Warum die Schweineställe in Vorpommern plötzlich leer sind
Zemmin / Lesedauer: 4 min

Stefan Hoeft
So ruhig wie derzeit ging es in den Ställen des Familienbetriebes Kühling an der Kreisstraße zwischen Zemmin und Bentzin wohl höchstens unmittelbar nach seiner Fertigstellung zu. Wo sich sonst immer so um die 5000 Schweine tummelten und quiekten, teils durch ein extra eingebautes Schaufenster zu betrachten, herrscht nämlich plötzlich gespenstische Leere.
Denn sämtliche noch vorhandene Borstenviecher wurden vor kurzem abtransportiert und anders als sonst keine neuen eingestallt. Was unter anderem für Gerüchte sorgt, die Firma oder zumindest deren Schweinemast steht vor dem Aus. Schließlich war vor rund drei Jahren schon deren Sauenhaltung in Völschow für Außenstehende überraschend eingestellt worden.
Jede Woche um die 300 schlachtreife Tiere
Doch die momentane Stille in Zemmin habe andere Hintergründe, wie einer der Geschäftsführer, Michael Kühling, auf Nordkurier-Anfrage erklärt. „Wir wollen nicht aussteigen“, macht er klar. Normalerweise gebe es einen festen Wechselrhythmus, nach dem jede Woche um die 300 schlachtreife Tiere aus- und dafür genauso viele Ferkel wieder eingestallt werden. Ihr langjähriger Lieferant stelle seine Zucht jetzt allerdings auf neue Tierwohl-Anforderungen um, verbunden mit dem Aufbau eines neuen Sauenbestandes.
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Weshalb er für rund ein halbes Jahr keinen Nachwuchs mehr zur Verfügung habe. Das sei rechtzeitig angekündigt gewesen, und da es in der Branche eher unüblich sei, solche bewährten Geschäftsbeziehungen abzubrechen und die Überbrückung mit anderen Quellen auch aus veterinärmedizinischer Sicht Risiken beinhalte, fällten die Zemminer bereits im Sommer die Entscheidung, diese Pause mitzumachen.
Pause für Reparaturen und Reinigung genutzt
Sie soll gut genutzt werden, berichtet der Geschäftsführer. Zum einen, um personellen Spielraum zu generieren, zum anderen um die Anlage komplett auf Vordermann zu bringen. „So haben wir mal sechs Monate Zeit, alles auf links zu drehen, die Technik zu überprüfen und reparieren, alles durchzureinigen.“ Was bei laufendem Betrieb in diesem Umfang einfach nicht zu meistern sei. Überdies spare das Unternehmen auf diese Weise erhebliche Energiekosten, handelt es sich bei der Pause doch um die kältesten Monate des Jahres.
Dass die Entscheidung mit Blick auf die Preisentwicklung beim Fleisch sogar einen echten Glücksfall darstellt, konnte die Unternehmensleitung damals allerdings noch nicht absehen. „Wir bekommen im Moment so 1,90 Euro pro Kilogramm, haben aber 2,50 Euro Kosten“, schildert Michael Kühling, der sich auch beim Bauernverband engagiert, die Situation der Branche. Die müsse sich Marktpreisen stellen, die schon innereuropäisch für ein Zerrbild sorgten.
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Während die deutschen Produzenten sich weit über den normalen Tierwohl-Standard einbrächten und teils mit Anforderungen hinsichtlich Immissionen und Auslauf zu kämpfen hätten, die sich gar nicht mit den bestehenden Stallbauten umsetzen lassen, gehe es da in anderen Ländern weniger streng zu. Wie beispielsweise in Spanien, das wegen der Suche der Handelskonzerne nach möglichst billigem Fleisch zum Großlieferanten aufgestiegen sei.
„Die Politik lässt uns da im Regen stehen”
„Die Politik lässt uns da im Regen stehen. Wir haben immer mehr Aufwand und höhere Anforderungen zu erfüllen, aber der Markt gibt es einfach nicht her, das auch preislich zu untersetzen“, erläutert Michael Kühling. Andere Branchen wie das Handwerk könnten ihre gestiegenen Kosten zumindest teilweise weitergeben, den Bauern falle das viel schwerer.
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„Wir bestimmen unsere Preise leider nicht alleine. Dabei ist bei uns alles definiert, nur der Preis eben nicht.“ Kein Wunder also, dass derzeit hierzulande sehr viele Betriebe mit der Schweinemast aufhörten. Hundertprozentig ausschließen will der Mann das auch für Zemmin nicht, hält es aber für unwahrscheinlich. Im Normalfall sollen im März wieder die ersten neuen Ferkel eingestallt werden, laute der Plan.
Entwarnung gibt der Geschäftsführer zudem in Fragen Biogas-Anlage, die ja teils mit der Schweinegülle betrieben und die Grundlage für die Nahwärmeversorgung von vielen Gebäuden und Wohnungen im benachbarten Tutow ist. „Wir haben uns in den vergangenen Monaten extra Gülle aufgespart, da kommen wir bis März mit hin.“ Sollte die Pause länger dauern, könne dieser Grundstoff von woanders geordert oder durch Alternativen ersetzt werden. Um einen Stillstand der Blockheizkraftwerke müsse sich also niemand Sorgen machen.