Landgericht Schwerin

Awo-Vertrag im Blindflug und ohne Kontrolle abgesegnet

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Was müssen das für Zustände bei der Awo Müritz gewesen sein? Da bekommt der Geschäftsführer eine satte Gehaltserhöhung – doch kein Vorstandsmitglied will in der Awo-Affäre davon gewusst haben.
Veröffentlicht:25.02.2021, 13:43
Aktualisiert:06.01.2022, 21:37

Von:
  • Author ImageAndreas Becker
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Der Fachmann staunt – der Laie wundert sich: Ex-Awo-Müritz-Kreischef Götz-Peter Lohmann hat im Prozess vor dem Landgericht Schwerin zur Awo-Affäre zugegeben, dass er den üppig dotierten Vertrag von Ex-Geschäftsführer Peter Olijnyk zwar unterschrieben, aber nicht geprüft habe. Er habe Olijnyk quasi blind vertraut und den Vertragsentwurf gar nicht richtig gelesen, sondern nur kurz überflogen.

Dadurch war es Lohmann im Sommer 2012 völlig entgangen, dass der Vertrag für den damaligen Geschäftsführer Olijnyk eine kräftige Gehaltserhöhung beinhaltete. So wurde Olijnyks Jahresgehalt von etwas über 100.000 Euro Jahresgehalt auf 150.000 Euro angehoben – inklusive einer Tantieme in Höhe von 30.000 Euro und einer lebenslangen Betriebsrente. „Da war ich wohl zu nachlässig”, gab Lohmann am zweiten Verhandlungstag gegen die beiden ehemaligen Manager der Awo Müritz zu.

Staatsanwaltschaft wirft Olijnyk und Lohmann schwere Untreue vor

Die Staatsanwaltschaft wirft Olijnyk und Lohmann besonders schwere Untreue beziehungsweise Beihilfe zur Untreue vor. Der heute 72-jährige Olijnyk und der 78-jährige ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lohmann sollen sich laut Anklage zwischen 2005 und 2016 gegenseitig überhöhte Einkommen zu Lasten der Awo verschafft haben. Die zwischen den beiden geschlossenen Verträge seien sittenwidrig und unter bewusster Umgehung der zuständigen Awo-Gremien geschlossen worden, so die Staatsanwaltschaft.

Was wusste der Awo-Vorstand?

Weiterhin soll Olijnyk für Lohmann einen Arbeitsvertrag bei der Servicegesellschaft unterzeichnet haben, ohne dass Lohmann für die gezahlten 675.000 Euro als Diplompsychologe auch Leistungen erbracht habe. Lohmann betonte, dass er sich dort nicht bereichert habe. „Ich habe in den neun Jahren und vier Monaten meiner Tätigkeit stets gearbeitet und war nicht einen Tag krank”, versicherte der Angeklagte vor Gericht. Olijnyk und Lohmann waren in den Jahren 2015/2016 aufgrund der Vorfälle aus der Awo ausgeschieden beziehungsweise gefeuert worden. Lohmann war auch jahrelang Vize-Chef der Landes-Awo.

Lohmann und Olijnyk bestreiten, dass sie ihre Vertragsgeschäfte am Vorstand vorbei gemacht hätten. Der geschäftsführende Vorstand sei informiert gewesen, sagten die beiden Angeklagten, die mit ihrem Verhalten im Sommer 2016 die Awo-Affäre ins Rollen gebracht hatten.

Olijnyks ehemalige „rechte Hand” sagt vor Landgericht Schwerin aus

Weder Olijnyk noch Lohmann konnten sich erklären, wie die einzelnen Gehaltsgrößen in den Vertrag von 2012 gekommen seien. „Ich habe den Vertrag nicht initiiert und ausgearbeitet”, sagte Olijnyk. „Der Vorstand habe stets betont, dass ich der Garant für den Erfolg der Awo Müritz gewesen sei”, zeigte sich Olijnyk von seiner 22-jährigen Tätigkeit als Geschäftsführer überzeugt. Wichtige Vorstandsmitglieder hätten ihr Verbleiben in dem Gremium auch davon abhängig gemacht, dass er weiterhin als Geschäftsführer arbeiten würde, so Olijnyk. „Ich habe den Vertrag angenommen, aber nicht verlangt”, betonte Olijnyk.

Vor diesem Hintergrund dürfte es in den nächsten Verhandlungstagen vor dem Landgericht Schwerin spannend werden, wenn ehemalige Vorstandsmitglieder in den Zeugenstand gerufen werden. Und auch der Aussage der langjährigen rechten Hand von Olijnyk, der Prokuristin Simone Ehlert, dürfte am nächsten Donnerstag große Bedeutung zukommen. Ehlert hatte Olijnyk im Frühjahr 2016 bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Die heute 52-Jährige war nach Olijnyks Rausschmiss zur Geschäftsführerin in der Awo Müritz aufgestiegen – nach einem Jahr aber vom neu gewählten Vorstand ebenfalls entlassen worden.