedauer: 3 min

Rund hundert Leute folgten am späten Mittwochnachmittag dem Aufruf des Aktionskreises Alt Tellin und zahlreicher Verbände zu einer Gedenkstunde an der Zufahrt zur Schweinezucht Alt Tellin. Denn genau ein Jahr zuvor – am 30. März 2021 – war Europas einst größte Ferkelfabrik abgebrannt. Zwar längst kein Einzelfall in Deutschland, aber von der Anzahl der getöteten Tiere (nach unterschiedlichen Schätzungen 50.000 bis über 60 000) und Strahlkraft her weit über die Region hinaus bisher wohl einzigartig. Denn seither steht das Flammen-Inferno am Tollensetal wie ein Fanal für die Auswüchse der Massentierhaltung und dient Kritikern an vielen Stellen, um Politik und Behörden zu einer Abkehr von der industriellen Landwirtschaft zu bewegen.
Lesen Sie auch: Ein Jahr nach dem Großbrand in der Ferkelfabrik – wie geht’s weiter?
Kreuze und gehäkelte Schweinchen
Das wurde auch am Jahrestag am Ort des Geschehens wieder deutlich – in Reden, auf Plakaten und Transparenten. Flankiert beispielsweise von 65 Gedenkkreuzen entlang der Kreisstraße, die sonst in Möllenbeck (Mecklenburg-Strelitz) an den Brand und seine Folgen erinnern. Oder etwa von einer Schnur mit 56 kleinen Schweinchen, alle gehäkelt von Kathrin Weißbarth, jedes in Erinnerung an 1000 umgekommene Sauen und Ferkel. Musikalisch unterlegt vom mit Tonaufnahmen vom Brandtag gespickten „Schweine-Rap”.
„Alt Tellin hätte nie gebaut werden dürfen”, erklärte Bettina Baier als Vertreterin der wegen Krankheit verhinderten BUND-Landesgeschäftsführerin Corinna Cwielag. Alles sei noch schlimmer gekommen als vorhergesagt. Dabei ergab schon eine rechtliche Prüfung durch den Anwalt des Verbandes, dass in Alt Tellin Brandabschnitte genehmigt wurden, die 13-mal so groß wie zulässig waren. Von einigen fehlerhaften Annahmen für den Ernstfall ganz zu schweigen. Nicht umsonst hatte der BUND unter anderem mit Verweis auf den mangelhaften Brandschutz gegen die Erteilung der Betriebsgenehmigung Klage eingereicht. Und hält die nach wie vor aufrecht.
„So etwas wie Alt Tellin darf es nie mehr geben”
„Jeder, der damals seine Unterschrift unter die Genehmigungen gesetzt hat, wusste was er tat”, betonte gestern Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Für ihn hat aber auch die Politik klar eine Mitschuld an der Katastrophe. Schließlich seien Planungs- und Genehmigungsrecht ja nicht einfach vom Himmel gefallen. Es gelte, die Verantwortlichen zu benennen und gebe nur einen Schluss: „So etwas wie Alt Tellin darf es nie mehr geben.”
Lesen Sie auch: ▶ Backhaus sicher: Megastall in Alt Tellin wird nicht wieder aufgebaut
Bereits am Morgen war gleich gegenüber der Brandruine eine kräftige junge Linde neben der Kreisstraße gepflanzt. Denn BUND und Aktionskreis hoffen, dass an dieser Stelle unweit des Tollensetales bald noch mehr Bäume aufwachsen. Der erste, der aus der Vorpommerschen Baumschule Klein Zetelvitz stammt, soll sozusagen den symbolischen Startschuss darstellen. Neben der Wiederaufforstung der Allee fordern der Verband und der Aktionskreis, das Gelände der Schweinezucht zu beräumen, um dort einen Klimawald anzulegen.