Wie sich Provinz und Metropolen auseinanderleben
Loitz / Lesedauer: 3 min

Man begegnet der Metropolen-Schelte fast täglich. Zuletzt hatte der Schriftsteller Uwe Tellkamp („Der Turm“) genüsslich in die Klischee-Kiste gegriffen, um die Sozialdemokratie zu kritisieren. Bei der Vorstellung des neuen Buches von Thilo Sarazzin fragte Tellkamp polemisch, wo denn die SPD als Partei des kleinen Mannes sei?
Die Partei verrate ihre Klientel, so Tellkamp. „Sie vertritt die Interessen eines woken, akademischen, Latte-Macciato-süffelnden Prenzlauer-Berg-Prekariats“, sagte Tellkamp, der übrigens aus Dresden stammt, wo es aber natürlich ebenfalls viele Akademiker gibt, die sich mal den einen oder anderen Latte Macciato gönnen.
„Das Volk trinkt Bier, die Eliten trinken Prosecco“
Tellkamp bedient sich einer Metapher, die gerne genutzt wird, um den Unterschied zwischen einer abgehobenen Führungsschicht und der breiten Masse zu beschreiben. „Das wahre Volk trinkt Bier, die Eliten trinken Prosecco“, schreibt der Politikwissenschaftler Lukas Haffert in seinem Buch „Stadt Land Frust“. Er kennzeichnet solche Kritik als typische Attacke auf die Moderne, geäußert vorzugsweise von konservativen Intellektuellen und Politikern vor allem aus AfD, CDU und CSU.
Zugleich erlaube diese Art von Großstadtkritik die beiden Hauptgegner der „einfachen Leute“ gleichzeitig zu markieren: „Die Metropole repräsentiert die politischen, ökonomischen und kulturellen Eliten, sie repräsentiert aber gleichzeitig auch die ‚Einwanderer‘, das andere große Feindbild des Rechtspopulismus‘“, schreibt Haffert.
Bundestagswahl-Ergebnis als Ausdruck des Konflikts
Der 34-jährige Schweizer wird sein Buch am Donnerstag in Loitz bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion vorstellen. Einen passenderen Ort konnten die Veranstalter der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Demokratieladens Anklam kaum finden. Die Kleinstadt an der Peene stellt quasi einen Gegenpol zur Metropole Berlin dar: Loitz zählt etwa 4200 Einwohner, Tendenz abnehmend. Berlin 3,7 Millionen Einwohner, Tendenz steigend. Hier ein hoher Leerstand, dort Wohnungsnot. Für Kino, Theater oder Hochschule müssen die Loitzer weit fahren. Der Berliner genießen ein Überangebot.
Haffert analysiert diese Differenzen genau anhand zahlreicher Statistiken zur Wirtschaftsleistung, dem Kultur- und Universitätsangebot sowie der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung benennt damit Ursachen für das unterschiedliche Wahlverhalten in der Provinz und im Prenzlauer Berg. Am schärfsten habe sich der Stadt-Land-Konflikt im Wahlverhalten bei der Bundestagswahl 2021 gezeigt. Nicht allein durch die Konsolidierung der AfD, sondern mehr noch durch den Aufstieg der Grünen, die „voll und ganz eine Partei der Zentren“ sei.
Stadt-Land-Schere öffnet sich
Das unterschiedliche Wahlverhalten in Stadt und Land könne nicht alleine mit wirtschaftlicher Abgehängtheit erklärt werden, sagt der Politikwissenschaftler. Entscheidend sei auch die Vielfalt von Bildungsmöglichkeiten, insbesondere von Universitäten, in deren Umfeld wiederum attraktive Freizeit- und Unterhaltungsmöglichkeiten geschaffen werden, von denen Kleinstädte in Mecklenburg, Vorpommern oder der Uckermark nur träumen können: „Das universitäre Milieu ist die ökonomische Basis für Buchhandlungen, Cafés, Bars, Theater und Kinos, die so wesentlich zur Lebensqualität einer Stadt beitragen.“
Haffert geht davon aus, dass sich die Schere zwischen Stadt und Land angesichts der boomenden Hauptstadt weiter öffnen wird. Kann die Politik hier überhaupt gegensteuern? Und wie kann die Politik abgehängte Landstriche fördern? Solche Fragen wird er am Donnerstag garantiert gestellt bekommen.