Nur mit Einladung
Flüchtlings-Diskussion in Greifswald – aber nicht für alle
Greifswald / Lesedauer: 4 min

Maximilian Tabaczynski
Überall wird die Flüchtlingskrise diskutiert – auch in Mecklenburg-Vorpommern. Vier Wochen nach Einführung der Grenzkontrollen meldet die Bundespolizei jetzt, dass dabei 11.029 unerlaubte Einreisen festgestellt wurden. Bei 4790 Personen konnte die Einreise verhindert oder der Aufenthalt beendet werden.

Veranstaltungen für alle nicht ausgeschlossen
Doch mit den Kontrollen ist das Thema Migration und Flüchtlinge noch nicht vom Tisch: weder in Vorpommern, noch in Greifswald. Dort hatte am Samstag die Hansestadt zum „Bürgerforum“ in die Erwin-Fischer-Schule geladen. Thema: „Herausforderungen bei der Zuwanderung Geflüchteter“. Was zunächst nach einer hitzigen Veranstaltung klang, wurde zu einem sachlichen Gespräch. Denn statt öffentlicher Großdiskussion durften hier nur Eingeladene sprechen.
Laut Greifswalds Oberbürgermeister, Stefan Fassbinder (Grüne), sei im Vorfeld des Forums lange überlegt worden, was geeignet sei. „Es gibt diese großen öffentlichen Veranstaltungen. Was wir da erlebt haben, auch in anderen Städten, da haben wir das Gefühl, das ist oft nicht das geeignete Format“, so der OB während des Bürgerforums. Er schloss große Diskussionsveranstaltungen zwar nicht prinzipiell aus, ergänzte allerdings: „Sowas gab es ja in Greifswald auch schon, aber da ist es oft so, dass einige wenige, sehr laute (...) oft alles bestimmen und andere sich vielleicht gar nicht trauen zu Wort zu kommen.“
600 Einladungen an Bürger verschickt
Im Vorfeld des Forums wurden laut Stadt „insgesamt 600 Bürgerinnen und Bürger durch die Einwohnermeldeabteilung per Zufall aus dem Einwohnermelderegister ausgewählt und angeschrieben.“ Insgesamt hätten sich dann 53 Greifswalder, darunter 22 Frauen und 31 Männer, angemeldet. Ziel sei es, „sich sachlich und konstruktiv auszutauschen“, so die Rathausverwaltung.
Zunächst wurden die rund 50 Bürger über die aktuelle Lage in Greifswald informiert. Ein Ausriss: Greifswalds Integrationsbeauftragte Anna Gatzke berichtete u.a. davon, dass unter den 58.529 Einwohnern in Greifswald 5685 Ausländer (9,7 Prozent) leben. Von diesen seien 2443 Flüchtlinge. Der Chef der Arbeitsagentur Greifswald, Andreas Wegner, stellte die Arbeitslosenzahlen vor. 2022 waren in Greifswald im Schnitt 357 Ausländer arbeitslos. In den vergangen sieben Jahren stieg die Anzahl der Ausländer mit sozialversicherungspflichtigen Jobs von 607 auf 1561. Skadi Schaepe vom Vermietungsservice der WVG sprach u.a. über den erhöhten Aufwand für die Wohnungsbaugesellschaft. Gründe: Sprachbarriere und vermehrte Aufklärungsarbeit aufgrund unterschiedlicher kultureller Hintergründe. So komme es schon mal vor, dass Menschen vor der Badewanne duschen, Feuer machen oder eine Großfamilie in eine kleine Wohnung ziehe.
Diese Ideen könnten das Integrationsproblem lösen
Dann ging es ans Eingemachte. An Gruppentischen diskutierten die Bürger, was sie bewegt. Als eine Herausforderung wurde gesehen, dass die Integrationspolitik der Regierung nicht bei den Bürgern ankäme. Auch die Themen Wohnraum, Sicherheit, Spracherwerb, Lehrpersonal beschäftigen die Greifswalder. Der respektvolle Umgang miteinander und das Aufeinandertreffen der Kulturen wurden genannt, wie auch „Bürokratiebarrieren“ und dass die derzeitige Situation zum Rechtsruck der Gesellschaft führe. Hinzu kommen fehlende Informationen.

Die Bürger stellten OB Fassbinder, der zum Schluss des Forums erst dazu kam, auch mögliche Lösungsansätze vor. So könnte die Universität Greifswald eine „Ressource“ sein. Für die Hilfe beim Spracherwerb könnten Studenten beispielsweise Punkte für das Studium sammeln. Die Einrichtung eines Sprachzentrums, die Schaffung von Wohnraum und einer Mietbörse wurden ebenso genannt. Der Schutz von Frauen in Gemeinschaftsunterkünften sollte wie der Austausch mit Partnerstädten verbessert werden. Auch Vereine und Bürgerinitiativen könnten stärker in den Heimen „netzwerken“. Stadtfeste sowie Betriebe zu motivieren, Migranten zu beschäftigen, könnten helfen. Es kam auch der Wunsch auf, dass die Stadt besser zu eigenen Planungsszenarien und „Mitmachangeboten“ für Flüchtlinge informiert.
Unterschiedliche Bewertungen des Forums
„Wir nehmen das alles mit“, versprach der Grünen-Politiker den Bürgern. Er betonte zugleich: „In manchen Bereichen können wir handeln, in anderes ist es schwieriger aus gesetzlichen und ähnlichen Gründen.“
Die Greifswalder gingen mit gemischten Gefühlen aus der Veranstaltung. Einige bewerteten gegenüber dem Nordkurier das Forum als „sehr gut“ und „erhellend“. Andere fanden es „zu abstrakt“ und sahen eine „Diskussion im luftleeren Raum“. Ein Teilnehmer sagte, dass er einem Irrtum erlegen sei. Er hätte gedacht, „dass die Stadt Projekte vorstellt und nach meiner Meinung fragt“. Ein Rentner betonte schließlich: „Ich fand es wie eine Blase. Es war nichts Konkretes dabei, wie man Migration meistern kann. Viel dummes Geschwätz, aber am Ende kommt nichts herum. Das größte Problem wurde nicht wahrgenommen. Integration hat eine Grenze.“
Die Stadt will die Bürger-Foren per Los fortsetzen. Für nächstes Jahr seien mindestens zwei weitere Veranstaltungen geplant. Schon im Juni hatte es ein Forum gegeben.