Erwin Sellering erklärt, wer die Idee zur Klimastiftung hatte
Schwerin / Lesedauer: 5 min

Herr Sellering, warum engagiert sich der mächtige russische Staatskonzern Gazprom, der über das Betreiberkonsortium Nord Stream 2 eine umstrittene Gaspipeline durch die Ostsee baut, mit 60 Millionen Euro für eine vergleichsweise kleine Klimaschutzstiftung in Mecklenburg-Vorpommern?
Der Bau von Nord Stream 2 ist natürlich auch ein Eingriff in die Natur. Und das ist auch den Verantwortlichen bei Gazprom und Nord Stream bewusst. Da wollen sie mit ihrem finanziellen Engagement wieder etwas gut machen. Im übrigen wurde vor zehn Jahren beim Bau von Nord Stream 1 mit der Naturstiftung Deutsche Ostsee ebenfalls eine Stiftung gegründet.
Wer hatte denn jetzt die Idee, auch für Nord Stream 2 eine Stiftung zu gründen? Kritiker des Milliardenprojekts und Skeptiker behaupten, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder habe mit seiner politischen Nähe zu Russlands Staatspräsident Wladimir Putin und seinen engen wirtschaftlichen Verbindungen zu Gazprom die Stiftung auf den Weg gebracht.
Nein, Gerhard Schröders Idee war das nicht. Schröder war bei der Stiftungsgründung an keinerlei Gesprächen beteiligt. Der Vorschlag, die Stiftung ins Leben zu rufen, kam direkt von Nord Stream 2.
Sind Sie jetzt mit Unterstützung der 60 Millionen Euro aus Russland Chef einer der reichsten Stiftungen in Deutschland?
Nein, sicherlich nicht. Bisher sind 20 Millionen Euro zugestiftet. Später soll es dann über einen Zeitraum von 20 Jahren je zwei Millionen Euro pro Jahr von Nord Stream geben. Und diese Gelder haben nichts mit dem wirtschaftlichen Nebenbetrieb zu tun, sondern kommen ausschließlich der Klimastiftung zu Gute.
Das heißt, die Klimaschutzstiftung in MV gönnt sich einen wirtschaftlichen Nebenbetrieb, der ausschließlich für die Finalisierung der Pipeline verantwortlich ist?
Das Land MV hat uns das als Aufgabe mitgegeben. Wir sind alle überzeugt, wir werden noch viele Jahre Gas als Brückentechnologie brauchen, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Deshalb ist es wichtiger Bestandteil von Klimaschutz, dafür zu sorgen, dass wir genug Gas haben und vor allem auch zu bezahlbaren Preisen für uns alle. Deshalb unterstützen wir den Bau der Pipeline.
Und das Konsortium Nord Stream hat auch gleich einen eigenen Geschäftsführer installiert?
Nord Stream hat ein großes Interesse am wirtschaftlichen Nebenbetrieb der Stiftung und will dort selbstverständlich auch mitreden, etwa bei der Bestellung des Geschäftsführers. Das ist doch sehr verständlich.
Wenn jetzt die Pipeline in wenigen Wochen fertig ist, zieht Nord Stream 2 dann seine Millionen wieder aus der Stiftungskasse zurück?
Nein, das Geld gibt es bedingungslos – auch wenn der Pipeline-Zweck erfüllt ist.
Ein weiterer Zweck der Stiftungsgründung war auch, heimische Unternehmer aus MV, die am Bau der Pipeline beteiligt waren, vor den angedrohten US-Sanktionen zu schützen. Nachdem der neue US-Präsident Biden angekündigt hat, die Sanktionen nicht in Kraft zu setzen, wäre ein weiterer Stiftungszweck erfüllt. Was bleibt dann noch an Arbeit für die Stiftung?
Dann können wir uns noch stärker auf unsere Hauptaufgabe konzentrieren: den Klimaschutz. Das ist eine Jahrhundertaufgabe. Das sehen wir jetzt auch beim Hochwasser in Teilen Westdeutschlands. Trotz unserer finanziellen Ausstattung können wir diese Jahrhundertaufgabe selbstverständlich nicht alleine stemmen. Es ist gut, dass die Parteien und die Politik den Klimaschutz jetzt auf der Agenda haben. Das entlastet uns.
Aber wo liegt genau der künftige Kern der Stiftung?
Unser Schwerpunkt liegt in der zivilgesellschaftlichen Arbeit. Konkret: Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung in Schulen und Kitas sowie Bürgerbeteiligung. Beispiel: Ein Bürgermeister in MV möchte, dass seine Stadt grüner wird. Dann stellen wir Expertise zur Verfügung und können einen konstruktiven Dialog mit der Bevölkerung moderieren und deren Engagement mit einbringen und organisieren.
Um bekannt zu werden, ziehen Sie in den nächsten Wochen mit der Veranstaltungsreihe „Klimatage MV“ durch Mecklenburg-Vorpommern. Zum Auftakt geht es am Donnerstag nach Torgelow mit dem Thema „Umstieg – was spricht für’s E-Auto?“ E-Mobilität und Vorpommern – das ist bisher nicht gerade eine logische Verbindung. Das Thema verortet man eher in der Politiker-Blase in Berlin-Mitte. Oder?
Aber gerade im ländlichen Raum, wo öffentliche Verkehrsmittel oft unzureichend zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage nach alternativer Mobilität. Gehören E-Autos dazu? Wie weit ist MV bei dem Thema, welche Stellschrauben müssen gedreht werden, damit E-Autos im Nordosten weiter Strecke machen können? Das sind drängende Fragen, die auf Antworten warten.
Wir haben dazu ab 17 Uhr im „Haus an der Schleuse“ in Torgelow eine öffentliche Podiumsdiskussion mit Fachleuten und einem Unternehmer, der auf E-Autos umgestellt hat. Gemeinsam geht es unter anderem um die Problematik der technischen Voraussetzungen – wie beispielsweise dem Aufladen an E-Stationen – und Fördermöglichkeiten für E-Autos.
Bei der offiziellen Vorstellung der Klimaschutzstiftung Anfang Mai haben Sie eine Aktion in Kitas angekündigt. Jede Kita, die sich am „Buddeln für Bäume“ beteiligt, soll 500 Euro erhalten. Wie ist bisher die Resonanz? Machen die Bürger mit?
Ich bin sowohl erstaunt als auch hoch erfreut. Von den 1000 Kitas in MV haben sich schon 250 an dem Projekt beteiligt. Es ist toll zu sehen, wenn sich schon der Nachwuchs für Klima und Umwelt interessiert und ein Bewusstsein für dieses Thema entwickelt. Wir müssen allen dabei deutlich machen, dass Klimaschutz nicht heißt, zu verzichten. Es geht vor allem um innovative technische Lösungen.
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