StartseiteRegionalDemminMehr als sechs Jahrzehnte aktiv — Land ehrt Jarmener Fußball–Urgestein

Ehrung für Jarmener Fußball–Urgestein

Mehr als sechs Jahrzehnte aktiv — Land ehrt Jarmener Fußball–Urgestein

Jarmen / Lesedauer: 7 min

Wilfried Zakertzewski ist vom Land mit einer hohen Auszeichnung geehrt worden. Doch hat er sich längst nicht nur bei den Kickern einen Namen gemacht.
Veröffentlicht:07.03.2023, 06:01

Von:
  • Stefan Hoeft
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Mit dem Thema Fußball ist der Jarmener Wilfried Zakertzewski seit mehr als 65 Jahren verbunden, und das Gros dieser Zeit gehörte er zu jenen Personen, die diese Sportart am mittleren Peenetal geprägt und dabei teilweise sogar vereinstechnisch betrachtet vor dem Aussterben bewahrt haben. Denn immer wieder übernahm er neben seiner langjährigen Tätigkeit als Trainer wichtige Vorstandsfunktionen — bis ins Heute als Vorsitzender des SV Blau–Weiß 21.

Für dieses Engagement hat das Land den 76–Jährigen nun mit der Ehrennadel des Landessportbundes Mecklenburg–Vorpommerns e.V. in Gold ausgezeichnet. Die entsprechende Veranstaltung fand im Van der Valk Resort Linstow statt. Wobei die Menschen in seiner Heimatstadt wissen, dass der Einsatz des Mannes weit über seinen Verein und den Fußballrasen hinaus reichte und es nach wie vor tut.

Wie alles anfing: Diese alte Aufnahme zeigt Wilfried Zakertzewski (hintere Reihe, zweiter von rechts) bei der A-Jugend der BSG Traktor Jarmen. Repro: Stefan Hoeft (Foto: ZVG/Repro: Hoeft)

Zakertzewskis Familie stammt aus einem kleinen Ort im ehemaligen Westpreußen, der heute zu Polen gehört und zufälligerweise nahe der dortigen Jarmener Partnerstadt Susz liegt. Seine Mutter kam durch die Vertreibung beziehungsweise Flucht im Zuge des Zweiten Weltkrieges an der Peene, Wilfried erblickte hier am 17. Oktober 1946 das Licht der Welt. Keine einfache Kindheit, aber Fußball gehörte schon damals zum beliebtesten Zeitvertreib für die Jungen.

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So landete auch der schmächtige Bursche als Zehnjähriger bei der Betriebssportgemeinschaft Traktor Jarmen, trat ihr 1958 als Mitglied bei. Eine in Ostdeutschland weit verbreitete Vereinsbezeichnung, in diesem Fall auf der Trägerschaft der örtlichen Maschinen–Traktoren–Station (MTS) beruhend.

Zu Auswärtsspielen mit dem Fahrrad

Über einen Umweg, denn zeitweise kickten die Knaben aus der Stadt mangels eigener Trainer bei der Kronsberger Traktor–Schülermannschaft von Polizist Friedrich Zander mit, erlebte Zakertzewski so die erste Erfolgsgeschichte für Jarmens Nachwuchs, der den Kreismeistertitel und damit den Aufstieg in die Bezirksliga schaffte. Die damaligen Platzverhältnisse seien mit den heutigen überhaupt nicht zu vergleichen gewesen, erinnert er sich im Gespräch mit dem Nordkurier.

Und zu den Auswärtsspielen im gesamten Kreis Demmin seien sie mit Fahrrädern angereist, bei kürzeren Strecken häufig sogar zu zweit auf einem. Als 18–Jähriger wechselte er in die Männermannschaft, spielte zeitweise für deren erste Auswahl.

Ende der 1980er-Jahre half Wilfried Zakertzewski (links) auch als Trainer der Männer-Mannschaft aus und das ziemlich erfolgreich. Damals war er schon Bürgermeister und setzte sich auch für einen neuen Sportplatz ein. (Foto: ZVG/Repro: Hoeft)

Nach dem Abschluss der Schule 1963 absolvierte der Vorpommer bis 1965 eine Ausbildung zum Tiefbohrfacharbeiter beim VEB  Erdöl–Erdgas Grimmen, dem größten Erdölerkundungs– und -förderbetrieb der DDR. Später heuerte er beim VEB Geophysik Leipzig an. Und absolvierte überdies zwischendurch ab 1966 einen dreijährigen Wehrdienst bei der NVA. Während der Armee wagte er auch den einzigen Ausflug in andere Sportgefilde — recht erfolgreich. „Da habe ich bei der Leichtathletik mitgemacht, Mittel– und Langstrecke. Ich war sogar Militärbezirksmeister.“

Vom runden Leder indes konnte ihn das nicht abbringen, er schnürte selbst während der „Fahne“ die Töppen — für die ASG Vorwärts Torgelow in der Bezirksklasse. Der Wiedereinstieg bei den Kickern in der alten Heimat indes verlief schleppend, bedingt durch Wohnortwechsel und seinen Arbeitsrhythmus von zehn Tagen am Stück und dann vier Tagen frei. „Da blieb wenig Zeit für regelmäßiges Training und die Spiel. Und die Jarmener waren ziemlich gut.“ Erst zur Saison 1975/76, da hatte Wilfried Zakertzewski einen neuen Job beim Brunnenbau Jarmen angetreten, ging es bei den Peenestädtern für ihn weiter. Eine Meniskusverletzung beendete 1979 diese Rasen–Karriere.

Ab 1968 mit Trainerschein

Allerdings engagierte er sich weiter für die Sportart, insbesondere organisatorisch und als Fußballlehrer. Immerhin hatte der Vorpommer, von dem viele nur als „Zacker“ sprechen, seit 1968 einen Trainerschein in der Tasche, half schon vorher dabei aus. Und erklärte sich als sportlicher Ruheständler bereit, gleich neue Verantwortung im Vorstand zu übernehmen. Anfangs als Abteilungsleiter, dann als Vizevorsitzender.

Überdies sorgte seine Wahl zum Abgeordneten dafür, dass die BSG ab jenem Jahr einen neuen starken Fürsprecher auf kommunaler Ebene bekam. Erst recht, als Zakertzewski nach bestandenem Staats– und Politikstudium 1985 stellvertretender Bürgermeister und im Jahr darauf sogar Chef der Verwaltung wurde. In diese Ära und auf sein Wirken zurück fällt die Neugestaltung der Sportanlage 1986/87. Sie verschlang wohl gut eine Million DDR–Mark und brachte dem SED–Mitglied nebenbei eine Rüge der Partei ein, weil er angesichts bestehender Probleme einiges in Feierabendarbeit erledigen ließ. Noch heute profitieren der Ort und seine Sportler von diesem weitgehend unveränderten großzügigen Areal in den Grünanlagen. 

Schon mehr als vier Jahrzehnte ist Wilfried Zakertzewski (links) auch in der Kommunalpolitik für seine Heimatstadt aktiv. Hier gratulierte er 2020 zum 30-jährigen Dienstjubiläum seines Nachfolgers Arno Karp.  (Foto: Stefan Hoeft)

Nach der Wende und dem damit einhergehenden Wechsel im Rathaus musste sich der Ehemann und Vater von zwei Kindern wie so viele Ostdeutsche einen neuen Job suchen, baute eine Versicherungsagentur auf. Seinen Überzeugungen blieb der Mann trotzdem weitgehend treu. Er sitzt wohl nicht umsonst ununterbrochen bis in die Gegenwart für die Linke im Stadtparlament, gehörte immer zu den Kandidaten mit den meisten Stimmanteilen und durfte sich 2010 als einer der ersten ins neue Ehrenbuch seiner Heimatstadt einschreiben. „Sein Name ist für uns gleichgestellt mit dem Wort Fußball“, hieß es damals in der Laudatio.

Große Herausforderungen ab 1990

Schließlich trug Wilfried Zakertzewski maßgeblich dazu bei, Traktor Jarmen durch die Wiedervereinigung und weitere Klippen zu steuern. Im Nachhinein wirkt die Umwandlung in einen eingetragenen Verein und die Umbenennung in „Blau–Weiß 21“ 1990 noch als die leichteste Aufgabe. Denn die Neuorientierung der Gesellschaft, verbunden mit einem rapiden Mitgliederschwund und neuen finanziellen Herausforderungen sowie sportliche Talfahrten und Konkurrenz durch neu gegründete lokale Fußballvereine machten der Truppe schwer zu schaffen. Aber der seit 1973 bekennende Bayern–München–Fan stand bis 1998 an der BW–Vorstandsspitze und hat dieses Amt nun bereits seit fünf Jahren wieder inne. Überdies kümmerte er sich um die Spielberichte für den Nordkurier und sprang selbst im Rentenalter immer wieder als Trainer ein, regelmäßig übernahm er die Betreuung des Nachwuchses.

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Aus der Arbeit mit den Jüngsten stammt übrigens auch sein zweiter Spitzname „Herr Schulze“, der weniger geläufig, dafür aber mit einem Schmunzeln verbunden ist. Er rührt nämlich von einem sechsjährigen Steppke her, der den Coach am Spielfeldrand an der Hose zupfte und mit Blick auf seine offenen Schnürsenkel bat: „Herr Schulze, kannst Du mir mal eine Schleife binden?“ Auf die Bemerkung Zakertzewskis, dass er gar nicht Schulze heiße, gab es folgende ehrliche Antwort: „Ich weiß, aber der andere Name ist mir zu schwer.“

Alte Tradition wiederbelebt

Weniger zu lachen gab es für ihn, als die Kicker–Sparte Mitte der 2000er–Jahre bei Blau–Weiß ausgelagert wurde und nach einem Zwischenhoch mit dem neuen FSV 05 am Ende jenes Jahrzehnts der Männerfußball einen beispiellosen Niedergang erlebte. Zahlreiche Mannschaftsmitglieder und der Trainer gingen weg, Jarmen musste sich aus dem Spielbetrieb abmelden — für zwei Jahre. Am Ende war es vor allem Wilfried Zakertzewski, der mit einigen Mitstreitern die alten Traditionen und diese Abteilung in seinem Verein wiederbelebte. So dass die Jarmener in Kooperation mit Alt Tellin mittlerweile sogar mit zwei Männer–Teams agieren, das erste in der Landesklasse.

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Freude herrscht bei dem alten Kämpen auch über die von der Stadt angeschaffte neue Beregnungstechnik für die Rasenplätze und den jüngst errichteten Ballfallzaun. Doch mit 76 Jahren würde er sich das Ganze am liebsten nur noch als Zuschauer anschauen und die Vereinsarbeit aus der Ferne betrachten. Noch indes scheint es keinen Nachfolger zu geben für das Urgestein.