Ex-Awo-Managern droht Haftstrafe
Schwerin / Lesedauer: 4 min

Andreas Becker
Mit Spannung wird der wahrscheinlich vorletzte Tag im Prozess gegen zwei ehemalige Führungskräfte der Awo Müritz erwartet. Die Staatsanwaltschaft Schwerin wirft Ex-Awo-Müritz-Kreisgeschäftsführer Peter Olijnyk und dem Ex-Awo-Müritz-Vorsitzenden und Vize-Awo-Landeschef Götz-Peter Lohmann besonders schwere Untreue beziehungsweise Beihilfe zur Untreue vor. Der heute 72-jährige Olijnyk und der 78-jährige ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Lohmann sollen sich laut Anklage zwischen 2005 und 2016 gegenseitig überhöhte Einkommen zulasten der Awo verschafft haben. Die zwischen den beiden geschlossenen Verträge seien sittenwidrig und unter bewusster Umgehung der zuständigen Awo-Gremien geschlossen worden, so die Staatsanwaltschaft.
Teil der Anklage gegen Lohmann eingestellt
Der von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift berechnete Vermögensschaden, den Olijnyk und Lohmann angerichtet haben soll, beläuft sich auf 1,2 Millionen Euro. Diese Summe hat das Landgericht in seinem Eröffnungsbeschluss leicht korrigiert – ein wenig zu Gunsten der Angeklagten.
Nach Informationen des Nordkurier dürfte die Staatsanwaltschaft an den Grundzügen ihrer Anklage festhalten und auf Verurteilung plädieren. Was genau diese Verurteilung beinhaltet, wird im Plädoyer am Donnerstag konkretisiert. Laut Strafgesetzbuch kann Untreue mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe sanktioniert werden. In besonders schweren Fällen kann die Tat sogar mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden.
Awo versorgt SPD-Politiker
Nach Einschätzung von Prozessbeobachtern könnte Götz-Peter Lohmann eventuell glimpflicher davon kommen. Bei dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden wurde während des Prozesses ein kleinerer Teil der Anklage gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 50.000 Euro eingestellt. Dabei ging es um den Vorwurf, Lohmann sei als Vorstandschef parallel über fast zehn Jahre mit einem Monatssalär von über 5000 Euro in einer Servicegesellschaft der Awo, bei der ansonsten lediglich Reinigungskräfte beschäftigt waren, als Diplom-Psychologe angestellt und damit nach seiner Zeit als SPDF-Bundestagsabgeordneter bestens versorgt gewesen. Konkret im Raum stand die Frage, ob Lohmann in dieser Zeit überhaupt gearbeitet oder es sich lediglich um einen Scheinvertrag gehandelt habe, um den Ex-Abgeordneten finanziell abzusichern.
Wie das Zusammenspiel zwischen SPD und Awo funktionierte, hatte Olijnyk vor Jahresfrist als Zeuge vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags offenbart: „Lohmann haben wir nach dem Verlust seines SPD-Bundestagsmandats im Jahr 2005 bei uns untergebracht“, verriet der Ex-Awo-Geschäftsführer vor den verblüfften Politikern das Versorgungsprinzip.
„Blauäugig und in alter Genossentreue”
Die Verteidigung Lohmanns hatte im aktuellen Prozess vorgeschlagen, dass der Angeklagte 50 000 Euro zahlen würde, wenn der Vorwurf, dass es sich lediglich um einen Versorgungsposten ohne aktives Arbeiten gehandelt habe, fallen gelassen werden würde. Gericht und Staatsanwaltschaft hatten diesem Vorschlag zu. Die Summe wird aus dem von der Staatsanwaltschaft arretierten Vermögen Lohmanns entnommen – im Gegenzug fließt der Rest des Vermögens zurück an Lohmann.
Lohmanns Anwalt Alexander Prechtel, in den 90er Jahren Generalstaatsanwalt in Mecklenburg-Vorpommern, sieht seinen Mandanten nicht als Hauptschuldigen in der Awo-Affäre. Er habe die umstrittenen und äußerst gut dotierten Arbeitsverträge von Olijnyk eher blauäugig und in alter Genossentreue unterzeichnet. „Weil dies seine Vorgänger genau so gemacht hatten”, hält Prechtel dem Ex-Awo-Vorsitzenden zugute. Das Verhalten Lohmanns könnte sich haarscharf an der Grenze zwischen Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz bewegen, so Prechtel.
Olijnyks Anwalt hält am Freispruch fest
Laut Satzung des Awo-Kreisverbandes Müritz hat Lohmann allerdings nicht korrekt gehandelt. Der Vertrag mit dem jeweiligen Geschäftsführer muss vom geschäftsführenden Vorstand unterzeichnet werden. Konkret: Die jeweiligen Änderungsverträge, die mit Olijnyk in den Jahren 2004, 2005 und 2012 geschlossen worden waren, müssten somit die Unterschriften des seinerzeitigen Vorstandsvorsitzenden Götz-Peter Lohmann, dessen Stellvertreterin Ursula Müller und Schatzmeister Heiner Dittrich tragen. Tun sie aber nicht – lediglich Vorstandschef Lohmann unterzeichnete die lukrativen Verträge, die enorme Gehaltssteigerungen, Tantiemen und sonstige Vergünstigungen für den Geschäftsführer vorsahen.
Während sich die Verteidigung Lohmanns in Teilen durchaus selbstkritisch zeigt, will Olijnyks Anwalt Dieter Johannes Schadewald am geforderten Freispruch für seinen Mandanten festhalten. Schadewald hält das Gehalt und die Verträge Olijnyks für angemessen. Olijnyk hatte gegen Ende seiner 22-jährigen Geschäftsführertätigkeit bei der Awo Müritz ein Jahresgehalt von 150.000 Euro plus 30.000 Euro Tantiemen plus eine lebenslange Betriebsrente in Höhe von 2000 Euro kassiert.