„Missbrauch” von Azubis und Studenten in MV-Kliniken
Schwerin / Lesedauer: 3 min

Der Vorschlag von MV-Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) klingt auf den ersten Blick plausibel. Pflege-Azubis im zweiten Ausbildungsjahr sollen ab April für bis zu vier Wochen vom schulischen Unterricht befreit werden, um in den Einrichtungen ihres Arbeitgebers einspringen zu können.
Außerdem sollen Medizinstudierende an den Unikliniken in Rostock und Greifswald mit anpacken. „Dort wird der Semesterstart des zweiten klinischen Jahres um vier Wochen verschoben”, teilte die SPD-Politikerin zu Wochenbeginn mit.
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Mit ihrem Vorstoß will Drese das öffentliche Gesundheitssystem, das nach ihren Worten „an der Überlastungsgrenze” stehe, entlasten. „Bis zu 30 Prozent des Personals fallen aus, Stationen werden geschlossen, Operationen verschoben, Notfallpatienten in Nachbarhäuser umgelenkt und Beschäftigte in Kernbereichen zentralisiert”, sagte die Ministerin.
Doch dass Nachwuchskräfte jetzt den Personalengpass kompensieren sollen, stößt in Politik und Verbänden auf heftige Kritik. „Der Zugriff auf Pflegeauszubildende und -studierende in Krisensituationen ist eine erneute Verzweiflungstat und weder mit der Verpflichtung der Patientensicherheit noch mit dem Pflegeberufegesetz und den entsprechenden Verordnungen vereinbar”, heißt es beispielsweise vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe in Mecklenburg-Vorpommern.
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„Lernende dürfen nicht missbraucht werden, um eine fehlgeleitete Politik kurzfristig zu stabilisieren. Sie sind gerade in Krisenzeiten besonders zu schützen”, betonte Verbands-Vorstandsmitglied Rosalie Heimke.
Der Pflegeverband verweist in seiner Kritik auf Rheinland-Pfalz – dort sei über die Pflegekammer ein Pool mit Freiwilligen entwickelt worden, der helfe, die Versorgung auch in Krisen abzusichern. Im Nordosten gibt es laut dem Verband keine Absichten, eine solche Kammer einzurichten, obwohl dies dringend notwendig sei.
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Ähnlich wie der Pflegeverband hat auch Enrico Komning, Bundestagsabgeordneter der AfD aus Mecklenburg-Vorpommern, auf die Drese-Initiative reagiert. „Es ist schon ein starkes Stück, wenn jetzt Medizinstudenten für die fehlgeleitete Gesundheitspolitik in Bund und Ländern herhalten müssen”, kritisierte der Politiker aus Neubrandenburg.
Natürlich müssten Ideen her, den Pflegenotstand in den Krankenhäusern abzufedern. Der Einsatz von Medizinstudenten läge daher nahe. Aber, so Komning, die Famulatur (Praktikum von Medizinstudenten in Kliniken, d. Red.) sei ein Pflichtpraktikum, bei dem werdende Ärzte erste praktische Erfahrungen sammeln sollten und zwar als Arzt. „Der Einsatz als Pflegehilfskraft innerhalb der Famulatur widerspricht diesem Lernziel”, machte Komning deutlich.
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Da Medizinstudenten in Greifswald ohnehin zusätzlich zur Famulatur in einem eigens dafür vorgesehenen dreimonatigen Pflichtpraktikum im Pflegebereich arbeiten müssten, verkomme der redundante Einsatz in der Pflege während der Famulatur leider zu einer reinen Akquise billiger Pflegekräfte und würde das Niveau der ärztlichen Ausbildung unweigerlich sinken lassen”, so der AfD-Politiker. Damit würde der schon heute bestehende Ärztemangel nachhaltig verschärft.