Neuer Gedenkort mit brauner Vergangenheit
Demmin / Lesedauer: 3 min

Das neue Jahr hat kaum begonnen, da nimmt die Diskussion um den geplanten Erinnerungsplatz für die Demminer, die sich im Frühjahr 1945 zu Hunderten das Leben nahmen, wieder Fahrt auf. Denn der neue mögliche Standort vor der Brücke zum Hanseviertel, auf den sich die fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe wenige Tage vor Weihnachten geeinigt hatte, soll vor 87 Jahren schon einmal als Gedenkstätte gedient haben. Zu einer Zeit, als die NSDAP bei der Reichstagswahl in Demmin erschreckenderweise mit rund 54 Prozent bedeutend mehr Stimmen erzielte als im Rest des sogenannten „Dritten Reiches“.
Standort der Hitler-Eiche
„Wenn sich die für die Gestaltung des Platzes verantwortlich fühlenden Personen schon aus fragwürdigen Gründen gegen eine vollständige Aufarbeitung des Massensuizids aussprechen, dann sollten sie aber wenigstens wissen, auf welchem historisch belasteten Gebiet sie sich bewegen“, merkt Wolfgang Holst vom Demminer Ortsverein der SPD kritisch an. Er könne sich bei bestem Willen nicht vorstellen, dass Karl Schlösser begeistert wäre, seine Bilder vom „Brennenden Demmin“ gerade an diesem Ort zu sehen.
Genau dort, wo die Nationalsozialisten laut dem SPD-Mann am 20. April 1933 zum Geburtstag ihres „Führers“ eine „Hitler-Eiche“ gepflanzt und noch am selben Tag den Platz nach der Nazi-Ikone Horst Wessel benannt hätten. Dass es sich dabei nicht nur um bloße Vermutungen handelt, beweist ein Blick in die überlieferten Quellen. Demnach soll bei der Baumpflanzungsaktion und anschließenden Platzweihe ein großer Teil der Demminer Bevölkerung dabei gewesen sein, die das Geschehen begeistert verfolgt hätten. Der einstige Bürgermeister der Stadt, Albert Luckow, stilisierte Wessel in seiner Rede zur „Führungsfigur der Berliner SA“ und „Opfer des marxistischen Untermenschentums“, da der Sturmführer von Mitgliedern der KPD im Januar 1930 in seiner Wohnung tödlich verletzt wurde. Bis heute ist er eine Art Symbolfigur in der rechtsextremen Szene.
Ignorante Haltung gegenüber der Geschichte?
„Will die Arbeitsgruppe den Neonazis zukünftig wirklich diese Stätte als Podium für ihren alljährlichen Mummenschanz anbieten?“, fragt Wolfgang Holst und wirft den Verantwortlichen eine ignorante Haltung bei der Wahl des Gedenkortes vor. Die Historie sei der UWG- und CDU/FDP-Fraktion völlig „Wurscht“, ist der Verchener überzeugt. Ferner sei den Planern entgangen, dass sich niemand in dem Bereich vor der Fischerinsel umgebracht hat, weil bereits alle Brücken gesprengt waren und man deshalb gar nicht auf die andere Seite der Peene gelangen konnte. „Wenn von Suizidopfern gesprochen wird, können damit in meinen Augen auch nur die unschuldigen Kinder gemeint sein, die durch andere Familienmitglieder ermordet wurden. Denn wer sich selbst tötet, kann kein Opfer sein“, so der 71-Jährige.
Der UWG-Fraktionsvorsitzende, Eckhardt Tabbert, reagierte spürbar geschockt, als ihn der Nordkurier mit der „braunen“ Vergangenheit des favorisierten Standortes konfrontierte. „Davon haben wir überhaupt nichts gewusst“, muss der Stadtvertreter zugeben. Und genau an dem Punkt liegt für Wolfgang Holst das Problem: „Wenn sich eine solche Gruppe zusammenschließt, dann sollten auch Menschen dabei sein, die wenigstens über einen minimalen historischen Hintergrund verfügen. Das wäre das Mindeste, was man verlangen kann“, meint der SPD-Mann.
Eckhardt Tabbert hingegen betonte, dass bislang noch nichts „in Stein gemeißelt“ sei: „Wir sind immer offen für Vorschläge. Wer eine alternative Idee hat, kann sich gerne bei uns melden“, versichert der UWG-Fraktionsvorsitzende.