Ralph Weber
AfD-Abgeordneter beschäftigt Neonazi in seinem Büro
Greifswald / Lesedauer: 5 min

Gabriel Kords
M. G. (Name ist der Redaktion bekannt) kann auf eine lange Karriere in der Neonazi-Szene zurückblicken – auch wenn es in den letzten Jahren still geworden ist um den heute 36-Jährigen. Doch bis vor einigen Jahren nahm der aus der Berlin stammende Mann regelmäßig an Demos der NPD und NPD-naher Gruppierungen in Mecklenburg-Vorpommern teil, wo er in der Regel als Fotograf auftrat und Gegendemonstranten fotografierte.
Sowohl in Berlin als auch in Greifswald durchsuchten Ermittler seine Wohnungen, stellten dabei unter anderem Nazi-Devotionalien und Schriftstücke verbotener Nazi-Gruppierungen sicher. Auch verurteilt wurde G. mehrfach: Zuletzt 2014, wegen Körperverletzung. Am Rande einer NPD-Demo verletzte G. einen Gegendemonstranten. Ein Video, das bis heute im Netz steht, dokumentiert die Tat. 80 Tagessätze, in seinem Fall 1600 Euro, musste G. damals zahlen. Auch wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt.
Dass G. in der Neonazi- und NPD-Szene zumindest über lange Jahre tief vernetzt war, belegen zahlreiche Dokumente – auch eine simple Recherche bei Google hätte Ralph Weber, den skandalumwitterten AfD-Landtagsabgeordneten und vormaligen Jura-Professor, bereits hellhörig machen müssen. Doch Weber hat G. zum 1. November als Mitarbeiter in seinem Wolgaster Wahlkreisbüro eingestellt. Auch in den Landtag hat G. den Rechts-Professor seitdem mehrfach begleitet.
Weber hat in der Vergangenheit zwar wiederholt mit provozierenden Äußerungen über „Umvolkung“, „Schuldkult“ und ähnliche Kampfbegriffe für Wirbel gesorgt, zugleich aber stets betont, fest auf dem Fundament der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu stehen. Für den Nordkurier war Weber am Dienstag nicht erreichbar. Gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“, die als erste über die Personalie M.G. berichtete, erneuerte er sein Bekenntnis aber: Er sei „ein überzeugter Gegner allen Formen nationalsozialistischen Denkens und Handelns“.
Für Ralph Weber sind das alles nur „Jugendsünden“
Weber sagte der Zeitung, er habe mit G. über die Vorwürfe gesprochen und dieser habe ihm nochmals seine demokratische Gesinnung versichert – wie schon im Bewerbungsgespräch. „Eventuelle Jugendsünden“ könne man G. nicht vorwerfen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Weber so argumentiert: 2016 hatte er einen – angeblich ebenfalls geläuterten – Ex-Neonazi zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert. G. wiederum versuchte 2015, einem Greifswalder Journalisten gerichtlich verbieten zu lassen, ihn als „Neonazi“ zu bezeichnen. Vor Gericht präsentierte der Journalist allerdings einen Stapel von Beweisen – M.G. zog die Klage auf implizite Empfehlung der Richterin zurück 2013 hatte G. bereits einen Dämpfer erhalten, als er versuchte, Schöffe zu werden. Die Greifswalder Bürgerschaft strich ihn von der Vorschlagsliste wegen „erheblicher Zweifel, dass er die für das Schöffenamt notwendige Unvoreingenommenheit und Neutralität gegenüber allen Bevölkerungsschichten aufweist.“
„Jugendsünden” sind etwas anderes
G. scheint inzwischen allerdings daran gelegen zu sein, einen Strich unter seine Vergangenheit zu ziehen. Er ist in den vergangenen Jahren nicht mehr auffällig geworden, hat inzwischen Frau und Kind. Doch die AfD hat wiederholt erklärt, auch keine ehemaligen Nazis in den eigenen Reihen haben zu wollen. G. Aktivitäten im NPD-Umfeld reichen jedoch noch bis ins Jahr 2015. Wenn es sich dabei um „Jugendsünden“ gehandelt haben soll, wäre der 36-Jährige folglich gerade erst erwachsen geworden.
Seine wahren Jugendsünden liegen wohl schon länger zurück, etwa eine Trunkenheitsfahrt, wegen der er 2006 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde und den Führerschein verlor. Dieses Ereignis mag man ihm heute tatsächlich nicht mehr vorhalten – aber binnen vier Jahren vom Nazi zum Bürgerlichen zu mutieren, wirkt nicht nur für viele Greifswalder, die sich an G. und seine verfestigte Gesinnung erinnern, reichlich fragwürdig – zumal er nun ein monatliches Gehalt aus Steuergeld erhält.
M. G. will jetzt auch Mitglied der AfD werden
Der AfD-Kreisvorsitzende für Vorpommern-Greifswald, der Landtagsabgeordnete Stephan J. Reuken, bestätigte auf Nordkurier-Anfrage, dass G. kürzlich auch einen AfD-Mitgliedsantrag gestellt habe: „Der Kreisvorstand wird voraussichtlich diese Woche darüber abstimmen. Danach geht der Antrag noch zum Landes- und Bundesverband, letzterer hat ein Einspruchsrecht.“
Reuken ergänzte, in seinem Antrag habe G. angegeben, nie zuvor Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein oder in einer Vereinigung, die nicht vereinbar sei mit den Grundsätzen der AfD. „Daher gibt es formal keinen Grund, ihn abzulehnen.“ Jedes Vorstandsmitglied entscheide aber selbst. Zumindest theoretisch denkbar sei, dass man G. noch einmal zum Gespräch einlade. Ein erstes routinemäßiges Gespräch habe ein anderes Vorstandsmitglied mit ihm bereits geführt. Er persönlich habe sich noch nicht entschieden, wie er abstimmen werde, ergänzte Reuken: „Ich kenne Herrn G. persönlich nicht und möchte mich da gerne noch zurückhalten.“
Partei hält sich auffällig zurück
Diese Zurückhaltung üben auch andere Stellen in der Partei. AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer ließ einen Sprecher erklären, die Einstellung von Wahlkreis-Mitarbeitern obliege allein den einzelnen Abgeordneten. Andere Parteimitglieder und Abgeordnete äußern nur hinter vorgehaltener Hand ihren Ärger über Professor Webers neuesten Coup.
Und auch die Landtagsverwaltung windet sich. Auf eine Nordkurier-Anfrage erwiderte Landtags-Pressesprecher Dirk Lange in fein gedrechseltem Bürokratendeutsch sinngemäß, dass der Landtag keinerlei Einfluss auf die Personalie habe, abgesehen vom Führungszeugnis. Darin waren G.Verfehlungen offenbar nicht eingetragen, weil sie entweder schon zu lange zurückliegen oder zu geringwertig für einen Eintrag sind.
SPD und Linke reagieren empört
Der politische Gegner der AfD wurde indes deutlicher. SPD-Fraktionschef Thomas Krüger sagte, er sehe in der Personalie „erneut einen Beleg dafür, dass die Partei es nicht schafft, sich von Extremismus und Demokratiefeindlichkeit zu distanzieren.“ Und Peter Ritter (Linke) schimpfte, die AfD-Fraktion beteuere zwar regelmäßig, sich vom Rechtsextremismus zu distanzieren. Fälle wie der vorliegende zeigten aber, dass dieser „bürgerliche Anstrich“ mit der Realität nichts zu tun habe.
Hinweis der Redaktion: Um Missverständnissen bei der Lektüre des Artikels vorzubeugen, hat die Redaktion sich nachträglich entschieden, den Namen von M.G. nicht mehr als Pseudonym zu verwenden, sondern lediglich die Initialen zu nennen.