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▶ Hunderte Einsätze wegen Orkantief Zeynep in MV
Neubrandenburg / Lesedauer: 11 min

Der Sturm „Zeynep” ist in der Nacht zum Samstag über Mecklenburg-Vorpommern gezogen und hat für hunderte Einsätze von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten gesorgt. Mittlerweile hat der Deutsche Wetter seine Orkanwarnung für das gesamte Bundesgebiet aufgehoben. Im Gebiet Neubrandenburg gab es für die Einsatzkräfte immer mehr Einsätze. Das Polizeipräsidium Neubrandenburg verzeichnete bis 9 Uhr im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte 59 witterungsbedingte Polizei-Einsätze, meist wegen umgestürzter Bäume. Betroffen waren sechs Pkw und ein Lkw mit einem geschätzten Sachschaden von 77.000 Euro.
Auf der Bundesstraße 198 bei Stuer wurden zwei Autos beschädigt, als die von einem Baum getroffen wurden. Auf der Autobahn 20 wurde ein Lastwagen durch den starken Wind in die Leitplanke gedrückt. In Waren (Müritz) drohte ein Boot der Weißen Flotte, sich loszureißen. Es konnte aber wieder sicher befestigt werden. In Blumenholz sowie bei Galenbeck wurden Hochspannungsleitungen durch umstürzende Bäume beschädigt.
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Große Mengen Sandstrand weggespült
Am Neubrandenburger Tollensesee wurden bei dem Orkan am Strandbad Augustabad wieder große Mengen vom Sandstrand fortgespült. Wo sich im Sommer gerne Badegäste tummeln, hatten die Wellen für eine "kleine Steilküste" mit einem Abbruch am Sandstrand gesorgt. Dabei waren gerade erst die Schäden beseitigt worden, die Sturmtief „Ylenia“ hinterlassen hatte. Infolge des Sturms mit Windgeschwindigkeiten von über 100 Kilometern pro Stunde und starken Regenfällen sind auch die Wasserstände im See sowie an den Flüssen und Bächen in der Stadt deutlich angestiegen. Auch für die Datze in Friedland wurde ein hoher Pegelstand von 52 Zentimetern gemessen.
Im VIdeo sehen Sie, wie sich Orkantief Zeynep an der Müritz austobt.
Drei Verletzte auf der B109
Zwischen Wolgast und Lühmannsdorf auf der B111 stürzte Freitagnacht ein großer Baum auf die Fahrbahn. In der Folge kam es zu einem Unfall mit insgesamt drei Autos. Die B 111 war längere Zeit voll gesperrt. Der Baum wurde durch die Feuerwehr zerschnitten und von der Fahrbahn geräumt. Nur einer von hunderten Einsätzen im gesamten Land. Insgesamt gab es allein im Kreis Vorpommern-Greifswald bis Stand ca. 10 Uhr knapp 600 Feuerwehreinsätze. Schwerpunkt waren umgestürzte Bäume und herumfliegende Gegenstände, so Pressesprecher Achim Froitzheim. Auf der B 109 bei Ducherow wurde ein Pkw mit Pritschenanhänger von der Straße geweht. Der Anhänger löste sich vom Fahrzeug und blieb auf der Straße. Die beiden Insassen blieben laut Feuerwehr unverletzt. Die B109 musste im Bereich der Unfallstelle für die Zeit der Bergung gesperrt werden.
Die B199 musste am Samstagmorgen rund eine Stunde gesperrt werden, um Baumtrümmer beiseite zu schaffen.
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Baum stürzt auf historisches Wiekhaus
Der Leiter der Neubrandenburger Berufsfeuerwehr, Frank Bühring, sagte dem Nordkurier am Vormittag, "wir nähern uns der Zahl von 50 Einsätzen". Seit drei Uhr nachts sei die Feuerwehr mit allen Kräften im Einsatz. Wie in weiten Teilen des Landes hatte der starke Wind hier Bäume umgestürzt. Unter anderem am rückwärtigen Teil der Tierklinik. Die Pappel stürzte zum Glück nicht auf das Praxisgebäude, wo sich zu diesem Zeitpunkt der Notdienst aufhielt, wie ein Augenzeuge berichtete. Ein Baum stürzte auf das Wiekhaus Nr. 12 am ehemaligen Fangelturm. Große Beschädigungen blieben glücklicherweise aus.
Auf der B197 zwischen Friedland und Neubrandenburg (in Höhe Genzkow) war am Samstagmorgen ein Baum auf ein fahrendes Auto gekippt. Der Fahrer blieb unverletzt. Glück im Unglück, denn der Baum bohrte sich direkt durch die Frontscheibe des Pkw..
Für die Feuerwehren noch kein Ende in Sicht
Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren Loitz, Düvier, Tutow, Kruckow-Schmardow und Passow sind seit der Nacht zu Samstag jeweils bis zu acht Einsätze gefahren. In den meisten Fällen mussten entwurzelte Bäume von den Fahrbahnen geholt werden. Personen blieben bisher unverletzt. Doch die Gefahr ist noch nicht vorbei: „Wir sind natürlich weiter in Alarmbereitschaft. Die Warnung vor schweren Sturmböen gilt noch bis Sonnabend 14 Uhr“, sagte der stellvertretende Leiter der Loitzer Wehr Stephan Mielke.
Die Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Altentreptow waren seit Freitagabend 22 Uhr pausenlos gefordert. "Bislang wurden wir zu 14 Einsätzen gerufen, meist wegen umgestürzter Bäume, die Straßen blockiert haben. Ein Ende ist aktuell noch nicht in Sicht, es kommen immer wieder neue Meldungen rein", berichtete Wehrführer Sven Nehls am Samstagvormittag dem Nordkurier. Im Altentreptower Altstadtkern wurde in der Nacht durch die starken Sturmböen das Schleppdach von einem Gebäude teilweise abgedeckt und landete auf dem angrenzenden Gehweg. Zum Glück wurde dadurch niemand verletzt.
Auch alle 28 Kameradinnen und Kameraden der Treptower Wehr sind unversehrt von ihren bisherigen Einsätzen zurückgekehrt. "Wir möchten an dieser Stelle ein großes Dankeschön an den Landwirt Henning Schramm aus Buchar loswerden, der uns mit schwerer Technik beim Beräumen der Bäume unterstützt hat. Der Gastronom Jörg Heibel hatte sogar angeboten, uns mit Essen zu versorgen. Das sind schöne Gesten, die zeigen, wie sehr unser Ehrenamt von den Leuten geschätzt wird", so Wehrführer Nehls.
"Wir sind seit 3 Uhr morgens mit vier Einsatzfahrzeugen durchgängig unterwegs", sagte der stellvertretende Wehrleiter der Demminer Feuerwehr, Felix Schliwa gegenüber dem Nordkurier. Bislang mussten die Kameraden 15 Mal im Stadtgebiet und dem näheren Umland ausrücken, vor allem weil umgestürzte Bäume die Straßen versperrten. "Das sind zwar aktuell noch weniger Einsätze als beim Sturmtief "Nadia", dafür hat es aber deutlich mehr Bäume erwischt, allein zwischen Drönnewitz und Beestland waren es 30, die weggeräumt werden mussten. In den Wäldern sieht es zum Teil so aus, als wäre dort ein Panzer durchgefahren. Wir haben also jetzt noch einiges zu tun", berichtet Schliwa, der mit 24 weiteren Kameraden im Einsatz ist. Ein entwurzelter Baum war in den frühen Morgenstunden in Wotenick sogar auf ein Wohnhaus gekracht. „Es gab aber zum Glück keine Personenschäden", so der Vize-Feuerwehr-Chef.
Immer wieder Straßen versperrt
Im Laufe der Nacht mussten im Amtsbereich mehrere Straßen zeitweise in beiden Richtungen gesperrt werden, darunter die Landesstraßen zwischen Altentreptow und Burow sowie zwischen Pripsleben und Loickenzin. Auf der Autobahn 20 ging zwischen den Anschlussstellen Jarmen und Altentreptow über mehrere Stunden überhaupt nichts mehr, da ein umgestürzter LKW geborgen werden musste.
Im Video sehen Sie einen kleinen Teil des riesigen Ausmaßes dieses Sturms in Neubrandenburg und Altentreptow.
Die Feuerwehr Neustrelitz musste bis in die Morgenstunden unzählige umgestürzte Bäume in Neustrelitz und im Umland beseitigen. In der Glambecker Nebenstraße wurde durch den Sturm ein Dach abgedeckt. Laut der Feuerwehr kam niemand zu Schaden. Am späten Freitagabend, gegen 22 Uhr, krachte auf der L 25 in Höhe des Stadions in Neustrelitz ein Baum auf die Fahrbahn. Die B96 in Höhe Blumenholz wurde gegen 3 Uhr durch heruntergefallene Äste blockiert und musste beräumt werden. Weitere umgestürzte Bäume vermeldete die Polizei Neustrelitz im Bereich Groß Trebbow, Feldberg und zwischen Mirow und Schwarz. In Schönbeck bei Woldegk wurde ebenfalls ein Baum entwurzelt und fiel auf die L281. In der Jägerstraße in Woldegk löste sich ein Dachfirststein eines Hauses und beschädigte die Scheibe eines PKWs. Der Sachschaden wurde nicht ermittelt, teilt die Polizei aus Woldegk mit.
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Ausfälle bei Strom, Telefon und Abwasser
Das starke Unwetter führte von Freitag auf Samstag im Umland von Neubrandenburg zudem zu einer Reihe von Stromausfällen im Netz der E.ON edis und damit zu Unterbrechungen in der Wasser-, Abwasser-, Internet-, Telefonie- und Fernsehversorgung geführt, wie die Neubrandenburger Stadtwerke neu.sw mitteilten. Betroffen sei auch die Kleingartenanlage Steepenblick im Süden der Stadt, wo es zu Stromausfällen im Netz von neu.sw gekommen sei. Der Stördienst der Stadtwerke und die Feuerwehr seien im Einsatz, "um alle Ausfälle schnellstmöglich zu beheben". In vielen Altentreptower Ortsteilen und Amtsgemeinden im Treptower Tollensewinkel hatten etliche Haushalte am Samstagvormittag keinen Strom und auch kein Wasser, wie der Nordkurier über die Facebook-Gruppe "Altentreptow und Umgebung" erfuhr.
In Neustrelitz, Altstrelitz und Zierke kam es zwischen 4.09 und 4.35 Uhr ebenfalls zu einem Stromausfall. Der Blackout konnte behoben werden und die Versorgung ist gesichert. Die Ursache waren umgestürzte Bäume, die auf eine Hochspannungsleitung des Vorversorger gefallen waren. Insgesamt waren drei Freileitungen defekt. Kurz vor Mitternacht gab es kurze Einschnitte im Bereich Fürstensee. In Blankensee fiel der Storm ebenfalls gegen 4.30 Uhr aus. Der Ort konnte erst im Lauf des Vormittags wieder ans Netz gehen.
Nach Ausfällen beim Energieversorger Wemag Netz GmbH in Westmecklenburg, der Prignitz und im Amt Neuhaus ist auch das Telefonnetz der Telekom von den Störungen betroffen. Durch die Unterbrechung der Stromversorgung seien rund 135 Mobilfunkstationen in Mecklenburg-Vorpommern ausgefallen, sagte eine Telekom-Sprecherin am Samstagvormittag. Sowohl Mobilfunk- als auch Festnetzkunden seien betroffen. Nun müssten zunächst die Störungen beim Energieversorger beseitigt werden, erklärte die Sprecherin. Erst danach könnten Telekom-Mitarbeiter beurteilen, ob an den Mobilfunkstationen Schäden durch den Spannungsabfall entstanden seien und diese gegebenenfalls beheben.
Verwüstung auch an der Müritz und in der Mecklenburgischen Schweiz
Die Warener Feuerwehr blickt auf zehn Stunden Dauereinsatz zurück. In dieser Zeit hatte die Kameraden 15 Einsätze zu bewältigen, in denen sie immer wieder Bäume von den Straßen holen mussten, teilte Sprecherin Eileen Bensch mit. Die Bäume lagen unter anderem in Rügeband, der Westsiedlung, in Ecktannen, an der Feißneck, in Warenshof und dem Federower Weg auf der Fahrbahn oder auf Gebäuden.
Wegen der Vielzahl umgestürzter Bäume mussten in der Mecklenburgischen Schweiz mehrere Straßen stundenlang gesperrt werden. Dies betraf zum Beispiel die B 194 im Basepohler Wald oder die Landesstraßen zwischen Malchin und Neukalen und Malchin und Waren. Die Malchiner Feuerwehr ist mit ihrer Drehleiter unterwegs, um herabhängende Äste zu beseitigen. Diese Arbeiten könnten noch den ganzen Tag andauern. In Jördenstorf bei Teterow hatte der Sturm in der Nacht das Dach eines Mehrfamilienhauses beschädigt. Im Stadtgebiet von Malchin mussten mehrere Gehwege gesperrt werden, da sich auf einigen Hausdächern Dachziegel gelockert hatten.
Züge fallen weiterhin aus
Die Deutsche Bahn informiert, dass aufgrund der bestehenden Unwetterwarnung in M-V zum Schutz von Fahrgästen und Mitarbeitern keine Züge fahren. Der Betrieb soll in Abhängigkeit vom Wetter frühestens ab heute Mittag wieder aufgenommen werden. Es sei absehbar, dass einige Strecken länger nicht befahrbar sein werden. Eine Einrichtung von Schienenersatzverkehr sei derartigen witterungsbedingten Beeinträchtigungen nicht möglich, da auch der Straßenverkehr betroffen sei. Für Reisende wurde eine Kostenlose Telefonhotline 08000 99 66 33 eingerichtet.
Ein Autofahrer prallte mit seinem Wagen in Zurow im Landkreis Nordwestmecklenburg gegen einen auf die Straße gekippten Baum. Der 58 Jahre alte Mann wurde mit einer Gehirnerschütterung in ein Krankenhaus gebracht, wie die Polizei mitteilte.
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„Bisher weniger los als gedacht”
In einzelnen Regionen fiel der Strom aus. In Neustrelitz fielen gegen 4 Uhr Bäume auf eine Hochspannungsleitung. Drei Freileitungen waren defekt. Eine halbe Stunde später war der Strom nach Angaben des Versorgers aber wieder da. Auch in Fürstensee war der Strom ausgefallen.
In Stralsund und in Rostock zählte die Feuerwehr bis in die frühen Morgenstunden jeweils 80 Einsätze. „Es war bisher weniger los als gedacht”, sagte ein Sprecher der Feuerwehr in Rostock in der Nacht. Größere Einsätze seien ausgeblieben. Meist sei es um die Beseitigung von abgebrochenen Ästen und Teilen von Gebäuden gegangen.
Die Deutsche Bahn hatte den Fernverkehr in Norddeutschland im Laufe des Freitags eingestellt. Auch die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (Odeg) reagierte auf die Wetterlage und schränkte den Verkehr auf ihren Linien in Mecklenburg-Vorpommern vorübergehend ein oder unterbrach ihn. Die Fährreederei Scandlines hatte für Freitagnachmittag ein Aussetzen der Fahrten zwischen Rostock und dem dänischen Gedser angekündigt. Sie sollen am Samstagvormittag wieder aufgenommen werden.
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Badewanneneffekt könnte für hohe Wasserstände sorgen
Der Sturm aus westlichen Richtungen trieb das Wasser der Ostsee von den Küsten weg, so dass es am Samstagmorgen niedrige Wasserstände geben sollte. Später, wenn der Wind nachgelassen hat und das Wasser zurückfließt, ist wegen des sogenannten Badewanneneffekts wieder mit höheren Wasserständen zu rechnen.
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