Awo-Affäre

Awo-Richter befangen? Prozess droht zu platzen

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Dramatische Entwicklung im Awo-Prozess: Der Verteidiger eines angeklagten Ex-Awo-Managers hat einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt und sich selbst dann krank gemeldet.
Veröffentlicht:27.05.2021, 11:29
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  • Author ImageAndreas Becker
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Eigentlich standen am Donnerstag die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf der Tagesordnung. Doch gleich zu Beginn der Verhandlung vor dem Landgericht Schwerin sorgte Dieter Johannes Schadewald, Anwalt des ehemaligen Awo-Müritz-Geschäftsführers Peter Olijnyk, für einen Paukenschlag.

Der Jurist stellte gegen den Vorsitzenden Richter Henning Sauer am achten Verhandlungstag einen Befangenheitsantrag. Nach Einschätzung des Olijnyk-Verteidigers habe der Richter im bisherigen Prozessverlauf „Tendenzen gegen meinen Mandanten” erkennen lassen. „Es geht hier in diesem Verfahren möglicherweise um eine erhebliche Strafe”, betonte Schadewald. „Wenn der Richter dann aber alle meine Anträge, die sich mit der Angemessenheit des Gehalts von Herrn Olijnyk befassen, abschmettert, ist mein Vertrauen in die Unabhängigkeit des Gerichts zerstört”, sagte Schadewald.

„Sportlich-freundschaftliches Gespräch” zwischen Richter und Staatsanwalt

Richter Sauer habe, so ergänzte der Olijnyk-Anwalt, mit seiner Bemerkung, 84.000 Euro Jahresgehalt seien überdurchschnittlich auskömmlich, eine unsachliche und einseitige Richtung des Gerichts vorgegeben. Dagegen wolle er sich als Verteidiger mit seinem Befangenheitsantrag zur Wehr setzen. Und noch etwas störte Schadewald: Im Anschluss an einen der bisherigen Verhandlungstage habe der Vorsitzende Richter mit dem Vertreter der Anklage, Oberstaatsanwalt Stefan Urbanek, ein sportlich-freundschaftliches Gespräch geführt. Dies hätten die Angeklagten sehr wohl mitbekommen, so der Olijnyk-Anwalt.

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Grundlage der Anklage gegen Olijnyk ist der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Schwerin, der Ex-Awo-Manager habe sich der schweren Untreue schuldig gemacht. Ebenfalls auf der Anklagebank: Ex-Awo-Müritz-Vorsitzender Götz-Peter Lohmann. Auch er ist wegen des Vorwurfs der Untreue beziehungsweise Beihilfe zur Untreue ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Olijnyk und Lohmann sollen sich laut Anklage zwischen 2005 und 2016 gegenseitig überhöhte Einkommen zulasten der Awo verschafft haben. Die zwischen den beiden geschlossenen Verträge seien sittenwidrig und unter bewusster Umgehung der zuständigen Awo-Gremien geschlossen worden, so die Staatsanwaltschaft.

Olijnyk-Anwalt meldet sich krank ab

Olijnyk-Anwalt Schadewald durchkreuzte aber nicht nur mit seinem Befangenheitsantrag den Plan des Gerichts, in der nächsten Woche ein Urteil in diesem Prozess zu sprechen. Nachdem er den Antrag gestellt hatte, kündigte Schadewald an, dass er zunächst für die nächsten Tage nicht verhandlungsfähig sei. Er habe sich aufgrund von Rückenschmerzen kurz vor Verhandlungsbeginn am Donnerstag spritzen lassen. „Ein Bandscheibenvorfall sei nicht ausgeschlossen, hat ein befreundeter Arzt mir gesagt”, teilte Schadewald dem verblüfften Gericht mit. Sprachs und verabschiedete sich vom Verhandlungstag.

Um den seit Februar laufenden Prozess möglichst nicht platzen zu lassen, fragte Richter Sauer nach dem vorübergehenden Ausstieg Schadewalds den Angeklagten Olijnyk, ob er sich zur Sicherheit kurzfristig einen anderen Verteidiger suchen könne. Olijnyk bejahte dies und kündigte an, sich in der nächsten Woche – sollte sein bisheriger Anwalt Schadewald weiterhin Rückenschmerzen haben – von Rechtsanwalt Christian Hoelke juristisch vertreten zu lassen. Pikanterie am Rande: Hoelke ist der Kompagnon Schadewalds in deren gemeinsamer Anwaltskanzlei.

„Kein Zweifel an Unparteilichkeit des Gerichts”

Und der Befangenheitsantrag? Muss jetzt ein neuer Richter gesucht und der Prozess von vorne beginnen? Fakt ist, dass der attackierte Richter Sauer über den Befangenheitsantrag nicht selbst entscheiden kann. Dies wird ein anderer Richter tun. Staatsanwaltschaft und Prozessbeobachter schätzen die Erfolgsaussichten des Befangenheitsantrags allerdings als gering ein.

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„Wir haben keinen Zweifel an der Unparteilichkeit des Gerichts”, sagte Oberstaatsanwalt Stefan Urbanek. Alexander Prechtel, Anwalt des ebenfalls Angeklagten Götz-Peter Lohmann, wollte vor Gericht keine Erklärung zum Befangenheitsantrag abgeben.

Nächster Verhandlungstermin am 4. Juni

Richter Sauer setzte den nächsten Verhandlungstermin für kommenden Freitag an – dann sollen die Plädoyers gehalten werden. Dies ist trotz des Befangenheitsantrages im rechtlichen Rahmen. Ein Urteil allerdings wäre nicht möglich, so lange über den Befangenheitsantrag nicht entschieden ist.