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Fallschirme über Schwerin – Hunderte Springer landen vor Schloss

Schwerin / Lesedauer: 4 min

Am Freitag sind gleich mehrere Fallschirmspringer in Schwerin gelandet. Sonst springen sie eher abseits der Städte. Ein Springer war sogar über 500 km/h schnell!
Veröffentlicht:09.09.2022, 16:44
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„Eine coole Aussicht“, entfährt es der 18-jährigen Zoe Stoll kurz nach der Landung auf der „Schwimmenden Insel“ vor dem Schweriner Schloss. Etwa sechs Minuten war die junge Fallschirmspringerin aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr in der Luft. „Da hat man schon auch Zeit, die Welt von oben zu betrachten“, sagt sie. Dass sie zu lange auf die Seen und das Schloss geschaut haben könnte, sich ablenken ließ und so das Ziel um vier Zentimeter verfehlte, will sie nicht gelten lassen. Kurz vor der Landung sei die Aufmerksamkeit nur auf eines gerichtet: das Ziel von der Größe einer Zwei-Euro-Münze punktgenau zu treffen.

Aus 1000 Metern Höhe gesprungen

Das war kurz zuvor ihrem Trainer Wolfgang Lehner gelungen, der bei den vom Fallschirmsportclub Mecklenburg ausgetragenen Deutschen Meisterschaften aber außer Konkurrenz startete. Er war am Morgen bei leicht bewölktem Himmel als Erster in knapp 1000 Metern Höhe aus der Maschine gesprungen, um als sogenannter Windspringer die Bedingungen zu testen und mit seinem Flug den Wettkämpfern wichtige Anhaltspunkte zu liefern. „Ganz entspannt. Es ist kein Hexenwerk“, lautete sein Fazit.

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Nach Angaben des Deutschen Fallschirmsport-Verbandes hatten sich etwa 270 Teilnehmer aus ganz Deutschland zu den Meisterschaften in allen Disziplinen des Fallschirmsports angemeldet. Die Starts erfolgten jeweils vom Flugplatz in Neustadt-Glewe südöstlich von Schwerin. Dort fand seit Montag auch die Mehrzahl der Wettbewerbe statt.

Mehrfacher Weltmeister mit dabei

Nach dem Dauerregen am Vortag meint es der Wettergott am Freitagvormittag gut mit den Organisatoren. „Die Bedingungen sind Bombe“, bringt es Mitorganisator Axel Gotsche, der jahrelang in Schwerin lebte, auf den Punkt. „Wind aus Süd. Das passt. Da können die Springer mit dem Schloss im Rücken das Ziel ansteuern“, erklärt er. Der Ort für das Zielspringen sei bewusst gewählt worden, um Sportlern und Zuschauern ein besonderes Erlebnis zu bieten. „Sonst landen die Fallschirmspringer meist weitgehend unbeachtet auf abgelegenen Flugplätzen. Das ist hier schon anders“, betont Gotsche.

Das bestätigt auch der mehrfache Weltmeister Robin Griesheimer. „Wettbewerbe vor so einer Kulisse hat man nicht so oft“, sagt der Bundeswehrsoldat. Bei den Welttitelkämpfen 2021 in Katar hatte er sieben Goldmedaillen gewonnen. Eine solche Ausbeute hatte vor ihm noch kein deutscher Springer von einer WM mitgebracht.

Die seit 1974 im bayerischen Altenstadt angesiedelte und aktuell 13 Mitglieder zählende Sportfördergruppe vertritt Deutschland regelmäßig bei internationalen Wettkämpfen, so erst im August bei der WM in Ungarn, von der Griesheimer eine Silbermedaille im Stilspringen mitbrachte, einer von mehreren Disziplinen, die auch bei den nationalen Meisterschaften auf dem Programm standen.

518,6 km/h – Neuer deutscher Rekord?

Zu den spektakulärsten Disziplinen, wenngleich weniger publikumswirksamen als etwa Formations- oder Zielspringen, dürfte Speed-Skydiving gehören. Dabei rasen die Springer mit mehreren Hundert Kilometern je Stunde (km/h) auf die Erde zu. Wie Rainer Hoenle, langjähriger Präsident des Deutschen Fallschirmsport-Verbandes und heute noch als Schiedsrichter tätig, sagte, wurde bei den Meisterschaften in Neustadt-Glewe mit 518,6 km/h ein neuer deutscher Rekord aufgestellt. Da aber nur drei statt fünf Schiedsrichter anwesend gewesen seien, könne die Leistung international nicht anerkannt werden. Das Guinness-Buch der Rekorde weist seit Oktober 2021 genau 512,97 km/h als Höchstwert aus.

Nach Angaben Hoenles sind im Verband bundesweit etwa 10.000 Mitglieder organisiert. Etwa 2000 würden auch regelmäßig den Fallschirmsport ausüben und pro Jahr wenigstens 60 Sprünge machen. Um die Lizenz zu behalten, seien 12 Sprünge erforderlich. „Für die meisten steht der Spaß im Vordergrund“, sagt der 80-Jährige, der bis vor zwei Jahren noch selbst den Schirm auf den Rücken schnallte. Der Annahme, Fallschirmspringen sei besonders teuer, tritt er entgegen: „Regelmäßig in den Ski-Urlaub zu fahren, das kostet mehr“, meint Hoenle.

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