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Mitarbeiter machen Supermarkt zu etwas ganz Besonderem

Tutow / Lesedauer: 5 min

Die Wiederbelebung der Tutower Kaufhalle durch einen Supermarkt war nicht leicht. Doch mittlerweile kommen immer mehr Kunden, die nicht nur das Sortiment in dem Geschäft schätzen.
Veröffentlicht:01.04.2022, 06:02

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„Wir hatten es nicht einfach am Anfang. Es war schwierig, die Menschen zurückzugewinnen nach der Schließung und Umbauphase.“ Klaus Schmidt, Geschäftsführer des Demminer Regionalverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO), erinnert sich gut an die Zeit vor fünf Jahren. Damals hatte sein Verband die einst für den Konsum gebaute, aber erst 1990 fertiggestellte Tutower Kaufhalle übernommen, die da längst einer russischen Geschäftsfrau gehörte und lange Jahre von „Sky“ gemietet war. Die inzwischen vom Markt verschwundene Kette indes dünnte ihren Warenbestand schon lange vorm Abschied von diesem Standort aus, und Anfang 2017 begann erst mal ein groß angelegter Umbau für die neuen Zwecke. Sodass die Kundschaft bis Ende März warten musste, um Angebot und Konzept der CAP-Märkte kennenzulernen, das nun auch in der Flughafengemeinde präsent ist.

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Mit und ohne Behinderungen

Die drei großen Anfangsbuchstaben leiten sich von Handicap ab, der englischen Bezeichnung für Benachteiligung. Denn in Läden mit diesem Namen arbeiten Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen. Das Unternehmen an sich steht unter Federführung der Genossenschaft der Werkstätten für behinderte Menschen Süd, in diesem Fall fungiert die AWO als Betreiber. Sowohl für die Beschäftigten als auch die Konsumenten stellt diese Kombination mitunter eine Herausforderung dar, weiß Klaus Schmidt. Doch am Ende profitierten alle. Nicht umsonst gehe es an den Tutower Regalen und Kassen deutlich ruhiger als im üblichen deutschen Alltag zu. Eine Entschleunigung, die sich auf die Kundschaft überträgt und mittlerweile auch so manchen Fan von außerhalb anzieht. „Wir haben echte Stammkundschaft, einige erledigen hier sogar ihren ganzen Wochenend-Einkauf.“

Osteuropa-Ecke bleibt trotz Russland-Boykott

Zumal das Angebot bei Lebensmitteln vieles bietet, das die vier Supermärkte im benachbarten Jarmen nicht bereithalten. Und das großteils über Edeka bezogene Sortiment gezielt durch Spezialitäten und regionale Produkte ergänzt werde. Zu Ersterem beispielsweise gehört die Osteuropa-Ecke, in der sich vor allem Süßwaren und Konserven aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder Polen und Tschechien finden. Dieses Angebot trage auch Tutows Geschichte als einstiger Standort der Roten Armee und zwischenzeitlicher Heimat vieler Russlanddeutscher Rechnung. Trotz des weitreichenden Russland-Boykotts seien da vorerst keine großen Abstriche zu erwarten, so der AWO-Chef. „Vieles davon wird ja auch in Lizenz produziert.“

Tutower Senf als ein Zugpferd

Ein anderes und jüngeres Zugpferd stellen die Produkte der Inselmühle Usedom dar, insbesondere deren Senf. Schließlich wurde der im Frühjahr 2021 nach dem Vorbild des früher in der hiesigen Konservenfabrik hergestellten Mostrichs kreiert. Schon von Anfang an ein Verkaufsschlager, steigt der Absatz des preislich als Premium-Marke geführten Tutower Senfes derzeit wieder spürbar. Weil andere Anbieter wegen des Ukraine-Krieges offenbar Lieferschwierigkeiten für den Grundstoff beziehungsweise die Menschen in Erwartung dessen die Regale leer gekauft haben.

Kunden können Vorschläge machen

Solche Angebote und die Möglichkeit für die Bürger, selbst Vorschläge für Erweiterungen des Sortiments einzubringen, seien aber nur eine Seite der CAP-Erfolgsgeschichte, betont Klaus Schmidt. Der Backstand mit seinen Liefermöglichkeiten für Feiern und der Steh-Imbiss im Eingangsbereich würden ebenso ihren Teil dazu beitragen wie die wöchentlich ein- bis zweimaligen Mittagessen-Angebote auf Vorbestellung. Die nutzten gerade Senioren sehr gerne. „Aber auch die jungen Leute kriegen mit, dass so eine Einkaufsmöglichkeit im Ort etwas Gutes ist. Wir haben da auch verschiedene Werbeaktionen gemacht.“ Hinzu komme das Netzwerk durch Kontakte etwa zur Kita und Feuerwehr, befördert und ergänzt durch die persönliche Verwurzelung der Mitarbeiter in der Region.

16 Angestellte

So wohnt etwa die amtierende Marktleiterin Ricarda Lüdtke in der Siedlung, existiere um sie herum ein seit Langem bestehender fester Kern an Mitarbeitern. Heute zählt die Truppe bereits 16 Angestellte, die Hälfte davon mit körperlichen Einschränkungen, erläutert der Geschäftsführer. „Wir haben hier ein Spitzenteam, sonst könnten wir auch gar nicht so gut arbeiten“, lobt er. Der Mann hofft, die demnächst anstehenden ersten Verrentungen entsprechend ausgleichen zu können.

Festivals sorgen für Umsatz

Eine Besonderheit in der Tutower Geschäftsbilanz stellen die Festivals und anderen Veranstaltungen auf dem Flugplatzgelände dar – mit drei- bis vierstelligen Gästezahlen. „Da haben wir dann in drei Tagen den Umsatz von drei Monaten“, rechnet Klaus Schmidt vor. Durch Corona sei das natürlich zuletzt weniger geworden, dafür jedoch habe die Pandemie auf andere Weise für mehr Umsatz gesorgt. Die Leute hätten angesichts der Ansteckungsgefahren und Einschränkungen eben lieber vor Ort als auswärts eingekauft, einen ähnlichen Effekt sieht er durch die enormen Steigerungen bei den Kraftstoffpreisen. Da würde sich so mancher überlegen, ob eine Einkaufstour woanders hin finanziell Sinn macht.

Investitionen geplant

Von daher lässt der AWO-Geschäftsführer keinerlei Zweifel an der Zukunftsfähigkeit dieses Standortes aufkommen. „Das läuft gut hier. Auch die Immobilienfrage ist geklärt: Wir haben einen Zehnjahresvertrag mit der Option auf weitere zehn Jahre.“ Von daher fällt es ihm leicht, neue Investitionen anzukündigen. So werde in Tutow im Sommer auf ein neues Bestell- und Warenwirtschaftssystem umgestellt, danach folge die Einführung eines modernen Preisanzeigen-Managements. Zettel an den Regalen sollen damit der Vergangenheit angehören, stattdessen gibt es digitale Schilder.