Klimaschutz-Stiftung

Hat Schwesig einen Kniff gegen Nord-Stream-2-Sanktionen?

Schwerin / Lesedauer: 6 min

Die US-Sanktionen gegen den Bau der Ostsee-Pipeline sorgten für einen Baustopp. Jetzt soll die Schweriner Staatskanzlei einen rechtlichen Kniff gefunden haben, der den Weiterbau ermöglichen könnte.
Veröffentlicht:02.12.2020, 06:16

Von:
  • Gerald Bahr
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Drei Dinge stehen fest: Am Wochenende werden die Bauarbeiten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 vorerst wieder aufgenommen, die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern steht hinter dem russisch-deutschen Projekt und die USA drohen weiterhin mit harten Sanktionen gegen beteiligte Unternehmen. Was nicht zu 100 Prozent fest steht: Wie soll die Erdgas-Pipeline nach dem Rückzug wichtiger Partnerfirmen fertiggestellt werden?

94 Prozent der 1200 Kilometer langen Pipeline liegen bereits auf dem Grund der Ostsee, doch seit gut einem Jahr ruhen die Bauarbeiten, nachdem die USA Sanktionen unter anderem gegen das Unternehmen All Seas Sanktionen angekündigt hatte, sollte es weiterhin die Rohre für Nord Stream 2 verlegen. Zuletzt zog sich das norwegische Unternehmen Det Norske Veritas – Germanischer Lloyd (DNV-GL) zurück.

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Das russische Spezialschiff „Akademik Tscherski” wurde im Hafen Sassnitz-Mukran zum Weiterbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 vorbereitet. „Wir sind der Ansicht, dass Aktivitäten von DNV-GL beim Risikomanagement für ausgerüstete Schiffe, die das Projekt Nord Stream 2 betreuen, unter US-Sanktionen fallen“, erklärte das Unternehmen.

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Klimaschutz-Stiftung als Rettung?

Einen rechtlichen Kniff, um beteiligte Unternehmen am Bau vor den US-Drohungen zu schützen, hat möglicherweise die Staatskanzlei in Schwerin gefunden. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge, unter anderem des NDR und der Ostseezeitung, soll eine „Stiftung Klimaschutz MV” die Ostsee-Pipeline vor dem Aus retten können.

Der Plan ist demnach, dass unter dem Dach dieser gemeinnützigen Stiftung Unternehmen weiter an der Fertigstellung von Nord Stream 2 arbeiten können, da sie im Sinne des Stiftungszweck agieren. Die Unterstützung von Forschung, Sicherung der Energieversorgung, Fort- und Weiterbildungen sowie Kooperationen werden in den Medienberichten genannt. Zudem könnten am Bau der Pipeline beteiligte Unternehmen so auch unter einen staatlichen Schutzschirm vor US-Sanktionen gestellt werden.

Staatskanzlei und Nord Stream 2 schweigen

Federführend beim Planen der Klimaschutz-Stiftung sei die Staatskanzlei. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte in der Vergangenheit regelmäßig, dass Deutschland Erdgas als Übergangstechnologie benötige, bis erneuerbare Energien weit genug ausgebaut sind. Nord Stream 2 sei daher eindeutig im deutschen und europäischen Interesse. Auf Nachfrage des Nordkurier am Dienstag wollte die Staatskanzlei hingegen keinen Kommentar zu den Medienberichten beziehungsweise einer geplanten Stiftung geben.

Auch Nord Stream 2 hielt sich dazu bislang bedeckt. Auf Nachfrage des Nordkurier wollte das Unternehmen die Berichte über eine Klimaschutz-Stiftung nicht kommentieren. Welches Schiff die Pipeline vom 5. bis 31 Dezember – für diesen Zeitraum sind die Arbeiten beim Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund angemeldet – durchführt, werde zu einem späteren Zeitpunkt präzisiert. Es sind noch etwa 120 Kilometer Pipeline in dänischen und etwas über 30 Kilometer in deutschen Gewässern zu verlegen.

Linke: EU braucht schärfere Instrumente gegen USA

Bei der Linksfraktion im Bundestag wird begrüßt, dass die Arbeiten an der russisch-deutschen Pipeline, die bei Lubmin anlandet, jetzt weitergehen sollen. Das zeige, dass sich die beteiligten Unternehmen nicht von den USA einschüchtern ließen, teilte der Linken-Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst mit.

„Allerdings wirken die US-Sanktionsdrohungen teilweise doch, wie man am Rückzug des Zertifizierers DNV GL sehen kann. Auch, dass es einer Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern bedarf, um die Fertigstellung eines nach deutschem und europäischem Recht legalen Projektes zu sichern, macht deutlich, dass die EU schärfere Instrumente benötigt, um sich effektiv gegen die Einmischung der USA in unsere Energiepolitik zu wehren“, kommentierte der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag die Medienberichte.

Sellering als Stiftungspräsident?

Stiftungspräsident soll den Berichten zufolge Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) werden. Er war 2018 Mitgründer des Vereins Deutsch-Russische Partnerschaft e.V. und ist dessen Vorsitzender. In einem Gastbeitrag für den Nordkurier schrieb er vor Kurzem, Deutschland dürfe sich „in der zunehmend aggressiver ausgetragenen Rivalität der drei großen Weltmächte USA, China und Russland nicht von einer dieser Weltmächte vereinnahmen und gegen eine andere in Stellung bringen lassen.” Eigene wirtschaftliche Interessen der USA und deren Drohungen, Nord Stream 2 zu stoppen, dürften kein Grund sein, die deutsche Energiepolitik danach auszurichten. „Ob Nord Stream 2 in deutschem Interesse liegt, entscheidet Deutschland”, schrieb Sellering.

Nord Stream 1 ist seit Jahren in Betrieb. Durch die parallel verlaufende Leitung Nord Stream 2 sollen künftig pro Jahr ebenfalls 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden. Etwa 9,5 Milliarden Euro kostet das Projekt, an dem als Investoren auch der französische Energieversorger Engie, die britisch-niederländische Firma Royal Dutch Shell, die österreichische OMV und die deutschen Unternehmen Uniper (eine E.on-Abspaltung) und Wintershall beteiligt sind.

Die USA laufen aber seit Jahren Sturm dagegen, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas sehen. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Die polnische Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde UOKiK verlangt in einer im Oktober dieses Jahres verhängten Strafe von dem russischen Konzern Gazprom 6,45 Milliarden Euro und von den finanziell am Bau von Nord Stream 2 beteiligten Unternehmen 52 Millionen Euro.

Pipeline-Konkurrenz im Hafen Sassnitz-Mukran

Die USA haben ein Interesse daran, selbst ihr Flüssiggas nach Europa zu verkaufen, darüber besteht bei Republikanern und Demokraten Einigkeit. Die von Präsident Donald Trump verabschiedeten Sanktionen gegen Nord Stream 2 werden daher wohl auch unter seinem Nachfolger Joe Biden weitergeführt werden. Wenig Hoffnung also, dass beispielsweise die Sanktionen gegen den Fährhafen Sassnitz-Mukran und den Sassnitzer Bürgermeister Frank Kracht aufgehoben werden. Denn auch dort drohen die USA, da Verlegeschiffe im Hafen auf der Insel Rügen anlegten. Doch ebenfalls dort bahnt sich ein Konkurrent von Nord Stream 2 den Weg.

Im Hafen Sassnitz-Mukran werden Rohre für den Bau der polnischen Erdgasleitung Baltic Pipe umgeschlagen. Die Leitung soll Erdgas aus Norwegen über Dänemark und durch die Ostsee nach Polen bringen. Die Unternehmen nutzten mit dem Logistikzentrum Mukran die gleiche Infrastruktur wie zuvor Nord Stream 2. Der Bau der 275 Kilometer langen Pipeline soll in zwei Jahren beendet sein. Dann sollen jährlich rund zehn Milliarden Kubikmeter Gas von Norwegen über Dänemark nach Polen strömen.