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In der alten Heimat neue Wurzeln schlagen

Neubrandenburg / Lesedauer: 7 min

Der Heimkehrer-Tag findet in diesem Jahr in Neubrandenburg und Greifswald statt. Hier erzählt die Organisatorin, warum Menschen zurück in die Heimat kommen.
Veröffentlicht:14.04.2022, 17:00

Von:
  • Sirko Salka
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Sie veranstalten den jährlichen HeimkehrerTag, warum kommen Menschen wieder in die Heimat zurück?

Es gibt viele Gründe zurückzukommen: Junge Familien kehren heim, weil sie wollen, dass ihre Kinder in einer ebenso schönen Umgebung aufwachsen wie sie selbst. Wir hören, dass Heimkehrer nach ihren Studienjahren in einer Großstadt die Lebensqualität und andere Vorzüge im Ländlichen mehr schätzen. Andere pflegen ihre Eltern im Alter, manche treten ein Erbe an. Und natürlich kehren Menschen auch zurück, weil sie hier einen für sie passenden Job gefunden haben.

Mal naiv gefragt, warum brauchen wir diesen Zuzug?

Die demographische Entwicklung in der Region ist ohne Zuzug negativ, denn es sterben hier mehr Menschen als geboren werden. Allerdings: Im Jahr 2020 ist die IHK-Region für das östliche Mecklenburg-Vorpommern zum ersten Mal seit der Wende gewachsen. Der Zuzug war größer als der Sterbeüberschuss. Außerdem gehen in den kommenden Jahren geburtenstarke Jahrgänge in Rente. Angesichts dessen ist Zuzug wichtig, damit Unternehmen ausreichend Arbeitskräfte finden.

Mehr solcher Nachrichten gibt es im Heimweh-Newsletter:Wer fortgezogen ist, sollte das hier lesen

Wie schaut es in der Region aus?

Die Region hat sich gut entwickelt. Wir haben hier eine Reihe von Unternehmen, die weltweit agieren. Es hat sich hier den letzten Jahren mit der Bioökonomie ein innovatives Technologiefeld etabliert. Weitere regionale Schwerpunkte gibt es im Maschinen- und Analgenbau, in der Metallbearbeitung und in der Automobilzulieferindustrie. Verglichen mit den alten Bundesländern ist allerdings noch eine Lücke vorhanden. Was wir jetzt und in der Zukunft noch mehr brauchen sind starke industrielle Arbeitsplätze mit einer hohen Wertschöpfung, was sich dann auch positiv auf die Höhe der Löhne auswirken wird.

Wenn die Unternehmen dringend gute Leute brauchen, warum zahlen sie denen nicht mehr?

Das tun sie, denn die Löhne sind in der Region in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen, anderswo aber auch, denn auch dort herrscht Fachkräftemangel. Ein Teil des Ost-West-Gefälles wird ausgeglichen durch die geringeren Lebenshaltungskosten in unserer Region. Zum Beispiel sind die Mieten hier deutlich niedriger als zum Beispiel in Hamburg oder München.

Inwiefern spielt so was wie Heimatgefühle eine Rolle, zu den Wurzeln zurückzukehren?

Tja, davon höre ich immer wieder. Es ist für viele Menschen wichtig, nach den Jahren in der „Fremde“, wo sie studiert und beruflich aktiv gewesen sind, zurückzukehren – in den familiären oder auch den Freundeskreis. An Orte, mit denen sie viele positive Erinnerungen aus ihrer Kindheit und Jugend verknüpfen, wo sie auch alt werden möchten.

Mecklenburg-Vorpommern ist das deutsche Urlaubsland Nummer eins bei Kurzreisen. Muss doch ein Standortvorteil sein, oder nicht?

Die Region ist wunderschön, hat tolles Potenzial, großartige kreative Akteure … Aber darauf allein darf sich das Land nicht ausruhen! Die Standards im Bereich Tourismus wachsen, hier gilt es, ständig Schritt zu halten. Was vor allem weiterentwickelt werden muss, ist die bessere Erreichbarkeit der Region für die Touristen. Ich denke dabei an den dringend notwendigen Ausbau der B96, aber auch die Erreichbarkeit auf der Schiene, zum Beispiel aus Richtung Berlin oder Süddeutschland. Aber auch der ÖPNV im Land selbst muss ausgebaut werden. Das gilt für die Ost-West-Verbindungen, aber auch zum Beispiel von Neubrandenburg zur Insel Usedom oder auch nach Greifswald von der Vier-Tore-Stadt aus.

Wenn es nicht zwingend das Top-Gehalt ist, was bieten hiesige Unternehmen ihren Mitarbeitern – und potenziellen Heimkehrern – an?

Viele Unternehmen bemühen sich, um für ihre Mitarbeiter attraktiv zu bleiben. Ein Beispiel nur, das für viele andere in der Region steht: Die Klinik am Haussee in Feldberg bietet ihren Mitarbeitern die hauseigene Sportausstattung und Sauna zur freien Nutzung an. Flexibilität ist vielen Mitarbeitern wichtig, die Vereinbarkeit von Familie (auch Hobbys) und Beruf. Ich denke, heute geht es um eine stärkere Selbstbestimmtheit, als man früher gefordert hat. Kernarbeitszeiten werden kleiner, Gleitarbeitszeiten größer. Themen wie Aus- und Weiterbildung, die Eröffnung von beruflichen Perspektiven fallen ebenfalls darunter. Väter erhalten die Möglichkeit, sich um ihre Kinder zu kümmern. Aber auch Freiräume vom Arbeitgeber für die Pflege von Angehörigen werden immer wichtiger.

Welche Strategien verfolgen Sie noch, um Arbeitskräfte ins Land zu holen?

Die Unternehmen wissen, dass sie im Wettbewerb stehen und sich attraktiv aufstellen müssen. Als Unterstützung bieten wir in der IHK eine Webinar-Reihe zur Fachkräftegewinnung, -sicherung und -entwicklung an. Eine weitere Möglichkeit ist die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland. Das ist für manche Branchen wichtig, aber noch sehr mühsam. Das Land, aber natürlich auch die IHK bietet Unternehmen hierfür Unterstützung an, weil der Prozess wirklich sehr kompliziert ist.

Viele Menschen arbeiten derzeit im Homeoffice. Was spricht dagegen, dass Menschen aus anderen Regionen für hiesige Unternehmen arbeiten, ohne hier zu leben?

Es ist unwahrscheinlich, dass die Region ihr Fachkräfteproblem mit Menschen löst, die andernorts wohnen und für hiesige Unternehmen arbeiten. Zu beobachten ist eher Folgendes: Menschen ziehen in die Region und arbeiten hier im Homeoffice während der Arbeitgeber seinen Sitz in Berlin oder München hat. Mit der Zeit beginnen diese Menschen hier Wurzeln zu schlagen und suchen dann einen regionalen Arbeitgeber. Auch diese Personen sprechen wir mit dem Heimkehrer-Tag an.

Beim Heimkehrer-Tag präsentieren sich Unternehmen „zwischen den Jahren“ auf einer Jobmesse. Wer kam auf die Idee?

Die Sachsen haben das erfunden. Und weil sie damit erfolgreich waren, veranstalteten wir mit unseren Partnern 2018 den ersten HeimkehrerTag in Neubrandenburg. Damals hatten wir Schwierigkeiten, die Unternehmen an diesem Termin zusammenzubringen. Wir mussten uns um jeden einzelnen Teilnehmer bemühen. Als das Eis erstmal gebrochen war, meldeten sich Unternehmen in den Folgejahren von alleine an. Wie mir Unternehmen berichteten, ist diese Präsenzmesse für sie attraktiv, weil in der Regel wirklich interessierte Leute kommen, die gut vorbereitet sind und ihre Bewerbungsmappen gleich dabeihaben. Die Entscheider und Personaler sind vor Ort, und es werden dort Personalgespräche geführt. Und: Eine Reihe von Bewerbern sind mit einem neuen Job nach Hause gegangen.

Wie erfahren potenzielle Heimkehrer von der Veranstaltung?

Wir richten uns über die Medien an Eltern oder Großeltern, aber auch direkt an Weggezogene, etwa über den Heimweh-Newsletter des Nordkurier und über unsere IHK-Kanäle in den sozialen Netzwerken, was auch gut klappt.

Wie war bisher die Resonanz bei den Besuchern?

Wir haben unsere Besucher befragt, sie fanden die Messe immer sehr gut. Im ersten Jahr wurde noch bemängelt, dass zu wenig Branchen vertreten waren. 2021 wäre es uns gelungen, sehr unterschiedliche Bereiche abzudecken. Infolge von Corona mussten wir allerdings den Heimkehrer-Tag auf den 27. Dezember 2022 verschieben. Das HKB mitten in der City ist ein idealer Standort, weil dann auch Leute vorbeischauen, die Weihnachtsgeschenke umtauschen oder einen Shoppingbummel machen. Neu wird 2022, dass wir am gleichen Tag unseren 1. Heimkehrer-Tag in Greifswald veranstalten.

Wann ist der Heimkehrer-Tag für Sie als IHK – vielleicht auch für Sie persönlich ein voller Erfolg?

Der Erfolg misst sich an der Zufriedenheit der Unternehmen und der Besucher. Wir fragen zum Beispiel ab, wie viele Personalgespräche geführt wurden, wie viele Einstellungen daraufhin stattfanden. Unternehmen haben uns berichtet, dass bereits im Vorfeld des Heimkehrer-Tages Bewerbungen bei ihnen eingingen, weil sie auf unserer HeimkehrerTag-Webseite angekündigt wurden.

Übrigens, zusätzlich zur Präsenz der Unternehmen gibt es auf dem Heimkehrer-Tag zahlreiche begleitende Angebote von uns und unseren Partnern. Die Stadt Neubrandenburg informiert zum Beispiel über Schulen und Kitas, das Welcome Center unterstützt bei allen Fragen rund ums Ankommen und die Agentur für Arbeit kann oft bei der Jobsuche für den Partner weiterhelfen. Der Heimkehrer-Tag wird unterstützt vom Land Mecklenburg-Vorpommern und der EU (EFRE).

Alle Infos auf www.heimkehrertag.de