Kunst.Offen

Wo Kunst und Handwerk verschmelzen

Medrow / Lesedauer: 4 min

Zum Kunst:Offen-Wochenende hat Sabine Grundmann einen Ehrengast mit einem ganz besonderen Talent eingeladen: Blumenschmuck.
Veröffentlicht:02.06.2022, 19:06
Aktualisiert:

Von:
  • Author ImageChristine Gerhard
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Sabine Grundmann weiß schon genau, wo die Blumenkünstlerin Ingrid Fischer am kommenden Kunst:Offen-Wochenende sitzen wird: Vor dem vom Wittenberger Lutherzimmer inspirierten Fenster, an dem großen Holztisch. Dort will Ingrid Fischer nicht nur ihre Kreationen zeigen, sondern auch gemeinsam mit den Besuchern kleine Mitbringsel gestalten. „Sie ist so begeistert und elektrisiert von ihrer Arbeit, dass sie das an andere weitergeben muss“, erzählt Sabine Grundmann. Die Gastgeberin kennt die 86-jährige Blumenkünstlerin gut. Ingrid Fischer ist ihre Mutter und kreiert seit 25 bis 30 Jahren zarte und doch beständige Gestecke und Kränze aus Trockenblumen. Bis zur Pandemie stellte sie diese regelmäßig auf Märkten aus, war in ihrer Heimat Sachsen in der Kunsthandwerkerszene weit bekannt. Doch wegen der Corona-Maßnahmen konnte sie ihre vielen neuen Arbeiten lange nicht zeigen. Deshalb ist Ingrid Fischer zu Kunst:Offen nicht nur als Mutter, sondern vor allem als Ausstellerin bei ihrer Tochter in Medrow zu Gast.

Auch deren künstlerische Arbeit hat die Pandemie verändert. Die Zeit im Homeoffice gab Sabine Grundmann die Gelegenheit, sich intensiver und auf eine neue Weise mit dem Licht in ihrem Rotkehlchenhaus in Medrow auseinanderzusetzen. Das letzte Licht des Tages, das fast schon von Norden kommend schräg durch Zimmer und Flure fiel, habe sie schon länger bewundert, wenn sie nach der Arbeit in Greifswald nach Hause kam. Sie zeichnete auf, wohin es reichte und begann es dann festzuhalten. Ganz fremd war die Acrylmalerei der gelernten Buchbinderin, Weberin, Designerin und Textilkünstlerin nicht. Während ihres Studiums der Bildteppichgestaltung hatte sie den Kommilitonen anderer Fachbereiche über die Schultern geschaut und später selbst unter anderem mit chinesischer Tusche gemalt.

Malen in Acryl erstaunlich leicht gefallen

Ihre ersten Acrylgemälde, in denen sie die Schönheit alltäglicher Augenblicke aufgreift, sind nicht dick aufgetragen, sondern wirken so leicht wie viele ihrer durchscheinenden Textilkreationen. „Fast wie Aquarelle“, meint Sabine Grundmann. „Wenn ich weiter so male, kann ich meine Acrlyfarben noch vererben.“ Bei einigen Gemälden habe sie bewusst versucht, möglichst wenige unterschiedliche Farben zu verwenden. „Wenn sie sich überlagern, dann werden es immer mehr“, hat sie beobachtet. Das ungewohnte Malen in Acryl sei ihr von Anfang an erstaunlich leicht gefallen. „Ich hatte die Bilder innerlich schon fertig“, beschreibt die Künstlerin, und viele Weitere habe sie schon im Kopf. Doch auch wenn die Konzepte bereits feststehen, bevor sie zum Pinsel greift: „Es liegt auch ein Geheimnis im Prozess“, findet Sabine Grundmann. Beim Malen erwachten die Figuren – ihre Töchter, die Katze – zum Leben, ähnlich wie Pinocchio im Märchen. So sehr, dass Sabine Grundmann beim Malen manchmal sogar mit den Abbildern spreche. „Ich habe viel Kontakt zu den Bildern“, erklärt die Künstlerin. „Es ist unglaublich, wie ein Ding, das ja eigentlich auf eine weiße Platte zurückzuführen ist, plötzlich zurückguckt.“

Schönstes Kunstwerk ist das Rotkehlchenhaus

Nicht nur die Gemälde, Trockenblumenarrangements und Textilkunst sind zwischen dem 4. und 6. Juni jeweils von 10 bis 18 Uhr (sonntags erst ab 12 Uhr) in ihrem Atelier zu bewundern: Sabine Grundmanns schönstes Kunstwerk ist in ihren Augen das am Dorfteich gelegene Rotkehlchenhaus selbst, das sie in viel Handarbeit und mit Hilfe renoviert und nach ihren eigenen Vorstellungen gestaltet hat. Die Künstlerin hat nämlich auch ein Faible für Handwerk. Die Werkbank in ihrem Atelier, in das sie jede Woche zur „offenen Werkstatt“ einlädt, ist ein Indiz dafür. Einst war der Raum ein Stall gewesen, an der alten, halb zerfallenen Holztür, die sie hinter der Glastür erhalten hat, ist das noch zu erkennen. „Wenn das Licht hier durch die Spalten fällt, wird es zur Zierde“, findet Sabine Grundmann.

Im Rahmen der landesweiten Veranstaltung „Kunst:Offen“ zeigen am Wochenende unter anderem auch die Demminerin Lilo Schlösser mit vier befreundeten Künstlern sowie Roswitha Ziethen aus Ganschendorf ihre Arbeiten. In Demmin ist außerdem die aktuelle Ausstellung im Lübecker Speicher zu besichtigen. Weitere Ateliers und Ausstellungsräume sind beispielsweise in Hohenbüssow, Broock, Klemepnow, Loitz, Dargun und Altenhagen geöffnet. Eine Liste der teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen kann im Internet eingesehen werden.