Weitere Infizierte in Pflegeheim
Tutow bleibt vorerst ein Corona-Epizentrum
Tutow / Lesedauer: 4 min

Stefan Hoeft
Mecklenburg-Vorpommern glänzt bei der Verbreitung des Coronavirus in Deutschland zwar mit den niedrigsten Fallzahlen, sowohl absolut als auch pro Einwohner gerechnet. Doch ausgerechnet im provinziellen Hinterland wie dem Amtsbereich Jarmen-Tutow gibt es bisher die meisten registrierten Infektionen: Nach einer Aufstellung des Landkreises Vorpommern-Greifswald vom Dienstagvormittag wurden dort 37 bestätigte Erkrankungen gezählt, also noch deutlich mehr als in Greifswald (29) oder den drei Kaiserbädern auf Usedom (21), wo der Erreger sich in einem Ahlbecker Altenheim ausgebreitet hatte. Auch die Ballung der Fälle am mittleren Peenetal trifft mit dem Friedrich-Onnasch-Haus ein Alten- und Pflegeheim – mit 130 Plätzen eine der größten derartigen Einrichtungen im Nordosten und seit dem 6. April Covid-19-Brennpunkt.
Noch am Dienstagabend wurden weitere sechs Erkrankungen – vier Bewohner und zwei Beschäftigte – von dort gemeldet, Labornachweise als Ergebnis der aktiven Umgebungsuntersuchungen vonseiten des Gesundheitsamtes. „Die sechs Betroffenen haben allesamt keine Symptome“, hieß es im Lagebericht aus dem Gesundheitsministerium. „Insgesamt sind im Zusammenhang mit dem Geschehen in diesem Pflegeheim zehn Beschäftigte und 29 Bewohner betroffen. Es gab zwei Todesfälle.“ Die Zahl der Genesenen im Amtsbereich Jarmen-Tutow wurde vom Landkreis mit drei angegeben.
Kontaktpersonen werden immer wieder getestet
Das Gesundheitsamt sei nach wie vor omnipräsent mit seinen Leuten und Tests im Onnasch-Haus, unterstrich gestern Landratsamtssprecher Achim Froitzheim. „Um herauszufiltern, wo noch Neuinfektionen sein könnten.“ Sie würden dazu regelmäßig neue Abstriche bei sämtlichen Kontaktpersonen vornehmen – von jedem Patienten über alle Pflegekräfte bis zum Hausmeister. Dass das anfängliche Separieren der Betroffenen in nur einem der vier Wohnbereiche schon nicht mehr ausreichte, wollte er nicht bestätigen, geht aber vorerst nicht von einer weitreichenden Entwarnung aus. „Das dürfte uns noch eine Weile beschäftigen, bis es aufhört. Ahlbeck hat gezeigt, das dauert lange.“
Froitzheim räumte zwischenzeitliche Probleme des Heimes bei der Beschaffung und Versorgung mit Schutzbekleidung ein. „Aber das ist normal, dass das nicht ausreicht, wenn plötzlich sowohl alle Bewohner als auch das Personal so etwas brauchen.“ Deshalb habe der Landkreis mit seiner strategischen Reserve unter die Arme gegriffen. Zumal ja die eigenen Leute von Rettungsdienst und Gesundheitsamt ebenfalls entsprechend ausgestattet sein müssten.
„Das haben wir alles ganz gut in den Griff bekommen mit vereinten Kräften“, resümierte auch Hans Hopkes, Geschäftsführer des Betreibers Diakoniewerk Kloster Dobbertin gGmbH. Das musste wegen der Krankheits- und Quarantäne-Fälle zur Aufrechterhaltung des Betriebes in Tutow auf Mitarbeiter aus anderen Einrichtungen und Leiharbeiter zurückgreifen. „Sonst hätten wir das nicht geschafft.“ Woher der Corona-Ausbruch im Onnasch-Haus kam, wisse keiner, so seine Aussage.
Bürgermeister kritisiert Informationspolitik
Hopkes ist zwar klar, dass die Einrichtung eines sogenannten schwarzen Bereiches und die Normalisierung der Lage „noch ein paar Tage dauern“ werden. Doch bei den Fallzahlen besteht er auf einer Relativierung: Die Summe von 39 zeichnet nach seiner Auffassung ein falsches Bild, die meisten dieser Leute seien nicht oder nicht mehr akut betroffen. „Jetzt geht es noch um zwei Mitarbeiter und sechs Bewohner.“
Solche Informationen hätte Bürgermeister Roland Heiden gerne mal aus erster Hand, wie er dem Nordkurier erklärte. Schließlich lebe Tutow seit vielen Jahrzehnten in guter Gemeinschaft von und mit dem Heim, sei es personell fest verwurzelt in der Region. Da wäre es gut, als Kommune nicht nur aufs Hörensagen angewiesen zu sein, so die Kritik des Dorfoberhauptes, das eigenen Aussagen zufolge auf zwei Anrufe bei der Leitung nur einsilbige Antworten erhielt. Obwohl er jede erdenkliche Hilfe anbieten wollte, etwa bei Außenarbeiten. „Das ist schon ein bisschen unheimlich, wie still, ja tot es da drüben ist“, äußerte Heiden, der in Sichtweite der Einrichtung wohnt und sonst um diese Jahreszeit viele Menschen auf dem Gelände herumlaufen sieht.