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Noch ein Roman über Massensuizide in Demmin erschienen

Demmin / Lesedauer: 5 min

Wieder dreht sich ein neuer Roman um die Massensuizide in Demmin nach Ende des zweiten Weltkriegs. Doch die Autorin hat es nicht auf die Stadt an sich abgesehen.
Veröffentlicht:12.01.2023, 11:30

Von:
  • Lisa Gutzat
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Karsten Behrens wollte in der hiesigen Buchhandlung einfach nur nach Lesestoff stöbern. Als der Vorsitzende des Demminer Heimatvereins den Laden betreten hatte, staunte er jedoch nicht schlecht, denn er entdeckte einen Roman, von dem er doch normalerweise schon längst wissen müsste. „Luisentor“ heißt das Werk, geschrieben von Carolin Miltenburger, eine Psychologin aus Berlin, die mittlerweile Rentnerin ist.

In Demmin ist sie unbekannt. Zumindest für Karsten Behrens, was seinen Angaben nach ziemlich ungewöhnlich ist, da sich Autoren, die über die Nachkriegszeit in Demmin schrieben, in den meisten Fällen an den Heimatverein gewandt hatten. Von Carolin Miltenburger habe er persönlich jedoch noch nie etwas gehört, weshalb er sich fragt, welchen Bezug sie zur Hansestadt hat.

Auswirkungen auf nächste Generationen

Tatsächlich hat sie keinen, wie Carolin Miltenburger auf Nordkurier-Nachfrage bestätigt. Jedoch sei die Berliner Autorin hier vor einigen Jahren zu Besuch gewesen und habe dabei eine bedrückende Stimmung in der Stadt erlebt. „Ich habe auf dem Friedhof nach dem Massengrab gesucht und musste sogar einen Mann fragen, damit ich es überhaupt finden konnte. Es war nicht einmal ausgeschildert“, berichtet Miltenburger.

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Ihre Intention hinter dem Roman sei der Gedanke daran gewesen, wie sich das Thema rund um die Massensuizide im Jahr 1945, über das laut Miltenburger nicht gerne gesprochen wird, auf die nächsten Generationen auswirkt. Zudem hat sich die Autorin bewusst gegen eine Recherche in Demmin entschieden, wie sie sagt. „Demmin ist nicht die einzige Stadt, in der so etwas damals passiert ist“, betont die 62-jährige Berlinerin. Im Vordergrund sollten demnach die Massensuizide nach dem zweiten Weltkrieg stehen.

Grundlegend geht es in dem Roman „Luisentor“ um eine Studentin in Berlin, die im Jahr 1990 in der Wohnung ihres Großvaters Hinweise zu den Massensuiziden unter der Demminer Zivilbevölkerung findet. Als sie ihren Großvater darauf anspricht und ihm Fragen stellt, weicht er diesen aus. Später erfährt die junge Frau, dass ihre Familie in die tragischen Ereignisse nach dem Kriegsende verwickelt war.

Es ist nicht die erste Geschichte dieser Art, die über Demmins tragische Vergangenheit erscheint. Davon hat Karsten Behrens offenbar langsam genug. „Es gibt auch andere Ereignisse aus Demmin, die nicht mit Selbstmorden und Gewalt in der Nachkriegszeit zu tun haben“, betont der Vorsitzende des Heimatvereins und nennt als Beispiel die Zeit bis 1815. In dieser sei das Gebiet, nördlich der Peene, schwedisches Territorium gewesen, weshalb Demmin von einer schwedischen Verwaltung geprägt war. Das ist laut Behrens ebenfalls ein interessantes Thema für ein Buch.

Vorurteile angesehen als kontraproduktiv

Er wünsche sich demnach, dass Autoren sich auch mal mit diesen Seiten Demmins befassen und nicht ausschließlich mit den Selbsttötungen 1945. „Die zu starke Reduzierung auf dieses Thema tut Demmin nicht gut“, warnt Karsten Behrens. Das sieht auch Carolin Miltenburger so, wie sie selbst sagt. Jedoch wissen viele Menschen der Autorin zufolge nichts von den tragischen Ereignissen, die einst in Demmin geschahen.

„Wie sollen wir denn Menschen, die die Stadt nicht kennen, unter diesen Umständen hierher locken?“, fragt sich Karsten Behrens und sieht die dadurch entstehenden Vorurteile gegenüber der Stadt als kontraproduktiv. Zwar begrüßt er Werke, in denen es sich um seine Heimat handelt. Jedoch seien es immer die selben „abgenutzten“ Themen, weshalb sich seiner Meinung nach viele damit irgendwann nicht mehr beschäftigen wollen.

Behrens selbst habe „Luisentor“ bereits bis zur Hälfte gelesen und ist bisher positiv gestimmt, sagt er. Grund dafür sei vor allem, der Ansatzpunkt der Geschichte im Jahr 1990 sowie der „flüssige“ Schreibstil der Autorin.

Die Rezensionen von anderen Lesern auf der Internet-Plattform „Lovelybooks“ klingen ebenfalls nach Lesespaß. „Die Geschichte hat mich total berührt und die wunderbare Sprache macht die Charaktere sehr lebendig. Ich hab’s in einem Rutsch gelesen“, schwärmt ein Leser. Ein anderer schreibt: „Der spannend zu lesende Roman ist in zweierlei Hinsicht eine Zeitreise: In die Wende- und in die Zeit am Ende des Weltkriegs. Einfach toll!“

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In der Hansestadt selbst erreicht das Buch jedoch nicht gerade viele Menschen. Nach Angaben der Buchhandlung Steinke in Demmin wird dieses nur sehr wenig nachgefragt und außerdem nur auf Anforderung gedruckt. „Die meisten warten auf einen ähnlichen Roman, der im Februar erscheint“, stellt Inhaberin Andrea Böhme fest.

Derzeit plant Autorin Carolin Miltenburger einige Lesungen ihres Buches „Luisentor“ und möchte auch in Demmin eine halten, wie sie sagt. Für die Stadt wünscht sie sich, dass über die Vergangenheit, und vor allem über die tragische Zeit der Massensuizide, gesprochen wird. Anders könne man das Thema nicht hinter sich lassen oder es schaffen, damit umzugehen –auch wenn die Erinnerung daran wichtig ist, betont Miltenburger. Vor allem könne dabei der Kontakt zu einer Stadt wie Güstrow helfen, da diese eine ähnliche Belastung durch die Vergangenheit habe.