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Ende des Zweiten Weltkriegs

Wie ein Mann der Kirche den Angriff auf Loitz verhinderte

Loitz / Lesedauer: 4 min

Der 30. April 1945 gilt für die Loitzer als der Tag der Befreiung vom Naziregime. Die Zerstörung blieb der Stadt erspart – weil ein Mann mutig und beherzt handelte.
Veröffentlicht:30.04.2020, 07:57

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Um das Kriegsende in Loitz ranken sich nachträglich viele Mythen. Einer davon besagt, dass angeblich Superintendent Carl Winter im Ornat über die Peenebrücke den sowjetischen Truppen entgegengegangen sei. Dieses Szenarium ist in der Marienkirche in einer Zeichnung dargestellt. Über die kampflose Übergabe der Stadt gibt es einen Bericht von Dr. Friedrich Winter, dem Sohn des damaligen Superintendenten. Seine Aussagen fußen somit auf der wohl sichersten Quelle: Danach war dies der Gang der Dinge, der der Stadt Loitz tatsächlich das schlimme Schicksal, das beispielsweise die Nachbarstadt Stadt Demmin erleben musste, erspart hat.

Der damalige Bürgermeister Groch hatte sich kurz vor dem 30. April 1945 in Richtung Westen abgesetzt, nicht ohne noch Durchhaltebefehle und die Anweisung zum Bau von Panzersperren hinterlassen zu haben. Danach überließ er die Loitzer ihrem Schicksal. Viele von ihnen flohen aus der Stadt in die umliegenden Dörfer und auf Felder. Zu dem Zeitpunkt stand die Rote Armee bereits südlich der Peene. Im Rathaus war niemand mehr am Telefon zu erreichen. Es war von einem Oberleutnant der Wehrmacht und 15 Marinesoldaten besetzt. Der sowjetische Offizier rief im Pfarrhaus an und erreichte dort den Superintendenten Carl Winter.

Für Kapitulation drohte die Erschießung

Bei dem Gespräch soll Folgendes vereinbart worden sein: Wenn die Stadt weiße Fahnen hisse und keinen Widerstand leiste, würde man auf einen Angriff verzichten. Carl Winter bat um Geduld und ging zum Rathaus. Auf die sowjetische Mitteilung hin bekam er zu hören, dass jeder sofort erschossen werde, der kapituliert. Winter ließ sich nicht abschrecken und bat den Offizier, zusammen mit seinen Soldaten die Stadt zu verlassen. Die Soldaten gingen zur Peene, schossen ihre Panzerfäuste ab und warfen Handgranaten ins Wasser. Carl Winter ging zurück ins Pfarrhaus und teilte den sowjetischen Truppen mit, dass sie sich von dem Lärm an der Peene nicht beeindrucken lassen sollten. Dann lief er durch die Stadt und bat alle Bürger weiße Fahnen zu hissen.

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Auch das war nicht ungefährlich, denn in Loitz gab es immer noch fanatisierte Nazis, die ihn sicher straflos hätten erschießen können. Es ist wohl seiner Persönlichkeit zu verdanken, dass das nicht geschah. Daraufhin zogen die sowjetischen Truppen in die Stadt. Einer ihrer Panzer stürzte in die Peene. Die Soldaten darin ertranken. So blieb es in Loitz bei einigen kriegsbedingten Schäden an Gebäuden. Zwar blieb auch in Loitz eine Selbstmordwelle nicht aus, allerdings nicht in dem schrecklichen Ausmaß wie in Demmin und anderen Städten. Auch Vergewaltigungen und andere Verbrechen hat es in dieser Zeit in Loitz gegeben.

Gedenktafel passte DDR-Funktionären nicht

Dieser Teil der Geschichte ihrer Stadt hat viele Loitzer schon immer nachhaltig beschäftigt. Immer wieder gab es Jahre, in denen an den Tag der Befreiung besonders gedacht wurde: Zur 40. Wiederkehr der Befreiung der Peenestadt hatte die Loitzer Kirchengemeinde die Absicht geäußert, am Pfarrhaus in der Marktstraße eine Gedenktafel an Carl Winter anzubringen. Der Text, der ihm zu Ehren auf dieser Tafel erscheinen sollte, war dem Rat des Kreises vorgelegt aber abgelehnt worden. Begründung: Das Wort „Befreiung“ kam in dem kurzen Text nicht vor. Dem damaligen Loitzer Pastor Henry Lohse und dem Bürgermeister Richard Wenzel gelang es damals aber, die „führenden Genossen“ umzustimmen.

Unter großer Beteiligung von Loitzer Bürgern wurde die Tafel dann schließlich doch enthüllt. Diesem offiziellen Akt folgte in einem Raum der Kirchengemeinde ein sehr interessanter und entspannter Gesprächsabend, bei dem der Ereignisse rund um den Tag der Befreiung gedacht wurde.

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