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Platt als Lieblingssprache – Warum Jette so gerne butschert

Demmin / Lesedauer: 4 min

Für Jette Bolz aus Siedenbrünzow ist Niederdeutsch mehr als nur ein Unterrichtsfach. In ihrer Familie wird jetzt wieder häufiger Platt gesprochen.
Veröffentlicht:08.06.2021, 19:26

Von:
  • Christine Gerhard
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„Bin butschern und lernen“, schrieb Jette ihrer Mutter auf einen Klebezettel, wenn sie mit dem Fahrrad ins Nachbardorf fuhr, weil zu Hause die Internetverbindung für den Distanzunterricht nicht immer ausreichte. „Vör den Pries hebbt de Göder den Fleet sett“ hatte ihre Mutter ihr gesagt und sie damit während der Schulschließung motiviert. Beim Niederdeutschlernen aber kam der Ehrgeiz ganz von selbst. Und auch der versprochene „Pries“ stellte sich ein: Bei einem bundesweiten Wettbewerb wurde Jettes Lieblingswort kürzlich zum „schönsten plattdeutschen Wort“ gekürt.

Der Ausdruck „butschern“, laut Heimatverband MV „rausgehen, etwas unternehmen“, hat für die 13-Jährige im Lockdown eine ganz neue Bedeutung erhalten. „Butschern heißt für mich einfach raus und frei sein, das Wetter nutzen, die Natur genießen, mit dem Hund rausgehen oder einfach spazieren“, erzählt sie.

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Jette fallen noch viele solcher schöner plattdeutscher Wörter ein. Deren Eigenarten, sagt sie, lassen sie weiter denken und bringen sie auf Einfälle, die sie in einer rein hochdeutschen Konversation nicht hätte. Ein plattdeutsches Gespräch kann deshalb ganz anders verlaufen als eines auf Hochdeutsch, meint die Siebtklässlerin. Am Demminer Goethe-Gymnasium lernt Jette zwar auch Englisch und Französisch, aber Plattdeutsch ist bei Weitem ihre Lieblingssprache. „Niederdeutsch macht mir mehr Spaß, weil man sich viel selbst herleiten kann und schnell lernt“, findet sie. „Es ist einfach eine einzigartige Sprache, Englisch und Französisch kommen da nicht ran.“

Die Großeltern helfen kräftig mit

Jette, die schon in der Grundschule etwas Niederdeutsch gelernt hatte, mag den angenehmen, weichen Klang und es ist ihr wichtig, dass die Sprache erhalten bleibt. Ihre Großeltern sprechen Platt. „Jetzt kann ich mich mit ihnen ganz anders unterhalten“, erzählt Jette. Zuerst sei es für die Großeltern etwas ungewohnt gewesen, als die Enkelin plötzlich Niederdeutsch mit ihnen sprach. Doch sie unterstützen sie, fragen sie ab, bringen ihr neue Wörter bei. Und auch mit der älteren Nachbarin schnackt Jette gerne auf und über Plattdeutsch.

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„Auf Niederdeutsch baut man neue Kontakte und Nähe auf“, findet die Schülerin. Wenn sie etwa in Greifswald eine Jeans kaufe, frage sie die Verkäuferin inzwischen schon: „Brauchst du wieder eine neue Nietenbüxe?“ Indem Jette die plattdeutschen Lieblingswörter in ihren Alltag einbaut, streut sie das Niederdeutsche nicht nur in der Fußgängerzone, bei Bekannten und Freunden, sondern hat die Sprache auch bei sich zu Hause neu belebt. „Morgens fragen wir uns: Wie geiht di dat? Und wir verwenden viele plattdeutsche Begriffe“, erzählt Jette. Ihre Schwester nennt Hummeln jetzt „Plüschmoors“.

Als Schülerin des Musikzweigs kann die Zehnjährige aus zeitlichen Gründen zwar nicht Niederdeutsch in der Schule lernen, doch Jette bringt es ihr zu Hause bei. „Es ist toll, wenn sie mit mir lernt und man bekommt noch mehr Spaß an der Sprache, wenn man sie weitervermitteln kann“, findet Jette. Sie ist stolz, dass ihre kleine Schwester beim schulinternen Plattdeutsch-Wettbewerb auch ein Wort eingereicht und dabei gut abgeschnitten hat. „Stolz und froh“ ist Jette auch, wenn sie Niederdeutsch spricht. „Das ist eine coole Abwechslung und es macht Spaß, so zu sprechen und das merkt man mir auch an“, sagt sie.

Jährlich 20 bis 30 Plattdeutsch-Schüler in Demmin

Wie Jette entscheiden sich nach Angaben von Kristin Studier, einer von drei Niederdeutschlehrkräften am Goethe-Gymnasium, dort pro Jahrgang zwischen 20 und 30 Schülerinnen und Schüler für das Wahlpflichtfach Niederdeutsch und bleiben dabei. Sie verzichten dafür auf Darstellendes Spiel oder den Mathematikzusatzkurs, müssen nach einer entsprechenden Regelung des Ministeriums aber seit zwei Jahren nicht mehr Zeit in der Schule verbringen als ihre Mitschüler. Die meisten Kinder wählen Niederdeutsch, um Oma und Opa besser zu verstehen, erklärt Kristin Studier. „Sie hören das häufig und wollen mitschnacken. Die Sprache wird in der Familie gesprochen und soll weitergeführt werden. Ab und an hört man auch die Begründung, dass es schön klingt oder die Eltern geben den Hinweis.“

Der jungen Lehrerin selbst wurde das Plattdeutsche nicht in die Wiege gelegt. In Brandenburg aufgewachsen hat sie Niederdeutsch aus Interesse an der Sprache erst als Erwachsene gelernt und ist auch deshalb ein Vorbild für Jette und ihre Mitschüler im Niederdeutsch-Zweig. Kristin Studier glaubt, dass Rudimente der Sprache durch das Programm erhalten werden können und das Sprachbewusstsein gefördert wird. Dass Plattdeutsch bei den Schülern präsent ist, merkt sie auch an der Teilnahme am schulinternen Wettbewerb. 26 Einsendungen gab es da, auch von Schülern, die keinen Niederdeutschunterricht haben. Gewonnen hat das Wort „Daddeldu“, Feierabend. Feierabend ist für Jette nach dem Klingeln jedoch meist nicht. Dann unterhält sie sich oft noch beim Warten auf den Bus mit ihren Freunden auf Platt.