Müll
▶ Gelbe Tonnen erobern mit rumänischer Hilfe die Seenplatte
Seenplatte / Lesedauer: 5 min

Susanne Böhm
Ginovel und Violeta Croitoru sind ein eingespieltes Team. Er fährt im Schritttempo einen Lkw durch Rosenow, sie steht hinten auf der ausgeklappten Ladefläche und stellt Mülltonnen auf den Gehweg. Das rumänische Ehepaar ist eins von sieben Teams, die seit Dienstag insgesamt 70.000 Gelbe Tonnen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte verteilen.
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Rund 220 Tonnen schaffen die 30-Jährige und ihr 34-jähriger Ehemann am Tag. Sie gehören zu den besten unter den Leiharbeitern, die im Auftrag des Logistikunternehmens C-Trace S & L GmbH mit Sitz in Bielefeld Tonnen im Akkord verteilen. Seit Jahren kommen sie jeden Herbst zum Einsatz nach Deutschland. Bevor sie Montagnacht um 3 Uhr in der Seenplatte eintrafen, haben sie in Cuxhaven Biotonnen unters Volk gebracht. Drei bis vier Monate bleiben sie in Deutschland. Dann geht‘s wieder nach Hause, wo Ginovel als Lkw-Fahrer arbeitet und Violeta die beiden Kinder betreut. Bis dahin hütet die Oma die Kleinen.
Fast 100 Prozent Trefferquote bei Verteilung
„Wir arbeiten nur mit Rumänen. In Deutschland findet man gar nicht die Leute. Wenn man 14 Leute braucht aber morgens nur zehn da sind, weil der Rest keine Lust hat, funktioniert das nicht. Die Rumänen packen ganz anders an. Dort nehmen sich viele vier Monate im Jahr frei, kommen nach Deutschland und verdienen hier so viel wie in Rumänien in einem Jahr. Das sind ganz normale Leute – Lehrer, Polizisten“, erklärt Projektleiter Markus Sprentzel. Ginovel und Violeta Croitoru arbeiten zügig, aber entspannt und gut gelaunt. Die Arbeit scheint ihnen Spaß zu machen. Bevor sie die Tonnen abstellen, bauen sie die Räder an und kleben Etiketten drauf. Gearbeitet wird meistens von 7 bis 16 Uhr, danach ist Freizeit. Untergebracht sind sie in Ferienwohnungen.
Für den Abfallentsorger Remondis, in dessen Auftrag der Logistik-Betrieb die Tonnen ausliefert, ist die Angelegenheit ein kleines Abenteuer. Schließlich wird so was nicht oft gemacht. Logistiker Markus Sprentzel hingegen bleibt gelassen. Seit zehn Jahren leitet er solche Aktionen in ganz Deutschland. Planmäßig bis Ende Dezember wird jeder Haushalt in der Seenplatte seine neue Tonne haben, davon ist er überzeugt.
Gelbe Säcke gehen so leicht kaputt
„Unsere Trefferquote liegt bei 99,8 Prozent. Wenn von 100 Stück eins nicht funktioniert, kann man damit leben. Wir wissen, was die Leute können.“ Im Prinzip gebe es nur zwei Dinge, die schiefgehen können: „Objekt nicht gefunden oder Haus abgerissen. Ganz selten sind in unserem System noch Häuser registriert, die es schon gar nicht mehr gibt.“
Vor Rosenow haben Ginovel und Violeta Croitoru schon einige andere Dörfer abgearbeitet, darunter Mölln. Dort bewunderte Gundula Neise das schwarze Teil mit gelbem Deckel, das plötzlich vor ihrem Haus stand. „Ich hatte das gar nicht mitbekommen, mein Mann kümmert sich um so was“, sagt sie lachend. Sie freut sich über die unerwartete Neuerung. „Das macht vieles stressfreier. Die Gelben Säcke mussten wir immer extra aus Stavenhagen holen und ständig waren sie kaputt.“
Kommentar: Der Terz mit den Gelben Tonnen geht schon jetzt auf den Gelben Sack
Ihre Nachbarin Margitta Goßmann hat den neuen Abfallbehälter flugs in den Garten gezogen. 240 Liter fasst der Kavenzmann, hinter dem die zierliche Frau fast verschwindet. Ein Koloss, den die 68-Jährige wohl selten ganz füllen wird. Doch sie findet, es könne nicht schaden, etwas Puffer zu haben. „Manchmal fällt ja doch was Größeres an, Styropor oder diese Plastik-Blumentöpfe.“ Sie ist erleichtert, dass die Ära der Gelben Säcke ein Ende hat. „Die waren ja hauchdünn, sind schnell gerissen. Die Tonnen sind eine gute Idee.“ Bis auf ganz wenige Ausnahmen bekommen alle Haushalte die große Tonne, sagt Markus Sprentzel.
Nur gelbe Deckel – und das hat seinen Grund
„Man benötigt schon sehr gute Argumente, um die kleinere zu erhalten.“ Der Umstand, dass die Tonne nie voll sein wird, genüge nicht. Besser, die Tonne sei halb leer, als dass sie überquillt. Die meisten Einwohner der Seenplatte seien mit dieser Lösung sehr zufrieden. „Natürlich ist das ein Riesenpott, die Leute fremdeln erst mal. Aber nach spätestens drei Monaten sind die meisten froh, dass die Tonne so groß ist.“ Kostentechnisch sei die Investition zu vernachlässigen. Die Tonnen kosten 15 bis 20 Euro, egal wie groß sie sind.
Niemand müsse im Übrigen befürchten, dass er seine Tonne bezahlen muss, weder jetzt, noch irgendwann. Die Entsorgungskosten für Verpackungen bezahle der Verbraucher nämlich schon beim Einkauf, zusätzlich zu den Produktkosten. „In dem Moment, wo wir den Käse kaufen, bezahlen wir schon die Entsorgung der Verpackung. Auf diesem Prinzip funktioniert das Duale System Deutschland. Das wissen viele gar nicht.“
Bald sind Neustrelitz, Neubrandenburg und Malchin dran
Bisweilen werde er gefragt, warum die Tonnen nicht komplett gelb sind, sondern nur die Deckel. Auch hier seien Müllvermeidung und Nachhaltigkeit die Gründe. So sind die Tonnen vielseitig einsetzbar, erklärt Markus Spretzel. Es könne ja rein theoretisch sein, dass sich irgendetwas ändert, Gelbe Tonnen ab-, Braune Tonnen angeschafft werden. Dann müsse man die Tonnen nur reinigen und die Deckel austauschen und schon seien sie wieder verwendbar. „Eine komplett gelbe Tonne sieht zwar schön aus, bleibt aber immer eine gelbe Tonne.“
Die nächsten zehn Wochen sind die Tonnen-Verteiler täglich mit ihren Lastern in der Seenplatte unterwegs. Nach dem Raum Möllenhagen sind Neustrelitz, Neubrandenburg und Malchin dran. Welcher Ort exakt wann ansteht, sei unmöglich zu sagen, denn das könne sich sowieso täglich ändern. Die Einwohner der Seenplatte dürfen also gespannt sein, wann plötzlich vor ihrem Haus eine neue Tonne steht.
Für Fragen, Anmerkungen und Problemmeldungen hat Remondis ein E-Mail-Postfach eingerichtet. Das ist zu erreichen über [email protected] Wer keinen Internetzugang hat, kann die Hotline unter Tel. 0800 1223255 anrufen.