Gemeindevertretung

Gegner der Schweinezucht Alt Tellin legt frustriert Mandat nieder

Alt Tellin / Lesedauer: 4 min

Bei der Sitzung zur Aufarbeitung der Brandkatastrophe bei der Schweinezucht Alt Tellin erklärte der Abgeordnete Günter Hegewald seinen Rückzug aus der Gemeinde-Politik – und machte seinem Frust Luft.
Veröffentlicht:27.04.2021, 09:19
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  • Author ImageStefan Hoeft
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Der Großbrand in der Schweinezucht Alt Tellin hat indirekt auch personelle Auswirkungen auf die Gemeindevertretung. Denn im Zuge dieser Katastrophe und ihrer Aufarbeitung hat der Abgeordnete Günter Hegewald bei der jüngsten Sitzung vergangene Woche öffentlich seinen Rückzug aus dem Gremium erklärt. Mit ihm geht ein überaus diskussionsfreudiger Kommunalpolitiker, der wiederholt insbesondere CDU-Bürgermeister Frank Karstädt aufs Korn genommen hat, aber auch die Behörden inklusive der Amtsverwaltung im Jarmener Rathaus.

Der Mann aus dem Ortsteil Buchholz eroberte erstmals 2009 ein Mandat, damals für die Wählergemeinschaft „Bürger-Bündnis Gemeinde Alt Tellin“. Die Legislaturperiode darauf gehörte er als Nachrücker der Fraktion des neu gegründeten „Bürgerbündnisses Landleben Tollensetal“ an, das durchaus überraschend die meisten Stimmen aller Listen erhielt. Auch 2019 kam Hegewald über diese Liste in die Gemeindevertretung. Er ließ indes bereits Ernüchterung erkennen, weil er einiges im Vorfeld und in der Durchführung der Abstimmung für bestenfalls unglücklich hielt, insbesondere persönliche Anfeindungen von der „Konkurrenz“ beklagte.

Dabei zeigte der inzwischen 77-Jährige immer ein Engagement für die Kommune und Demokratie weit übers normale Maß hinaus. So gehörte der Diplomingenieur für Elektronik/Halbleitertechnik von Anfang an der Bürgerinitiative „Rettet das Landleben am Tollensetal“ an, die zu den Gegnern der Ansiedlung der Ferkelfabrik zählte und regelmäßig dagegen protestierte. Mit von der Partie war Hegewald als Ferienwohnung-Vermieter auch beim regionalen Unternehmerverband „Mit Lust an Natur“ (MiLaN), und er machte sich für Bestrebungen stark, Alt Tellin zu einer Art Bioenergiedorf zu formen.

Lange Liste mit Demokratie-Verletzungen

„Meine Einschätzung ist, dass ich hier mit meinem Auffassungen wenig bewegen konnte, dass bestimmte demokratische Regeln nicht eingehalten werden“, resümierte er nun bei der für ihn letzten Gemeindevertretersitzung, die wegen der Infektionsschutz-Regeln im Jarmener Kulturzentrum über die Bühne ging. Für ihn werden die Prinzipien der Demokratie ständig mit Füßen getreten, wie er in einer Begründung an das Dorfoberhaupt und die Verwaltung in der Peenestadt schreibt. Verbunden mit einer langen Liste, die diesbezügliche Verfehlungen aufzählt.

Auch sie nimmt ihren Anfang mit der Schweinezucht Alt Tellin, bezogen auf jene Abgeordnetensitzung im Mai 2006, als über das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben entschieden wurde. „Ohne Vorbereitung im Ausschuss, ohne ordentliche und diskutierte Beschlussvorlage“, wie der Buchholzer erinnert. Die Krönung für ihn stellte demnach die Missachtung des Ergebnisses der Unterschriftensammlung gegen die geplante Riesenanlage dar, die breite Unterstützung in der Region gefunden hatte und sogar von CDU-Altbürgermeister Horst Wiemer an seinen Nachfolger übergeben wurde. Ohnehin hielt und hält Günter Hegewald die Positionierung der Kommune gegenüber den Betreibern, die wiederholt durch Auflagen-Verstöße, Krisenfälle und Strafzahlungen auffällig wurden, für viel zu nachsichtig beziehungsweise geradezu entgegenkommend.

Außerdem sieht er Frank Karstädt als ehemaligen Vorsitzenden mitverantwortlich für den Niedergang des Sportvereins „Traktor Alt Tellin“ und für das Ende der Eigenständigkeit der Alt Telliner Feuerwehr, heißt es in seinem Schreiben. Hinzu kämen „grenzwertige Beschlüsse“ innerhalb der Gemeinde, wie beispielsweise zur Notreparatur und zum Baumschnitt an der Straße nach Neu Tellin oder im Zusammenhang mit den Ausgleichspflanzungen für den Bau des Löschteiches Buchholz. Ebenso kreidet er dem Bürgermeister den unsachgemäßen Baumschnitt am „Keilerweg“ bei Siedenbüssow (Nordkurier berichtete) an.

Verärgert über Agieren nach Schweinezucht-Brand

Schwer im Magen liegt dem Mann offensichtlich auch noch die Ablehnung einer vom Bürgerbündnis beantragten Dringlichkeitssitzung zum Thema Schweinezucht unmittelbar nach dem Brand und das Nichthinzuziehen von Fachbehörden zu der Tagung im Kulturzentrum. Während Dorfoberhaupt und Stadtverwaltung mit Verweis auf den Dringlichkeitsstatus verneinten beziehungsweise eine Reaktion ausließen, sieht Hegewald das ganz anders: „Einladungen an Fachgremien wurden nach der Brandkatastrophe abgelehnt, obwohl offensichtlich eingetretene Umweltschäden und gesundheitliche Gefährdungen von Einwohnerinnen und Einwohnern auch in angrenzenden Gemeinden zumindest eingegrenzt werden müssten, keinen Aufschub dulden – also ‚brandaktuell‘ sind: Wenn wir darauf bestünden, sollten wir doch diese Behörden selbst anschreiben, einladen.“

Trotzdem will der Buchholzer nach seinem Rückzug zumindest in der Ausschussarbeit weiter mitwirken. Sein Abgeordnetenmandat kann das Bürgerbündnis übers Nachrückeverfahren neu besetzen, da die Kandidatenliste bei der Wahl 2019 deutlich mehr Leute zählte. Entsprechend der Stimmanteile wären Jan Fischer und Alina Wander die nächsten infrage kommenden Personen.