Die SPD, die Awo und die Wahrhaftigkeit
Schwerin / Lesedauer: 2 min

Andreas Becker
Dass Politiker auch nur Menschen sind und im Interesse ihrer Karriere ab und an unter Erinnerungsverlust leiden und die eigene Wahrnehmung flexibel dehnen, haben aktuell Ex-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne) bewiesen.
Auch die Warener Landtagsabgeordnete Nadine Julitz aus Waren an der Müritz hat jüngst Erfahrung in dieser Disziplin gesammelt. Vergangene Woche stürmte die SPD-Politikerin vehement ans Rednerpult des Landtages, um eine persönliche Erklärung abzugeben – als Erwiderung auf eine Aussage des AfD-Abgeordneten Thomas de Jesus Fernandes. Der hatte in der Debatte zum Wohlfahrtsgesetz kritisiert, dass Nadine Julitz im Handbuch des Landtags (dort gibt es persönliche und berufliche Angaben zu jedem Abgeordneten, d. Red.) ihre Vorstandstätigkeit im Awo-Kreisverband Müritz unterschlagen habe. Also jenem Verband, in dem die Awo-Affäre ihren Anfang nahm und dessen Ex-Manager jetzt zu Gefängnis- und Bewährungsstrafen verurteilt wurden. Verbindungen mit der skandalumwitterten Arbeiterwohlfahrt seien manchem SPD-Politiker wohl unangenehm und man schaue verschämt nach unten, so der AfD-Mann.
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Im Handbuch 2017 fehlt die Angabe
Julitz wies in ihrer persönlichen Erklärung die „falschen Anschuldigungen“ zurück, sprach von „Lügen und Unterstellungen“. Sie habe noch nie ihre Awo-Vorstandstätigkeit verschwiegen, weder in der aktuellen noch in vorherigen Ausgaben des Handbuchs.
Ein Blick in die Handbücher der vergangenen Jahre hilft bei der Wahrheitssuche. Und siehe da: Im Handbuch April 2017 (Redaktionsschluss 30. März 2017) von Nadine Julitz kein Wort zu ihrem im November 2016 begonnenen Awo-Job. Erst in der Ausgabe des Jahrbuchs von Januar 2018 gab die SPD-Frau ihr ehrenamtliches Engagement bei der Awo an.
Politische Pikanterie am Rande: Julitz und Fernandes kämpfen an der Müritz im selben Wahlkreis um das Direktmandat für den Landtag.