Diskussion um Weltraumbahnhof Rostock-Laage entbrannt
Rostock / Lesedauer: 4 min

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat wohlwollend auf den Wunsch der deutschen Industrie zur Errichtung eines deutschen Weltraumbahnhofs reagiert. „Raumfahrt begeistert viele Menschen und sichert tausende Arbeitsplätze in Deutschland. In der Satellitentechnik sind wir führend. Deshalb werde ich den Vorschlag des BDI für einen Weltraumbahnhof gerne prüfen”, sagte der CDU-Politiker der „Bild”.
Das hört man in Mecklenburg-Vorpommern sicherlich sehr gerne. Denn die Landesregierung will prüfen lassen, ob vom Flughafen Rostock-Laage aus bald auch Raketen, Raumgleiter und Satelliten starten können. Das bestätigte das Schweriner Verkehrsministerium dem Nordkurier bereits im April diesen Jahres.
Flughafen Rostock-Laage im Gespräch
Das Ministerium hatte daher eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um die Entwicklungsmöglichkeiten eines „Spaceports” zu untersuchen. Mit Ergebnisse der Studie sei im kommenden Jahr zu rechnen. „Abseits des traditionellen Raumfahrtsektors entwickelt sich ein Markt für Satelliten- und Raketentechnik, insbesondere innovative Trägersysteme mit Konstellationen auf Kleinsatellitenbasis (NewSpace)", teilte eine Sprecherin von Minister Christian Pegel (SPD) mit. Für deren Transport in den Weltraum seien flexibel und individuell verfügbare Start- und Landemöglichkeiten erforderlich. „Der Flughafen Rostock-Laage könnte für dieses Geschäftsfeld ein Standort sein.”
Landrat Sebastien Constien (SPD) sah dabei auch einen geografischen Vorteil: „Mit dem naheliegenden Luftraum über der Ostsee stünde ein Gebiet zur Verfügung, über dem für die Bevölkerung weitgehend störungsfrei erprobt werden könnte”, so Constien.
Ganz alleine geht der Flughafen Rostock Laage aber wohl nicht ins Rennen. Denn laut dem Portal airliners.com wird nämlich auch Flughafen Nordholz in Niedersachsen als möglicher Standort für einen Weltraumbahnhof genannt.
Kritik am Standort in Deutschland und MV
Der ehemalige Astronaut Thomas Reiter bezweifelt nun jedoch, dass ein deutscher Weltraumbahnhof sinnvoll wäre. „Es gibt in vielen europäischen Ländern bereits solche Initiativen”, sagte Reiter im „SWR Aktuell Radio” in dieser Woche. „Wenn man sich die Landkarte anschaut, dann sieht man, dass Portugal von den Azoren her hervorragende Bedingungen hätte.” Auch England könne er sich als Standort vorstellen. Von Deutschland aus sei das schon schwieriger, sagte Reiter, der bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) arbeitet.
Der FDP-Generalsekretär in Mecklenburg-Vorpommern, David Wulff, teilt diese Bedenken. MV sei als nördliches Bundesland leider geographisch benachteiligt: „Je weiter ein Startplatz in nördlicher oder südlicher Richtung vom Äquator entfernt ist, umso weniger Orbits sind mit einem wirtschaftlich sinnvollen Energieaufwand erreichbar. Aus diesem Grund startet die ESA in aller Regel auch vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana in Südamerika, das zwar fast 6000 Kilometer von der europäischen Küste aber nur 500 Kilometer vom Äquator entfernt liegt“, sagte Wulff am Mittwoch. Da Laage jedoch fast 6000 Kilometer vom Äquator entfernt sei, fasst Wulf zusammen: „Bei aller Liebe für die Stadt Laage, ihre Einwohner und ihren hervorragenden Bürgermeister: Der ideale Ort für einen Weltraumbahnhof sieht anders aus.“
Standort für Forschung und Entwicklung
Der FDP-Generalsekretär und der ehemalige Astronaut machen trotz ihrer Einwände gegen einen Weltraumbahnhof in Deutschland bzw. MV aber deutlich, dass sie prinzipiell dafür sind, die Weltraumforschung voranzutreiben. „Als Standort für Forschung und Entwicklung ist Laage nämlich tatsächlich bestens geeignet“, sagte Wulff. Thomas Reiter sprach sich dafür aus, Unternehmen zu fördern, die kleine Satelliten herstellen, „auch wenn sie nicht aus Deutschland starten”.
Das deutsche Wirtschaftsministerium will Anfang 2020 Eckpunkte für ein Weltraumgesetz vorlegen, um Investitionen und Innovationen am Standort Deutschland zu fördern, wie eine Sprecherin am Montag ankündigte. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte den Wunsch nach einem eigenen Weltraumbahnhof in Deutschland vorgetragen. Bei seinem „Weltraumkongress” forderte der BDI die Bundesregierung dazu auf, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.
Der Industrieverband macht sich auch für einen investitionsfreundlicheren Rechtsrahmen stark und eine internationale Regelung für den Weltraumbergbau. In einem Grundsatzpapier heißt es, dass bis zu einem Rohstoffabbau auf Asteroiden oder Planeten zwar noch einige Zeit vergehen werde: „Doch aufgrund rasanter technologischer Innovationen rückt die Förderung von Rohstoffen im Weltraum in den Bereich des Möglichen.”
Bedeutung der Raumfahrt im Alltag
Raumfahrt ist aus Sicht des BDI im Alltag so präsent und unabdingbar wie „Strom aus der Steckdose”. Satelliten seien unter anderem für Kommunikation und Navigation nötig. Nach BDI-Angaben liegt Deutschland bei den Raumfahrtinvestitionen im internationalen Vergleich aber lediglich auf Rang acht, der Anteil an der Wirtschaftsleistung beträgt demnach nur 0,05 Prozent.
Der Verband forderte die Bundesregierung auf, das nationale Programm für Raumfahrt und Innovation von 285 Millionen Euro auf das Niveau des französischen Weltraumbudgets von mehr als 700 Millionen Euro zu erhöhen. Das sei eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass deutsche Unternehmen an der zunehmenden Kommerzialisierung der Raumfahrt teilhaben könnten.