StartseiteRegionalMecklenburg-VorpommernHat MV-Regierung Schulen und Kitas zu schnell geschlossen?

Schon wieder alle zu Hause

Hat MV-Regierung Schulen und Kitas zu schnell geschlossen?

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Fluch oder Segen? Bei Kita- und Schulschließungen scheiden sich die Geister, entzünden sich hitzige Debatten. Aktuelle Infektionszahlen heizen die Diskussionen weiter an.
Veröffentlicht:20.04.2021, 05:58

Von:
  • Andreas Becker
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Ob im ländlich geprägten MV oder im Großstadt-Kessel Berlin – die Stunden, in denen viele Schüler gerade in den mittleren Jahrgängen ihre Schule in den vergangenen vier Monaten von innen gesehen haben, lassen sich an einer einzigen Hand abzählen. Und auch jüngere Klassen bewegen sich seit Mitte Dezember aus einem Mix aus Distanz-, Präsenz- und Wechselunterricht durch ihre abrupt ins Stolpern geratene Schullaufbahn.

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Dass Schulen vom Großteil der Politik – sei es aus Ideenlosigkeit oder mangels Lobby von Kindern und Jugendlichen – schnell geschlossen werden, müsse jetzt endlich ernster hinterfragt werden, fordert Torsten Koplin von der oppositionellen Linkspartei im Landtag. Als Argumentationshilfe präsentiert der Politiker aktuelle Daten.

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Konkret: Die Zahl der Neuansteckungen innerhalb der vergangenen sieben Tage, die vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lagus) in Schwerin täglich aufbereitet werden, lagen bei Krippenkindern im Alter von 0 bis 4 Jahren am Montag mit 106 genauso niedrig wie bei den über 80-Jährigen.

Opposition fordert weitere Richtwerte

Bei den 5- bis 14-Jährigen betrug die Zahl 269 und rangierte damit deutlich niedriger als bei den Altersgruppen der 15-34-Jährigen (546) und der 60- bis 79-Jährigen (465). Und das, obwohl gerade bei den Schulkindern in der vergangenen Woche verstärkt getestet wurde und dies auch die Zahl der entdeckten Infektionen ansteigen ließ.

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In der großen Gruppe der beruflichen Leistungsträger zwischen 35 und 59 Jahren bewegte sich die Zahl der Neuinfektionen mit 945 auf einem hohen Niveau. Allerdings handelt es sich um absolute Zahlen – und die Gruppe der 35- bis 59-Jährigen ist größer als die der Kita- und Schulkinder.

Trotzdem: Für Torsten Koplin wartet die Frage, „ob sich die Politik zu schnell zu Kita- und Schulschließungen verführen lässt, auf eine dringende Antwort“. Es gehe jetzt darum, den Bürgern widerspruchsfreie Beschlüsse zu präsentieren. „Aus dem Lagebericht des Lagus, einer nachgeordneten Behörde innerhalb der Landesregierung, lassen sich definitiv auch ganz andere Schlüsse als Kita- und Schulschließungen ziehen“, macht Koplin deutlich. Fakt sei, dass der Lagebericht der Landesregierung derzeit nicht ausreiche, um die Maßnahmen zu rechtfertigen, die sie verhänge.

Politiker fordert Prüfung der Werte

Der Linkspolitiker plädierte in dem Zusammenhang dafür, dass die Aufnahme der altersgruppenspezifischen, intensivmedizinischen Inzidenz (intensivmedizinische Neuaufnahmen innerhalb von sieben Tagen je 100.000 Einwohner) und der altersspezifische R-Wert (wie viele Menschen werden durch einen Infizierten angesteckt) geprüft werden müssten.

+++ Mehr zum Thema Kitas +++

Wie komplex das Thema Kita- und Schulschließungen ist, zeigten gestern auch zwei andere Meldungen. Demnach sind laut Lagus neun Kitas – das entspricht knapp einem Prozent der Kitas in MV – derzeit wegen Corona-Infektionen komplett geschlossen und können keine Notbetreuung anbieten. 56 der landesweit rund 1100 Kitas sind von einzelnen Corona-Fällen betroffen. Das sind rund 5 Prozent.

Kommentar von Sozialministerin Stefanie Drese (SPD): „Die aktuell in Deutschland vorherrschende Virusvariante B.1.1.7 geht mit einer erhöhten Übertragbarkeit einher, sodass wir aktuell bei Kindern eine starke Zunahme der Übertragungen sowohl im familiären Umfeld als auch in Schule und Kita beobachten.“