Awo Müritz

Der Fall Peter Olijnyk

Schwerin / Lesedauer: 7 min

Peter Olijnyk war über Jahrzehnte einer der mächtigsten Awo-Geschäftsführer in MV. Mittlerweile greift die Staatsanwaltschaft in sein Leben. Im Gespräch mit dem Nordkurier legt Olijnyk den Finger in tiefe Wunden.
Veröffentlicht:18.01.2020, 08:00
Aktualisiert:06.01.2022, 19:24

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Am Montag hat er noch einmal einen großen Auftritt. Als Kronzeuge im Untersuchungsausschuss des Landtages zur Aufklärung der Awo-Affäre. Im prunkvollen Schweriner Schloss. Dort, wo sonst große Politik gemacht wird. Ein passender Rahmen, denn die große Politik schmückte sich gerne mit Peter Olijnyk. Als der heute 70-Jährige vor zwölf Jahren mit der Einrichtung einer Intensivpflegeeinheit in Waren an der Müritz für die Awo bundesweit visionäre neue Wege in der Pflege ging, war die Anerkennung überwältigend. Die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt war eigens aus Berlin angereist, der damalige MV-Ministerpräsident Erwin Sellering fand lobende Worte. SPD-Größen und hohe Awo-Funktionäre. Das passte.

Nun, Schmidt und Sellering sind politisch längst im Ruhestand, ist Peter Olijnyk als Geschäftsführer der Awo Müritz seit knapp vier Jahren Geschichte. Rausgeschmissen, entlassen. „Von einem auf den anderen Tag“, schüttelt Olijnyk noch heute verständnislos den Kopf. Er selbst spricht von „intriganten Machenschaften“ innerhalb der Awo-Geschäftsstelle in Waren. Vorbei, Vergangenheit.

Olijnyks Vermögen beschlagnahmt und gepfändet

Doch die Personalie Olijnyk ist juristisch noch lange nicht aufgearbeitet – zivilrechtlich wurde er vom Oberlandesgericht Rostock (OLG) in zweiter Instanz im März 2019 zur Rückzahlung einer erheblichen Summe an zu viel kassierten Gehältern verurteilt, strafrechtlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Schwerin seit Mai 2016 gegen Olijnyk wegen des Verdachts der schweren Untreue. Olijnyk und der langjährige Awo-Kreisvorsitzende und ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Götz-Peter Lohmann sollen sich ohne Wissen des Awo-Vorstandes über einen langen Zeitraum lukrative Verträge zugeschanzt haben.

Im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen wurde bei einer Hausdurchsuchung im Frühjahr vergangenen Jahres auch Olijnyks Vermögen beschlagnahmt und gepfändet. Hintergrund der spektakulären Aktion: Die Staatsanwaltschaft hat den Verdacht, dass Olijnyk Vermögen an Familienmitglieder verschieben und dadurch gegebenenfalls bei einer strafrechtlichen Verurteilung nicht mehr zahlungsfähig sein könnte.

Enttäuscht gibt sich Olijnyk darüber, dass viele seiner ehemaligen Weggefährten in Awo und SPD in ihren bisherigen Aussagen vor Gericht und im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) gelogen hätten. Olijnyk zählt auf: „Der langjährige Awo-Landeschef Ulf Skodda hat entgegen seines Auftritts im PUA natürlich von der Tatsache, dass Lohmann als Kreisvorsitzender in einer Tochtergesellschaft der Awo Müritz angestellt und 5100 Euro monatlich kassiert hat, gewusst.“ Mittlerweile gibt es eine Strafanzeige gegen Skodda wegen Falschaussage, der Fall liegt ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft.

Ehrenamtliche Vorstände ein Schwachpunkt im Awo-System

Gelogen haben nach Aussage von Olijnyk auch die ehemaligen Vorstandsmitglieder der Awo Müritz Heiner Dittrich und Ursula Müller. Sie hatten vor dem OLG ausgesagt, dass sie nichts von den Verträgen von Olijnyk und Lohmann gewusst hätten. Und auch Olijnyks Gehalt sei ihnen nicht bekannt gewesen. „Was sind das denn für Vorstandsmitglieder, die über Jahre Verträge absegnen, aber nichts von den Gehältern wissen?“, fragt Olijnyk verständnislos. „Lügen, denen das OLG in seiner Urteilsbegründung leider gefolgt ist und dadurch die jeweiligen Vertragsverlängerungen aufgrund von vermeintlich fehlenden Unterschriften von Vorstandsmitgliedern für ungültig erklärt hat“, beklagt Olijnyk das seiner Meinung nach fehlende Rückgrat von Awo-Leuten und merkt selbstkritisch an: „Ich habe vielen Mitstreitern zu sehr vertraut.“ Das gelte auch beispielsweise für Teile des Awo-Vorstandes.

Die Rolle der Vorstände sei laut Olijnyk grundsätzlich ein Schwachpunkt in der Awo und bei anderen Wohlfahrtsverbänden. Es sei für ehrenamtliche Vorstände eigentlich kaum leistbar, Kreisverbände mit 650 Mitarbeitern und Jahresumsätzen von 30 Millionen zu begleiten, geschweige denn zu kontrollieren. Und auch die Rolle des Awo-Landesverbandes sei kritisch zu hinterfragen. In der jetzigen Konstellation seien die Kreisverbände fast komplett autark, der Landesverband eher machtlos. Dies gelte auch für den Bundesverband. Gleichzeitig sei der Landesverband gut mit der Situation im Awo-Kreisverband Müritz vertraut gewesen. „Götz-Peter Lohmann war jahrelang Vize-Landeschef und Rudolf Borchert war nicht nur Gründungsmitglied der Awo Müritz, sondern später auch über einen Zeitraum von fünf Jahren Awo-Landeschef. Gleichzeitig hatte Borchert als SPD-Landtagsabgeordneter natürlich beste Kontakte in die Politik“, sagt Olijnyk. „Das war sehr gute Lobbyarbeit“, fügt sein Anwalt Dieter Johannes Schadewald mit ironischem Unterton hinzu.

52 Prozent Rabatt für Awo-Dienstwagen

Olijnyk ergänzt: „Die gute Lobbyarbeit funktionierte auch bei der Verteilung der staatlichen Gelder. Da haben sich die in der Liga zusammengeschlossenen Wohlfahrtsverbände tief in die Augen geschaut und sich dann das Geld nach einem internen Verteilerschlüssel zugewiesen.“ Und noch etwas weiß Olijnyk rückblickend zu berichten: „Zumindest war der Awo-Landesverband bei der Bestellung der Dienstwagen wichtig. Die Bestellung der Dienstwagen lief nämlich ausschließlich über den Awo-Landesverband. Für die Bestellung einer E-Klasse von Mercedes gab es beispielsweise 52 Prozent Rabatt.“ Olijnyk weist in dem Zusammenhang darauf hin, dass er selbst als Kreisgeschäftsführer keinen Einfluss auf die Bestellung eines Dienstwagens gehabt habe.

Und trotzdem, sagt Olijnyks Rechtsbeistand Schadewald, sei Olijnyk mit seinen am Ende 150 000 Euro Jahresgehalt plus Tantiemen ein „Waisenknabe im Vergleich zu anderen vergleichbaren Geschäftsführern in dieser Unternehmensgröße“. Nicht zu vergessen: Einer von Olijnyks Nachfolgern auf dem Chefsessel der Awo Müritz soll auch gleich mit einem sechsstelligen Jahresgehalt plus Rentenansprüchen eingestiegen sein. Anwalt Schadewald fügt an: „Der langjährige Awo-Landesgeschäftsführer Bernd Tünker weiß das alles. Der weiß auch, dass Olijnyks Gehalt nicht der vermeintlich einzige Ausreißer in der Gehaltsskala der Awo-Geschäftsführer ist. Dabei muss man sich die Frage stellen: Was ist denn überhaupt ein angemessenes Gehalt für einen Geschäftsführer, der ein solch großes Unternehmen aufgebaut und erfolgreich geführt hat?“

Apropos Bernd Tünker: Der präsentierte sich im Untersuchungsausschuss vor wenigen Monaten als großer Saubermann und Aufklärer. Eine Rolle, die Peter Olijnyk nur ein müdes Lächeln abringt. „Wie oft hat mich Bernd Tünker vertrauensvoll um Hilfe gebeten, wenn es im Landesverband mal wieder brannte? Immer war ich für ihn da. Als ich aber abgesetzt worden war, hat er nicht ein Mal mit mir das Gespräch gesucht und um Aufklärung gebeten. Ich hätte von ihm mehr Unterstützung erwartet.“

„Ich habe das Vermögen der Awo gemehrt, nicht reduziert“

Und dies, obwohl er, Olijnyk, die Awo Müritz in 90er Jahren aus dem Nichts aufgebaut habe. Seine Stelle als Geschäftsführer sei in den ersten Jahren mit ABM-Mitteln finanziert worden. „Das waren keine Rosinen-Gehälter“, sagen Olijnyk und Schadewald. „Olijnyk hat aus der Awo Müritz ein prosperierendes Unternehmen gemacht“, betont Schadewald. „Ich habe das Vermögen der Awo gemehrt – und nicht reduziert“, meint Olijnyk im Brustton der Überzeugung. Vor diesem Hintergrund hat Anwalt Schadewald der Staatsanwaltschaft Schwerin, deren Ermittlungen offenbar in der finalen Phase sind, ein Gesprächsangebot gemacht. Noch aber sei die Staatsanwaltschaft darauf nicht eingegangen.

Vielleicht, so räumt Olijnyk ein, sei es gar nicht so schlecht, wenn es zu einem Strafverfahren gegen ihn komme. Dann müssten bestimmte Leute im Zeugenstand endlich die Wahrheit sagen und könnten nicht länger schweigen. Aus der SPD ist Olijnyk im Übrigen ausgetreten. „Die schwafeln immer von Solidarität. Doch wenn es drauf ankommt, ist keiner da. Diese SPD brauche ich nicht“, hat Olijnyk einen Schlussstrich unter seine Mitgliedschaft gezogen. Umso spannender, wenn Olijnyk am Montag im Untersuchungsausschuss auf alte politische Mitstreiter trifft. Olijnyk würde sich auch wünschen, dass ehemalige Awo-Vorstandsmitglieder wie Heiner Dittrich und Ursula Müller sowie die Ex-Awo-Prokuristin Simone Ehlert vor dem Ausschuss aussagen müssen.