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MV-Landtag

Im Osten große Zweifel an der Meinungsfreiheit

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Darf man in Deutschland seine Meinung nicht mehr sagen? 43 Prozent der Menschen im Osten sehen das laut Umfrage so. Eine brisante Debatte, auch im MV-Landtag.
Veröffentlicht:06.10.2022, 14:22

Von:
  • Andreas Becker
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Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Existenzangst aufgrund explodierender Energiekosten – die bundesdeutsche Seele ist seit Jahren enormen Belastungen ausgesetzt. Es brodelt in der Gesellschaft – Ängste und Sorgen werden gerade in den ostdeutschen Ländern auf die Straße transportiert, münden im Protest. Doch die Regierung nehme diese Demonstrationen nicht ernst, versuche stattdessen die Menschen zu belehren und einschüchtern, so der Vorwurf der AfD-Fraktion in einer von ihr initiierten Aktuellen Stunde.

AfD: Proteste werden diffamiert

Gleichzeitig, so frühere Neubrandenburger Amtsgerichtsdirektor und heutige AfD-Landtagsabgeordnete Horst Förster, sei die Meinungsfreiheit nicht mehr gewährleistet, die Öffentlichkeit werde manipuliert, es sei immer schwerer, sich objektiv zu informieren. „Die friedlichen Proteste werden von der Landesregierung delegitimiert – Motto: Wird der Bürger unbequem, dann ist er rechtsextrem.” Die Proteste der Bürger seien laut Förster berechtigt, sie würden aber diffamiert. Deshalb hätten auch viele Menschen mittlerweile Angst, ihre Meinung zu sagen oder zu protestieren, weil sie befürchteten, Nachteile zu erleiden.

Schwere Vorwürfe, die Innenminister Christian Pegel vehement zurückwies. „Gibt es Wahrheit bei Meinung”?, fragte der SPD-Politiker. Die Landesregierung nehme die Sorgen der Bevölkerung sehr wohl ernst, stelle sich dem Protest bei Demonstrationen oder in Bürgerforen. Pegel betonte aber auch, dass die große Mehrheit in der Regel schweige und er sich dagegen wehre, wenn zehn Bürger, die zusammenständen, meinten, sie seien das Volk. An die Adresse der AfD gerichtet, verteilte der Innenminister anschließend eine verbale Breitseite: „Sie gießen mit ihrer Argumentation und dieser Aktuellen Stunde Wasser auf die Mühlen der Verfassungsfeinde.”

Nun, da wollte CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow nicht komplett mitgehen. „Ich kann meine Meinung sagen, auch wenn ich nicht immer sage, was ich denke.” Seit der scharfen Auseinandersetzung um die Corona-Regeln sei ihm aber schon klar geworden, dass der „Meinungskorridor in Deutschland enger geworden ist”. Die Angst, nach einer Meinungsäußerung gebrandmarkt zu werden, sei schon vorhanden. Daran hätten auch die Sozialen Medien ihren Anteil. Liskow machte klar, dass die Politik es schon aushalten müsse, wenn im Osten beispielsweise die Mehrheit der Menschen Russland nicht für den Aggressor im Ukraine-Krieg halten würde.

Die vorsichtig formulierten Bedenken Liskows hinsichtlich der Meinungsfreiheit wischte René Domke vom Tisch. „Diese Aktuelle Stunde hätte es nicht gebraucht. Wir sehen die Meinungsfreiheit in Deutschland nicht in Gefahr”, sagte der FDP-Fraktionschef und erntete Widerspruch von AfD-Politiker Enrico Schult. Der zitierte den Ostbeauftragten der Bundesregierung, Carsten Schneider, der erst in der vergangenen Woche berichtet hatte, dass 39 Prozent der Ostdeutschen „mit unserer Demokratie, so wie sie jetzt funktioniert, nicht einverstanden sind”.

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