Gesundheit

Diabetiker beunruhigt über Probleme bei Insulin-Versorgung

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Für Diabetiker ist Insulin lebenswichtig. Doch auch in Mecklenburg-Vorpommern bekommen selbst sie jetzt die aktuellen Probleme bei der Arzneimittel-Versorgung zu spüren.
Veröffentlicht:29.11.2022, 08:08
Aktualisiert:29.11.2022, 11:39

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Die 55-Jährige kann noch ruhig schlafen. Noch. Denn die seit langer Zeit an Diabetes erkrankte Frau aus einem kleinen Dorf im Speckgürtel der Kreisstadt Neubrandenburg hat vorgesorgt – und ist dafür ihrem Bruder dankbar.

Noch klappt die Versorgung – aber zum Teil auf Umwegen

Der Mann arbeitet als Mediziner in Vorpommern und hat seine enge Verwandte schon vor Monaten gewarnt, dass die überlebenswichtige Arznei Insulin knapp werden könnte. „Ich habe mich mit diesem Medikament überplanmäßig versorgt“, sagt sie. Normalerweise reiche ihr Vorrat im Kühlschrank immer für ungefähr ein viertel Jahr – jetzt lagert dort Insulin für deutlich mehr als drei Monate. Ihr Hausarzt, erklärt die Zuckerkranke, sei großzügig und stelle nicht immer erst dann ein neues Rezept aus, wenn das verschreibungspflichtige Medikament fast aufgebraucht ist.

Mehr lesen: Regierung will stärker gegen Medikamenten-Engpässe vorgehen

Andere an der gefährlichen Krankheit Leidende sind ärger dran – denn die Versorgung mit Insulin stellt sich gegenwärtig als einigermaßen problematisch heraus. Der Inhaber der Reitbahn-Apotheke in Neubrandenburg, Raffael Oidtmann, kann davon ein Lied singen. Er versucht aber, seine Patienten zu beruhigen: „Bisher ist es uns immer noch gelungen, unsere Diabetiker mit Insulin zu versorgen“. Nicht immer sofort und nicht immer mit dem verschriebenen Präparat, aber bekommen habe bislang jeder das Medikament.

Apotheken ganz am Ende der Nahrungskette

„So manches Mal haben wir nach Rücksprache mit dem Hausarzt oder dem zuständigen Diabetologen ausgeben können, was wir vorrätig haben, auch wenn das vom Rezept abweicht.“ Grund zur Unruhe unter den Patienten sei das aber allemal.

„Wir in den Apotheken befinden uns am Ende der Nahrungskette“, so Oidtmann bitter, niemand bekomme so ungefiltert wie die Mitarbeiter am Apothekentresen den Unmut der Leute zu spüren. „Vor wenigen Tagen und Wochen gab es Probleme mit Fiebersaft für Kinder, jetzt eben mit der gewohnten Versorgung mit Insulin.“ Liefer- und Produktionsschwierigkeiten seien wohl die Ursache für die schleppende und oft sehr kurzfristige Belieferung mit dem überlebenswichtigen Medikament. „Allerdings“, versucht der Apotheker die Wogen zu glätten, „ein ernsthafter Grund, Panik zu verbreiten, besteht tatsächlich nicht“. Wie gesagt, immer noch sei es in ihrer Apotheke gelungen, alle auf Insulin angewiesenen Kunden zu versorgen.

Apotheker raten vom Hamstern der Arzneimittel ab

Diabetes-Patienten und andere brauchten jetzt auch keine Arzneimittel zu hamstern. Darauf hat der Vizepräsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände, Mathias Arnold, noch im Sommer hingewiesen. Ein Apothekenmagazin hatte ihm in einem Artikel vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts die Frage gestellt, ob es sinnvoll ist, sich einen größeren Vorrat an lebensnotwendigen Arzneimitteln wie Insulin zuzulegen. „So wie die Lage jetzt ist, gibt es keinen Grund, auf Vorrat zu kaufen“, so Arnold vor wenigen Monaten.

Einerseits bestünden hierzulande mit Russland und der Ukraine wenige wirtschaftliche Kontakte, was Arzneimittel betrifft. Andererseits Deutschland als wirtschaftlich starkes Land in der Lage, notfalls auf dem Weltmarkt Medikamente zu einem höheren Preis einzukaufen, erklärt Arnold.

Steigende Zahl an Diabetes-Patienten

Fehlt etwas, liege es oft nicht an der Produktion, sondern an der Logistik, so der Apotheker. Also beispielsweise an der Frage: Wann trifft der nächste Lkw mit Waren ein? Dazu komme: Niemand kann vorhersehen, wie eine Erkrankung verläuft oder wann die Therapie geändert wird, verdeutlicht Mathias Arnold: „Braucht man die alten Medikamente nicht mehr, wirft man sie weg oder sie verfallen. Gerade Insulin hat eine sehr begrenzte Haltbarkeit.“. Engpässe könnten in Deutschland von Industrie, Großhandel und Apotheken recht gut abgefangen werden, so der Vizepräsident.

Besorgt reagieren Ärzte und Apotheker allerdings beim Blick in die Zukunft. Denn weil die Zahl der an Diabetes 1 und 2 erkrankten Deutschen ständig wächst – gegenwärtig sind das mehr als acht Millionen – droht ein gefährlicher Mangel an Insulin. Der Grund dafür: die Pharma-Unternehmen könnten vielleicht mit der Produktion des Medikaments nicht nachkommen.