Gesundheit

Mehr Reha–Hilfe für Herzpatienten in MV

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

In Reha–Gruppen für Herzkranke bleiben Plätze leer, weil Patienten und Ärzte oft wenig über das Angebot wissen. Das soll sich ändern — mit der Gründung neuer Gruppen.
Veröffentlicht:27.03.2023, 18:04

Von:
  • Author ImageSusanne Schulz
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Bei der Herzsportgruppe hat „Mensch ärgere dich nicht“ hat seine eigenen Regeln. Klar, auch hier geht's darum, die Spielfiguren möglichst schnell rings ums Feld in den sicheren Hafen zu bringen. Nur steht das Spielbrett in einer Turnhalle, die nach jedem Würfeln einmal durchquert werden muss, bis zum anderen Ende und zurück. Dafür gibt es keine festgelegte Reihenfolge beim Würfeln: Wer schneller unterwegs ist, kommt öfter zum Zuge. Unermüdlich und zugleich umsichtig feuert Sabine Görmar ihre Spieler an. Sie ist Rehasport–Trainerin, das „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel eine ihrer liebsten Aufwärmübungen und jene Gruppe, die sie einmal wöchentlich in Neustrelitz betreut, eine von rund 100 Herzsport–Gruppen in Mecklenburg–Vorpommern. 

Weniger Reha-Gruppen durch die Pandemie

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Herzsportgruppen im Osten von MV – in Altentreptow soll nun ein neues Angebot entstehen. (Foto: NK-Grafik/H. Ackermann)

„Nur noch“ rund 100, bedauert Simone Breitenfeld, Bereichsleiterin beim Landesverband für Prävention und Rehabilitation von Herz–Kreislauf–Erkrankungen (LVPR). Denn die Zahl von einst 150 Gruppen ist in den vergangenen Jahren gravierend zurückgegangen. Zum Einen, weil Patienten während der Corona–Pandemie die Ansteckungsgefahr beim gemeinsamen Training fürchteten. Aber auch, weil Ärzte diese Art der Rehabilitation erheblich seltener verordnen — manchmal womöglich deshalb, weil sie gar nicht von der Existenz einer Herzgruppe wissen: Warum sollten sie etwas verordnen, was für die Patienten doch unerreichbar wäre?

Das Netz der Herzgruppen wieder enger zu stricken, ist das erklärte Ziel des Verbandes. Schließlich geht es darum, nach schweren Erkrankungen, Infarkten, Stent–, Bypass– oder Schrittmacher–Operationen, aber auch bei ausgeprägten Herz–Kreislaufstörungen die stark eingeschränkte Belastbarkeit wieder zu erhöhen oder auch präventiv gegenzusteuern. Ein nicht unwichtiger „Nebeneffekt“ ist auch der regelmäßige soziale Kontakt, der die beschwerliche Lebenssituation ebenso meistern hilft wie Hinweise zu Entspannung und Stressbewältigung.

Ärzte dringend gesucht

„Unter fachkundiger Anleitung lernen die Patienten, sich wieder etwas zuzutrauen, ohne Angst, sich zu überlasten“, erklärt Sabine Görmar, die auf Rehasport für Innere Medizin spezialisiert ist, aber auch Kurse in Fitnessstudios und sozialen Einrichtungen gibt. Ihrem Spitznamen „Noch 'n Zentimeter“ legt sie schon bei Dehnungsübungen alle Ehre ein; darüber hinaus geht es speziell beim Herzsport vor allem um Bewegung und Ausdauer. Übrigens unter ärztlicher Betreuung, die bei jeder Kursstunde obligatorisch ist. Allerdings gar nicht so einfach zu gewährleisten, da Mediziner — ob in einer Klinik oder Praxis — gut ausgelastet sind. Auch in Neustrelitz konnte die Herzgruppe nach mehrmonatiger Pause erst im November wieder starten, als die Internistin Christina Buchholz im Neu–Ruhestand diese Aufgabe übernahm.

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Simone Breitenfeld ist für den Landesverband für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in MV unterwegs und will demnächst eine eigene Herzgruppe in Altentreptow gründen. (Foto: Susanne Schulz)

Auch um die Gewinnung und Weiterbildung der Übungsleiter, das Finden geeigneter Räume sowie die Bereitstellung von Sportgeräten und Notfallausrüstung kümmert sich der Landesverband für Prävention und Rehabilitation. Der „menschliche Faktor“ indessen ist der schwierigste, weiß Bereichsleiterin Simone Breitenfeld. Sie schreibt an Ärzte und bringt Informationsmaterial in Praxen, Kliniken, Apotheken, um das so wichtige Angebot (das übrigens nicht aufs Verordnungsbudget angerechnet wird) bekannter zu machen.

Krankheit und Einsamkeit kommen oft zusammen

Überzeugungsarbeit gilt es indessen oft auch bei Patienten zu leisten, die sich darauf berufen, sich ja auch beim Spazierengehen oder im Garten zu bewegen. „Nicht alle sehen die Notwendigkeit und die Vorteile des Herzsports“, verweist Simone Breitenfeld auf den Wert einer Alltagsstruktur und eines sozialen Umfelds, um nach der oft als Schicksalsschlag empfundenen Erkrankung nicht zu vereinsamen. Überdies stärke das Training schließlich auch die Kraftreserven für die Gartenarbeit. 

Werde das Angebot nicht hinreichend wahrgenommen, könne der Verband den Herzsport möglicherweise bald nicht mehr im gewohnten Umfang gewährleisten, befürchtet Simone Breitenfeld. Fehlen werde er vor allem im ländlichen Raum, während es in der Seenplatte–Kreisstadt Neubrandenburg sogar sechs Gruppen gibt. Auf der Aktivitätenkarte des LVPR sind im Osten des Landes auch Neustrelitz, Waren (Müritz), Malchow, Teterow, Dargun, Greifswald, Wolgast, Anklam, Torgelow und Friedland verzeichnet. Eine weitere Gruppe soll am 4. April in Altentreptow an den Start gehen — Mitstreiter mögen sich flugs aufs „Spielfeld“ wagen.