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Wie ein Falkner das Vertrauen zu Falken-Babys sucht

Demmin / Lesedauer: 4 min

Sie sehen zwar stattlich aus und könnten mit ihren Schnäbeln einigen Schaden anrichten, im Grunde aber sind die jungen Falken von Gerd Borgwardt noch Babys.
Veröffentlicht:26.07.2022, 11:56

Von:
  • Christine Gerhard
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Behutsam löst Gerd Borgwardt die Haube vom Kopf seines Falken. Der Blick der großen schwarzen Augen, die darunter zum Vorschein kommen, ist wild. Noch muss der Falkner vorsichtig sein, denn der Jungfalke könnte ihn beißen und schlagen. Das wird sich ändern, ebenso wie der wilde Blick, der Borgwardt so fasziniert.

Bei früheren Zuchten länger gewartet

Mit 55 Tagen hat er den Falken und seine Schwester aus dem Gehege geholt, in dem die Eltern sie großgezogen hatten. Wenn jetzt der Adler über dem Garten in Demmin kreist, schlagen die beiden erwachsenen Tiere keinen Alarm mehr. Bei früheren Zuchten hatte Gerd Borgwardt länger gewartet, bis er die Jungvögel zu sich nahm, doch je älter die Falken sind, desto intelligenter und sturer seien sie und desto schwieriger werde es, sie zu trainieren. Mithilfe eines Freundes fing er sie deshalb vor wenigen Tagen ein.

Als er die beiden Falken zuletzt gesehen hatte, waren sie noch flaumige, hilflose Küken gewesen. Und auch wenn die gefährlich aussehenden Schnäbel und die spitzen Krallen es nicht vermuten lassen, im Grunde sind die beiden immer noch Babys, wie der Falkner betont. Wie sie beides einsetzen können, haben sie noch nicht gelernt. Dennoch sitzt das Falkenweib, das Borgwardt behalten will, groß und stolz auf seiner behandschuhten Hand. Ganz wohl fühlt sie sich da aber offenbar noch nicht. Als die Haube, die der Beruhigung dient, abgenommen ist und die unbekannte Kamera sich nähert, versucht sie loszuflattern.

Im Moment ist vor allem Geduld vonnöten

In den nächsten Tagen und Wochen muss Gerd Borgwardt sie an sich gewöhnen und an alles, was den wilden Tieren sonst noch Angst macht: den Rasenmäher, Autos, andere Menschen, den Hund, das Glöckchen am Bein. Das erfordert Geduld. „Im Moment reicht es aus, hier zu sitzen und gelegentlich mal ein bisschen dichter zu gehen“, erklärt Borgwardt. Immer wieder nimmt er den noch namenlosen Falken auch auf die Hand und spricht mit ihm, damit der Vogel mit seiner Stimme vertraut wird und lernt, die Schwingungen auszutarieren.

Wenn er die Vögel nicht gerade auf der Faust trägt, sind sie an einem längeren Seil an ihren jeweiligen Unterständen festgemacht. In einer Voliere würden sie verwildern. Bis Borgwardt die beiden frei fliegen lassen kann, ist es noch ein weiter Weg. Zurzeit freut sich der Falkner, wenn sich die Jungvögel an ihre Wassernäpfe vorwagen, während er in der Nähe sitzt. „Das ist ein Zeichen, dass sie schon ein bisschen vertraut sind“, erklärt er. Doch Falken trinken wenig, die meiste Flüssigkeit nehmen sie über ihre Nahrung – hauptsächlich Tauben – zu sich. Noch eine Weile wird der Falkner ihr Gewicht erhöhen, denn die jungen Vögel wachsen noch. Dann aber muss es langsam wieder reduziert werden, damit sie fliegen und Muskeln aufbauen können.

Am Blick erkennt man das Vertrauen

Für das Flugtraining wird der Falkner das gleiche Prinzip nutzen, das die Eltern in freier Natur anwenden würden: den sogenannten Bettelflug. „Dabei fliegen die Eltern mit Beute an den Jungen vorbei und locken sie so. Irgendwann traut sich einer.“ Aus eigenem Antrieb fliegen die Falken nicht los, ihren Jagdtrieb entwickelten sie nur, wenn sie Hunger hätten. Meistens schwängen die Terzel, also die männlichen Vögel, sich früher in die Lüfte. Während der Bettelflugzeit werden die Jungen zwar weiterhin gefüttert, denn allein jagen können sie noch nicht. „Aber sie lernen bei Wind und Wetter fliegen“, erklärt Borgwardt. Spätestens dann müssen seine beiden Jungfalken genug Vertrauen aufgebaut haben, um zu ihm zurückzufliegen. Wenn es soweit ist, dann sehe er das an ihrem Blick, denn der verändere sich, sagt der Falkner: „Ich erkenne an ihren Augen, ob sie mir vertrauen.“