Schlechte Arbeitsbedingungen
Amazon wehrt sich gegen Paketboten-Vorwürfe
Rostock / Lesedauer: 3 min

Jörg Spreemann
Der Plan ist aufgegangen, wenn auch nicht sofort. „Die Rückmeldungen waren ziemlich erschreckend“, sagt Verdi-Gewerkschaftssekretärin Silvia Reichert. Ende Oktober hatten neben Gewerkschaftern auch Vertreter von Beratungsstellen für ausländische Mitbürger vor den Amazon-Zentren in Rostock und Neubrandenburg Position bezogen, um Kontakt zu den Paketfahrern aufzunehmen.
Viele Fahrer beschweren sich über Amazon
Erst in den Tagen danach haben sich ihren Angaben zufolge insbesondere arabisch und rumänisch sprechende Fahrer in den Beratungsstellen gemeldet.
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Vor allem für Rostock haben sich laut Reichert in den Schilderungen der Betroffenen die befürchteten Missstände bestätigt. Deswegen soll dort am heutigen Freitag mit einer weiteren Kontakt-Aktion nachgelegt werden. „Wir wollen den Fahrern zeigen, dass wir weiter für ihre Probleme erreichbar sind“, begründet die Verdi-Frau.
Symbolträchtig sei dafür der „Black Friday“ ausgewählt worden, weil gerade an diesem Tag und in der Adventszeit der Onlinehandel boome. „Es ist ja nicht so, dass kein Geld da wäre, um Arbeitsbedingungen zu verbessern und Löhne zu steigern“, findet sie.
Vorwurf: Lohn von Zustellern wird einbehalten
„Wenn wir hören, dass bei Schäden an Paketen und Fahrzeugen Lohn einbehalten wird, unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt, oder wir hören, dass in Dreiraumwohnungen bis zu sechs Personen leben und jeder dafür 300 Euro Miete bezahlt, dann ist das nur die Spitze des Eisbergs und es gibt akuten Handlungsbedarf“, fasst die Gewerkschaftssekretärin bisher gewonnene Informationen aus den Berichten der Paketfahrer zusammen. Zudem habe sich herausgestellt, dass Beschäftigte unter falschen Versprechungen günstiger Arbeitsbedingungen nach Deutschland gelockt worden seien. Groß sei die Angst, sich zu wehren, weil es bereits fristlose Kündigungen ohne Angabe wichtiger Gründe gegeben habe.
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Amazon bedient sich bei der Paketzustellung nach eigener Darstellung sogenannter Lieferpartner. Diesen Subunternehmen sei es nicht gestattet, Wohnraum an Fahrer zu vermieten, erklärte ein Sprecher des US-Versandhändlers auf Nachfrage. „Alle Lieferpartner sind vertraglich verpflichtet, alle geltenden Gesetze einzuhalten, insbesondere in Bezug auf Löhne, Sozialabgaben und Arbeitszeiten“, betonte der Firmenvertreter weiter. Amazon habe in Deutschland eine Fahrer-Hotline eingerichtet, die für alle Fahrer in verschiedenen Sprachen verfügbar sei. Dort könnten Zusteller ihr Feedback auch anonymisiert teilen.
Bezogen auf die Standorte Rostock oder Neubrandenburg seien an Amazon noch keine Beschwerden von Beschäftigten bei Subunternehmen herangetragen worden. „Dann würden wir sofort dagegen vorgehen“, stellt der Sprecher klar. Er geht zum Gegenangriff über: Kritiker würden Amazon zu vielen verschiedenen Themen angreifen. „Tatsächlich entsprechen die Aussagen nicht der Wirklichkeit der Tausenden an Menschen, die bei Lieferpartnern beschäftigt sind“, erklärte er.
Jobangebote werden mit Prämien garniert
Unterdessen geht auf Jobportalen im Internet die Suche nach Paketboten für die erst in diesem Jahr eröffneten Verteilzentren von Amazon im Nordosten unter Hochdruck weiter. So wird von einem Berliner „Kooperationspartner“ für Neubrandenburg eine „Unterschriftsprämie“ von 500 Euro bei einem Stundenlohn von 12,50 Euro ausgelobt. Wer am Standort Rostock drei Monate lang für eine Firma mit Sitz in Hamburg durchhält, kann 520 Euro Einstiegsprämie einstreichen.