Kein Sportunterricht
„Frau Ministerin – das ist der größte Schwachsinn”
Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Frank Wilhelm
„Wir brauchen keine Vorschläge von Leuten, die vor zwölf Jahren das letzte Mal vor einer Klasse gestanden haben! Das ist der größte Schwachsinn.” Der Schulleiter eines Gymnasiums in der Mecklenburgischen Seenplatte macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Wie andere befragte Lehrer hat er für den ersten öffentlichen Vorstoß der neuen Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) nur Kopfschütteln übrig.
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Sie hatte am Vortag erklärt, dass im Bildungsministerium geprüft werde, den Sportunterricht kurzfristig bis zu den Weihnachtsferien ausfallen zu lassen. Die freien Sporthallen könnten dann für den normalen Unterricht mit den erforderlichen Abstandsregelungen genutzt werden.
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„Ich habe den Eindruck, das ist ihr spontan eingefallen”, so der Leiter des Gymnasiums, der wie alle anderen befragten Pädagogen lieber anonym Auskunft geben möchte. Wenn es um Informationen aus den Schulen gegenüber den Medien geht, arbeitet die Pressestelle des Bildungsministeriums unter Pressesprecher Henning Lipski bekanntlich mit harten Bandagen. Ohne Interview- und Drehgenehmigung geht normalerweise gar nichts.
Turnhallen für normalen Präsenz- oder Onlineunterricht ungeeignet
Doch der Turnhallen-Vorstoß lockert dann doch die Zungen der sonst eher zurückhaltenden Lehrer: „Die Turnhallen bieten keine Möglichkeiten für einen normalen Präsenz- oder Onlineunterricht”, stellte der Leiter einer Grundschule in der Seenplatte klar. Die Smartboards (interaktive Tafeln) seien nicht transportabel, außerdem müssten Tische und Stühle in die Hallen gebracht werden.
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Das größte Manko aber: In den meisten Gemeinden sind die Turnhallen-Kapazitäten eng beschränkt. In Neubrandenburg beispielsweise teilen sich 800 bis 1000 Schüler eine Sporthalle. Wer soll da entscheiden, welche Klasse in der Halle Unterricht bekommen „darf”.
Angesichts unserer Probleme in den Schulen bräuchten wir Melonen, bemüht der befragte Grundschul-Chef eine Metapher. „Das, was Frau Oldenburg anbietet, ist allenfalls eine Erbsenlösung.”
Depressive Schüler durch Corona
Abgesehen von den Umsetzungsmöglichkeiten sorgt auch die ins Spiel gebrachte Streichung des Sportunterrichts für große Sorgenfalten. „Wir haben jetzt schon viele depressive Schüler durch Corona”, sagte eine Lehrerin aus Vorpommern. „Wenn wir denen jetzt auch noch die Bewegungsmöglichkeiten im Sport nehmen, dürften es noch mehr werden.”
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Aber kann der größere Abstand in den Turnhallen nicht doch was bringen? Nein, meint die Lehrerin: „Wir haben mehr als 90 Prozent Fahrschüler. Im Bus kann ja wohl erst recht kein Abstand gehalten werden.”
Auch die Opposition lässt Oldenburgs Idee durchfallen. „Unfug”, sagt der CDU-Abgeordnete Daniel Peters: „Monatelang hat Frau Oldenburg zurecht erklärt, Kinder und Jugendliche dürfen nicht wieder die Leidtragenden der Pandemie werden. Kaum ist sie im Amt, sind ihre Aussagen Schall und Rauch. Die Forderung, den Sportunterricht auszusetzen, geht fehl.”
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