▶ Mahnwache zum Jahrestag von Ferkelfabrik-Brand
Alt Tellin / Lesedauer: 4 min

Genau ein Jahr ist es am Mittwoch her, dass Europas einst größte Ferkelfabrik in Flammen stand, ohne dass das angeforderte Großaufgebot an Löschkräften aus der Region ein Inferno verhindern konnte: Vom Morgen bis zum Nachmittag des 30. März 2021 fraß sich das Feuer im Uhrzeigersinn durch den gesamten Stallkomplex auf dem Acker zwischen Alt Tellins Ortsteil Siedenbüssow und dem zu Jarmen gehörenden Neu Plötz. Hitze und Rauch töteten vermutlich weit mehr als 50.000 Schweine, nur etwa 1300 Tiere konnten gerettet werden. Die gewaltigen, teils tiefschwarzen Qualmwolken stiegen hunderte Meter in die Höhe und zogen bis über die viele Kilometer entfernte Autobahn in Richtung Völschow/Anklam.
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Die Resonanz auf diese Katastrophe allerdings reichte weit darüber hinaus: Alt Tellin als offizieller Sitz des Schweinezuchtbetriebes ging als Fanal für die Folgen der Massentierhaltung in die Geschichte ein, selbst im Ausland stieß der Brand auf Widerhall. Und vor Ort an der Zufahrt zum Betrieb findet seither jeden Montag ab 17 Uhr eine Mahnwache als Erinnerung an das Geschehen statt. Wegen des besonderen Datums wird sie in dieser Woche auf den Mittwoch erweitert und einen entsprechend veränderten Charakter erhalten. Schließlich haben sich für die Zeit von 17 bis etwa 18.30 Uhr – in dieser Spanne ist die Kreisstraße an der Stelle gesperrt – so einige Redner von Politik und Verbänden angekündigt.
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Klage wegen Brandschutz nicht zu Ende verhandelt
Dazu zählen unter anderem Thomas Schröder als Präsident des Deutschen Tierschutzbundes und Corinna Cwielag als Landesgeschäftsführerin des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Beide Verbände waren Treiber beziehungsweise Einreicher der Klage gegen die Betriebsgenehmigung für die Schweinezucht Alt Tellin. Die wurde zwar bereits im März 2017 vorm Verwaltungsgericht Greifswald verhandelt, dann aber vertagt – bisher ohne Fortsetzung. Einer der Hauptangriffspunkte dabei ist der Brandschutz, der entgegen dem von staatlicher Seite akzeptierten Gutachten von den Kritikern als unbeherrschbar eingeschätzt wurde.
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BUND, Deutscher Tierschutzbund, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Greenpeace stellten nach dem Unglück vom 30. März 2021 bei der Staatsanwaltschaft Stralsund Strafanzeige und Strafantrag. Außerdem startete eine Petition an die Landesregierung, die Genehmigung für die Megastallanlage zu widerrufen. „Nach über einem Jahr Ermittlungen zur Brandursache ist nichts davon bearbeitet worden – mit dem Hinweis, dass erst nach Beendigung der Ermittlungen entschieden werden kann”, so Corinna Cwielag, die einen Wiederaufbau der Stallanlage ablehnt. Laut Innenministerium und Staatsanwaltschaft wird mittlerweile ein technischer Defekt ausgeschlossen und von Brandstiftung ausgegangen. Genaueres dazu wird die Öffentlichkeit aber wohl nicht vor Ende April erfahren.
Signal an die Agrarministerkonferenz
Von der Mahnwache am Mittwoch soll ein Signal an die parallel beginnende Agrarministerkonferenz in Magdeburg ausgehen, die Tierhaltung in Deutschland grundlegend umzubauen, kündigte die BUND-Landeschefin an. „Die Bildaktionen vor Ort thematisieren das Problem der Massentierhaltung mit den erheblichen Schäden für die Umwelt, tausendfachem Tierleid, dem nicht beherrschbarem Brandschutz und die Zukunft des Standortes Alt Tellin.” Auch die Pflanzung eines Baumes ist geplant, wie Leo Kraus vom nach dem Feuer gegründeten Aktionskreis Alt Tellin erläuterte. Sozusagen als Startschuss für eine erhoffte „Zukunftsallee” nach Neu Plötz.
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Mecklenburg-Vorpommerns Agarminister Till Backhaus lehnte derweil nicht nur wegen des Magdeburger Termins eine Teilnahme vor Ort ab. Denn bei dieser Mahnwache werde die Tierhaltung in Deutschland vereinfachend unter Generalverdacht stellt, so sein Pressesprecher Claus Tantzen. Differenzierten Diskussion über Tierhaltungsobergrenzen, mehr Tierwohl in den Ställen und der Versorgungssicherheit der Menschen werde sich der Ressortchef hingegen nicht entziehen. „Es kann aber ausgeschlossen werden, dass in Alt Tellin zukünftig eine industrielle Tierhaltungsanlage wiedererrichtet wird”, heißt es aus seinem Hause mit Verweis auf die inzwischen geänderte Baugesetzgebung. Nach der müsse zur Genehmigung solcher Anlagen die Zustimmung der Gemeinde erfolgen. „Das ist in Alt Tellin wohl kaum vorstellbar.”
Betreiber lässt Gemeinde auf Gespräch warten
Unklarheit existiert derweil noch über einen Gesprächstermin zwischen Kommune und der LFD als Betreiberin zur Zukunft des Standortes. Der sollte eigentlich noch vorm Jahrestag stattfinden, doch als frühestmöglicher Termin sei ihm der 31. März übermittelt worden, berichtete Bürgermeister Frank Karstädt am Montag auf Nordkurier-Anfrage. Eine offizielle Bestätigung der Firma und Angaben zur Teilnehmerliste stünden jedoch noch aus.