Kranzniederlegung
▶ Mit Kränzen und Worten ehrt Demmin die Opfer der Reichspogromnacht
Demmin / Lesedauer: 3 min

Denny Kleindienst
„Der 9. November ist der Tag des Antirassismus“, sagte Demmins Bürgermeister Michael Koch (CDU) und betonte: „Das Gedenken darf nicht enden.“ An diesem nassgrauen Samstagmorgen gedachte die Hansestadt mit einer Kranzniederlegung auf dem Jüdischen Friedhof in der Bergstraße den Opfern der Reichspogromnacht. So wie sie es jedes Jahr zum 9. November tut. Neben dem Bürgermeister waren Vertreter der Stadtverwaltung und aller Fraktionen der Stadtvertretung, der Pastor der evangelischen Gemeinde, Norbert Raasch, sowie einige Bürger aus Demmin und Umgebung gekommen. Insgesamt knapp 30 Leute. Es waren schon weniger da in den vergangenen Jahren.
Sie legten Kränze und Blumen nieder, legten Steine auf die Grabsteine und hielten gemeinsam inne. In einer kurzen Rede erinnerte der Bürgermeister daran, dass mit den Novemberpogromen 1938 die Lage der Juden in Deutschland existenzbedrohlich wurde. Die Pogrome, so Koch, waren der Übergang von der Diskriminierung zur systematischen Vernichtung der Juden. „Auch in unserer Stadt wurde der jüdische Friedhof verwüstet.“ In den Folgetagen habe dann Rosa Lewinski ihr Lebensmittelgeschäft geschlossen.
Die jüdische Demminerin konnte noch nach Südafrika auswandern. Andere Demminer Juden wurden von den Nazis deportiert und ermordet. In der Goethestraße und der Frauenstraße erinnern Stolpersteine an Grete Davidsohn, sowie an Arnold und Liesbeth Davidsohn. Auf der Metalltafel an der Mauer des Jüdischen Friedhofs steht: „Beim Reichspogrom 1938 verwüstet.“
Am Boden liegender Grabstein fällt sofort auf
Das Gedenken hat heute einen festen Platz in Demmin. Doch gibt es auch die andere Seite? Gibt es antisemitische Vorfälle? Auf dem jüdischen Friedhof fällt ein am Boden liegender Grabstein sofort ins Auge. Es ist der Stein, den Alt-Bürgermeister Ernst Wellmer meint, wenn er sagt, dass sich der antisemitische Vorfall auf dem Jüdischen Friedhofs sich nach der Wende nur ein einziges Mal wiederholt hat. Wellmer sagt auch: „Wir kennen die Täter nicht.“ Insofern sei nicht klar, ob dieses Geschehen, das sich in den frühen 90er Jahren ereignet hat, politisch motiviert war. Wellmer zufolge ist es auch schon viele Jahre her, dass nach einer Kranzniederlegung die Kränze in den umliegenden Bäumen hingen. Auch in dem Fall konnte niemand zur Rechenschaft gezogen werden, bleiben die Motive unklar. Klar antisemitisch waren dagegen Schmierereien in der Demminer Goethestraße im August 2010. Nur wenige Tage, bevor dort die Stolpersteine verlegt wurden, wurde ein Davidstern und die Worte „Jedem das Seine“ auf den Gehweg geschmiert, die auch am Eingang des Konzentrationslagers Buchenwald zu finden sind. Die Polizei hatte die Täter noch in der Nacht in der Nähe des Tatorts festgenommen. In den letzten Jahren sind keine weiteren antisemitischen Vorfälle in Demmin bekannt geworden.
Jüdischer Friedhof wurde 1845 angelegt
Der Jüdische Friedhof in Demmin, der 1845 angelegt wurde und auf dem 1933 die letzte Bestattung stattfand, wurde 2011 in Absprache mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern saniert. „Wir wollten einen würdigen Anblick“, sagt Ernst Wellmer. Der umgestoßene Grabstein wurde liegen gelassen. Denn ein jüdischer Friedhof bleibt im Wesentlichen, wie er ist. Die Juden bezeichnen einen Friedhof auch als „Haus der Ewigkeit“, erklärt der Rostocker Landesrabbiner Yuriy Kadnykov. Wer dort beerdigt ist, habe dort auch „seine letzte Wohnung“. Es sei daher wichtig, diese Orte zu erhalten. Es sei außerdem wichtig, dass Menschen an die Reichspogromnacht erinnern.
Laut dem Landesrabbiner gibt es heute in Demmin zwar keine Mitglieder der jüdischen Gemeinde. Wenn nun aber die Demminer Bürger das Gedenken übernehmen, „dann erinnern sie an ihre ehemaligen Mitbürger.“