RS-Virus

Purer Stress auf Demmins Kinderstation

Demmin / Lesedauer: 4 min

Über einen Monat lang kämpften Dr. Vanda Tuxhorn und ihr Team gegen das RS-Virus. Viele Eltern und Mediziner stießen an ihre Grenzen. So schlimm wie Ende 2022 war es noch nie.
Veröffentlicht:18.01.2023, 13:18
Aktualisiert:18.01.2023, 13:21

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Besorgte Eltern warten im Demminer Kreiskrankenhaus aufgeregt im Wartezimmer, in ihren Armen halten sie hustende und nach Luft schnappende Babys. Ständig drücken die Eltern der kleinen, oft nicht einmal sechs Monate alten Kinder, die Nottaste in den Zimmern – in der Hoffnung, dass sofort jemand zu Hilfe eilt. Schwestern und Ärzte huschen von Zimmer zu Zimmer, jedem soll geholfen werden.

Das Virus befällt die Atemwege

Situationen wie diese erlebten Dr. Vanda Tuxhorn, Chefärztin der Pädiatrie im Kreiskrankenhaus Demmin, und ihr Team etwa sechs Wochen lang in einem extremen Ausmaß mit. Das sogenannte RS-Virus hat Ende 2022 für ein riesiges Chaos auf der Kinderstation in Demmin gesorgt. Nicht nur die Sorge um die kranken Kinder machte allen Mitarbeitern zu schaffen, sondern auch ein rapider Personal- und Bettenmangel.

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Das RS-Virus befällt die Atemwege, wodurch es in den meisten Fällen zu einer Erkältungserscheinung kommt. Diese Infektion tritt häufig in den Wintermonaten auf. Jedoch wirkt sich das Virus laut Tuxhorn bei Kindern im Alter bis sechs Jahre schlimmer aus als bei Erwachsenen. „Haben Babys das RS-Virus, bekommen sie kaum Luft, da unter anderem die Atemwege mit viel Schleim belagert sind“, erklärt die Chefärztin der Pädiatrie. Deshalb würden die Kinder meist an Atemgeräte angeschlossen und bekommen zudem eine Magensonde zur künstlichen Ernährung.

Aggressive Ausbreitung durch die Corona-Pandemie

Seit etwa Mitte November 2022 lagen 36 vom RS-Virus betroffene Kinder auf der Station. „So viele Fälle hatten wir hier noch nie“, weiß Dr. Tuxhorn, die seit etwa drei Jahren im Kreiskrankenhaus Demmin praktiziert. „Zu der Zeit waren auch noch Mitarbeiter unserer Station krank, sodass wir Personalmangel hatten. Außerdem gibt es auf der Kinderstation nur 17 Betten. Jedoch hatten wir in einer Woche auch mal 31 Kinder hier, die zwar nicht alle das RS-Virus hatten, aber trotzdem hier bleiben und behandelt werden mussten. 17 Betten haben dann natürlich nicht gereicht“, erinnert sich die Medizinerin. Deshalb habe man einige Kinder, die bereits wieder gesund waren, entlassen müssen, obwohl diese normalerweise noch einige Zeit beobachtet werden mussten.

Doch warum waren überwiegend im November und Dezember viele Kinder vom RS-Virus betroffen? „Ich bin seit 32 Jahren Kinderärztin und wir hatten immer eine RS-Virus-Epidemie. Jetzt ist das Virus aber so aggressiv, weil es keine Chance hatte sich zu verbreiten. Denn wir alle haben uns über zwei Jahre isolieren müssen aufgrund der Corona-Pandemie“, sagt die Ärztin. Deshalb seien vor allem Ende 2022 die kranken Kinder wie eine Lawine gekommen.

Im schlimmsten Fall können die Kinder sterben

Gefährlich ist das RS-Virus vor allem für Neugeborene. „Die haben so enge Schleimhäute. Wenn das nur ein bisschen angeschwollen oder voller Schleim ist, dann können sie nicht atmen“, sagt Tuxhorn. Sie appelliert deshalb unter anderem an Eltern, die sich krank fühlen oder nur Schnupfen haben, sich von dem Baby fernzuhalten, eventuell eine Maske zu tragen und die Hände zu waschen, um das Kind nicht zu gefährden. Im schlimmsten Fall können die Kinder laut Dr. Vanda Tuxhorn sogar daran sterben. „Man kann alles zu Hause behandeln, aber nicht das RS-Virus. Zu Hause können die Kinder nicht beatmet werden – das geht nicht“, betont sie.

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Nicht nur die besorgten Eltern stoßen psychisch an ihre Grenzen, wenn ihre Kinder gegen das RS-Virus kämpfen. Auch das Team um Dr. Vanda Tuxhorn wurde stark belastet, wie die Chefärztin sagt. „Die waren alle fertig.“ Am schönsten sei es jedoch, wenn die Eltern mit ihren vor kurzem noch sehr kranken Kindern nach Hause gehen können.