Tierschutzverein stellt Strafanzeige

Hat das Ordnungsamt "Chicco" töten lassen?

Demmin / Lesedauer: 3 min

Gutachter hatten dem Staffordshire-Mix Rüden noch absolute Friedfertigkeit bescheinigt. Wenige Wochen danach wurde "Chicco" trotzdem eingeschläfert. Was ist passiert?
Veröffentlicht:08.04.2014, 13:55
Aktualisiert:05.01.2022, 15:07

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"Wo ist mein Chicco", fragte der vierjährige Ron-Mica Bürgermeister Michael Koch (CDU). Der Junge bekam auf der Demonstration von Tierschützern vor dem Demminer Rathaus Ende Februar keine Antwort auf seine Frage. Chicco blieb vermisst. Ron-Mica und seine Eltern, die Besitzer von Chicco, hegten zu diesem Zeitpunkt immer noch Hoffnungen, den Hund wiederzubekommen. Sie hatten ihn ja in einem Internetvideo gesehen, doch die Spur verlor sich. Die Hoffnungen der Familie sind jetzt zunichte gemacht und mussten einer grausamen Wahrheit weichen: Chicco ist tot. Und das schon seit dem 4. Dezember des vergangenen Jahres. Er wurde eingeschläfert. "Auf Anweisung des Ordnungsamtes der Stadt Demmin", so jedenfalls geht es aus einer Strafanzeige hervor, die jetzt die Neubrandenburger Staatsanwaltschaft beschäftigt. Der Deutsche Tierschutzbund hat diese Anzeige gegen "Unbekannt" erstattet, wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz.

Keine Hinweise auf Gefährlichkeit

"Das ist einfach unfassbar", sagt Kerstin Lenz, Vorsitzende des Landes- und des Demminer Tierschutzvereins. Unfassbar deshalb, weil die Hansestadt Demmin bereits im September einen Antrag auf das Einschläfern Chiccos stellte und der Rüde deshalb im November der Ethikkommission vorgeführt wurde. Diese Fachleute stellten fest, dass der Rüde "keinerlei Anzeichen aggressiven Verhaltens erkennen lässt". Für das Einschläfern gebe es keinen vernünftigen Grund, da keine Hinweise auf die Gefährlichkeit des Hundes vorliegen würden. Dennoch wurde Chicco nur knapp 14 Tage nach dieser Begutachtung eingeschläfert.

"Er soll angeblich gebissen haben", weiß Kerstin Lenz. Chicco lebte zuletzt in der Tierauffangstation bei Meesiger. "Je länger ein Hund in Einzelhaft in einem Zwinger lebt, desto größer ist der psychische Terror für ihn", sagt die Tierschützerin.

Stadt distanziert sich von Vorwürfen

Unterdessen distanziert sich die Hansestadt Demmin davon, dass das Ordnungsamt die Einschläferung veranlasst habe. Erst nach dem Töten durch die Tierärztin sei das Amt vom Betreiber der Auffangstation darüber informiert worden. "Das Einschläfern des Tieres wurde weder von der Stadt veranlasst, noch angeordnet", teilt Bürgermeister Michael Koch auf Nachfrage unserer Zeitung mit. Zudem sei vom Veterinäramt des Landkreises immer wieder darauf hingewiesen worden, dass über das Einschläfern von Tieren der Tierarzt auf Basis des Tierschutzgesetzes eigenständig entscheide, ob er die Euthanasie vornimmt.

Staatsanwaltschaft untersucht den Fall

Jetzt muss die Staatsanwaltschaft klären, ob diese Einschläferung tatsächlich gegen das Tierschutzgesetz verstößt. Denn die Tötung eines Wirbeltieres ohne vernünftigen Grund - und davon geht der Deutsche Tierschutzbund aus - ist strafbar. "Wir haben doch gar keine andere Möglichkeit, als diesen Weg zu gehen. Gespräche mit der Stadt bezüglich der Fundtiere führen wir seit 20 Jahren, vergeblich!", ist Kerstin Lenz enttäuscht.

Was die Familie empfindet, steht auf einem ganz anderen Blatt. Sie müssen den Verlust verkraften, auch der kleine Ron-Mica.