Heftiger Streit um russisches Geld für deutsche Stiftungen
Schwerin / Lesedauer: 4 min

Andreas Becker
Kein Geringerer als Patrick Dahlemann, Chef der Staatskanzlei und enger Vertrauter von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, hatte den Startschuss gegeben. „Als Putin die Ukraine angegriffen hat, haben wir als Landesregierung unverzüglich gehandelt. Wir haben die Stiftung für Klima und Umweltschutz gebeten, ihre Arbeit einzustellen, den Russlandtag abgesagt und alle Aktivitäten gestoppt. Dazu zählt auch die Mitarbeit in den Gremien der Umweltverbände zu Nord Stream 1“, verkündete Dahlemann am Mittwoch.
Heißt konkret: Jürgen Buchwald, Staatssekretär im MV-Klimaschutzministerium, und MV-Innenminister Christian Pegel (beide SPD) lassen ihre Aufgaben und Posten im Vorstand und Kuratorium der Ostseestiftung ruhen.
Mit dieser Maßnahme hat Dahlemann eine brisante Diskussion entzündet. Denn ebenso wie die umstrittene Klimaschutzstiftung bei Nord Stream 2 wurde auch die Ostseestiftung im Zuge des Baus von Nord Stream 1 im Jahr 2011 gegründet und mit Millionen aus der Gazprom-Kasse ausgestattet.
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CDU und FDP stellen Ostseestiftung infrage
Auch die oppositionelle CDU kann dem Vorpreschen Dahlemanns etwas abgewinnen. „Dass die Landesregierung ihre Mitglieder in Vorstand und Aufsichtsrat abzieht, ist konsequent. Ich sehe allerdings schon einen Unterschied zwischen der Ostseestiftung und der so genannten Klimaschutzstiftung. Allerdings gibt es eben auch Ähnlichkeiten – beide Stiftungen haben ihr Stiftungskapital letztlich vom russischen Staat erhalten“, betonte Franz-Robert Liskow, Fraktionschef der CDU im MV-Landtag, auf Anfrage. Er gehe davon aus, dass sich Vorstand und Kuratorium demnächst eine gemeinsame Meinung bildeten, ob sie die Arbeit der Stiftung durch den Krieg Russlands gegen dieUkraine berührt sähen.
Die Liberalen zeigen sich ebenfalls offen, über die Zukunft der Ostseestiftung grundsätzlich nachzudenken. „Es gibt zahlreiche Studien, die belegen, dass wir unabhängig sein können von russischem Öl und Gas, und somit wird auch Nord Stream 1 perspektivisch nicht mehr gebraucht, jedenfalls nicht, solange in Russland diese fehlgeleitete, skrupellose und mörderische Clique um Putin die Hand am Hebel hat. Mit Verzicht auf Gas aus Nord Stream 1 wird auch die Stiftung infrage stehen“, so FDP-Fraktionschef René Domke.
Haben sich Bund und WWF von russischem Geld kaufen lassen?
Unausgesprochen schwebt die Frage im politischen Raum, ob sich die Umweltverbände Bund und WWF, sie sitzen heute im Vorstand der Ostseestiftung, vor gut zehn Jahren mit russischem Geld haben kaufen lassen? Zur Erinnerung: Die Umweltverbände hatten durch die Röhren von Nord Stream 1 auf dem Boden der Ostsee massive Eingriffe in die Natur befürchtetet und seinerzeit vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald auf einen Baustopp geklagt. Doch dann verzichteten die Verbände auf die Klage, stattdessen wurde 2011 die Gründung der Naturschutzstiftung Deutsche Ostsee (kurz Ostseestiftung) bekannt gegeben. Zum Start gab es russische Millionen als Stiftungskapital. Zweck der Stiftung war „der Schutz des sensiblen Ökosystems Ostsee“.
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Umweltverbände weisen Vorwürfe zurück
Corinna Cwielag, Landesgeschäftsführerin des Bund in MV, weist die Unterstellung, die Umweltverbände seien mit Geld ruhig gestellt worden, ebenso zurück wie die Forderungen nach Auflösung der Ostseestiftung. „Es besteht kein Anlass für eine Auflösung. Die Nord Stream AG hat die Ostseestiftung nicht freiwillig eingerichtet. Stattdessen haben die Umweltverbände WWF und Bund dem Unternehmen die Stiftungen durch eine Klage abgetrotzt, um die Umweltschäden durch den Pipelinebau auszugleichen.“
Das unterscheide sie fundamental von der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV, die vom Land MV mit Gazprom-Geldern zur Fertigstellung der Nord-Stream-2-Pipeline errichtet worden sei und mit der weder die Ostseestiftung noch die Umweltverbände kooperiert hätten oder kooperieren würden, so die Bund-Geschäftsführerin.
Dass die Ostseestiftung aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs sowie der damit verbundenen Sanktionen sensibilisiert und wachsam ist, macht deren Geschäftsführer Georg Nikelski deutlich. Man prüfe Konsequenzen für die Stiftungsarbeit und habe auch Verständnis dafür, dass dies die in der Stiftung mitwirkenden Organisationen wie das Land MV momentan täten.
„Stiftung kann nach Angriff auf Ukraine nicht fortbestehen“
Derweil kündigte der Chef der Staatskanzlei ein Gespräch zwischen der Landesregierung, den Landtagsfraktionen und dem Vorstand der Klimaschutzstiftung an. Diese Organisation war als juristischer Kniff imJanuar 2021 gegründet worden, um die drohenden US-Sanktionen gegen die damals im Bau befindliche Pipeline Nord Stream 2 zu umgehen. Beteiligte Firmen konnten unter den Schutzschirm der Stiftung schlüpfen, um nicht sanktioniert zu werden.
„Für die Landesregierung ist klar, dass ein Weg gefunden werden muss, um die Stiftung rechtskonform aufzulösen. Auch der Landtag hat diese Position eingenommen. Die Stiftung kann nach dem Angriff auf die Ukraine nicht fortbestehen“, stellte Dahlemann unmissverständlich fest.