"Keine Tarnstiftung"
Innenminister Pegel verteidigt umstrittene Klima-Stiftung
Schwerin / Lesedauer: 7 min

Die MV-Landesregierung soll eine Tarnorganisation gegründet haben, damit der russische Staatskonzern Gazprom seine Ostseepipeline zu Ende bauen kann. Im Gespräch mit Nordkurier-Reportern Andreas Becker und Carsten Korfmacher erklärt Innenminister Christian Pegel (SPD) die Hintergründe der umstrittenen Stiftung.
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Herr Pegel, Sie haben uns um dieses Interview gebeten, was sehr ungewöhnlich ist, normalerweise läuft es anders herum und Journalisten bitten um ein Interview. Haben Sie die Befürchtung, dass Sie nun zum Bauernopfer der misslungenen Russland-Politik der Landesregierung gemacht werden sollen – und wollen nun in die Offensive gehen?
Nein, überhaupt nicht. Es sind verschiedene, berechtigte Fragen im Land aufgetaucht. Damit möchte ich so transparent wie möglich umgehen. Ich habe die Satzung der Klimastiftung MV maßgeblich geschrieben und bin daher sozusagen eine der primären Quellen.
Sie sind zwar einer der geistigen Väter der Klimastiftung – aber natürlich nicht der einzig Verantwortliche. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat aber gleich auf Sie verwiesen, als es um die Verantwortlichkeit für die Stiftung ging. Wurmt Sie das nicht?
Da ging es meines Erachtens um Detailfragen, und da war es völlig richtig, auf mich zu verweisen, da ich in der Errichtung der Stiftung am stärksten involviert war. Ich war derjenige, der die Details und die Satzung ausgearbeitet hat. Diese Stiftung wurde übrigens ohne Gegenstimmen im Landtag beschlossen.
Das mag sein, rückblickend war es aber ein historischer Fehler. Kann eine Landesregierung einen solchen Fehler ohne personelle Konsequenz überleben?
Wir hatten damals eine ganz andere Zeit als heute. Die US-Regierung unter Präsident Donald Trump wollte die Sanktionsspirale immer weiter drehen, mittelständische Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern waren durch diese Vorgänge bedroht. Natürlich ist es mit dem Wissen von heute anders zu bewerten und aus heutiger Perspektive würden wir das nicht erneut machen. Aber damals gab es auch in allen Bundestagsfraktionen eine breite Zustimmung dazu, dass sich Deutschland gegen die US-Sanktionspolitik wehren müsse. Gas galt als Brückentechnologie in die Versorgung durch erneuerbare Energien. Und außerdem waren wir überzeugt, dass Handeln und das Reden miteinander uns vor kriegerischen Auseinandersetzungen schützt. Damit waren wir keineswegs abgekoppelt von der Welt. Natürlich war uns allen klar, dass wir einen Spagat zwischen Vorsicht und Distanz auf der einen und Kooperation mit Russland auf der anderen Seite schaffen müssen.
Das eine ist, die Sanktionspolitik der USA kritisch zu sehen. Aber es ist eine grundsätzlich andere, eine Tarnorganisation zu gründen, um mögliche Sanktionen zu umgehen. Nun wird Ihnen vorgeworfen, sich damit zu Marionetten der Gas-Lobby gemacht zu haben.
Es war keine Tarnorganisation – dafür hätte ich die drei Vorstandsmitglieder nie gewinnen können, die besonderes Interesse am Hauptzweck Klimaschutz hatten. Wir hätten uns aber sicher sehr gefreut, wenn die Bundesregierung ihre Möglichkeiten genutzt hätte. Wir haben darum gebeten, das ist aber nicht gelungen. Also mussten wir selbst aktiv werden. Wir hatten ja hier im Land mittelständische Unternehmen, die direkt von möglichen US-Sanktionen betroffen gewesen wären. Dafür wollten wir einen Schutzschirm schaffen. Wir wollten nicht in einer Situation sein, in der irgendjemand durch unser Handeln überrascht wird. Deswegen haben wir alles offengelegt, einschließlich der Satzung der Stiftung. Das ist alles im Landtag ohne Gegenstimme beschlossen worden.
Besonders die CDU – ihr langjähriger Koalitionspartner – schießt nun aber gegen Sie. Wie bewerten Sie das?
Die CDU hat alle Beschlüsse mitgetragen. Deswegen blicke ich mit einer gewissen Verwunderung auf einige Beteiligte, die damals dabei waren, als ich alle Informationen offengelegt habe. Es überrascht mich, wie schnell da einige vergessen und heute nicht mehr dabei gewesen sein wollen.
Trotzdem müssen Sie nun einräumen, dass Wirtschaftslobbyisten eines feindlichen Staates exklusiven Zugang zu den ranghöchsten Vertretern der Landesregierung hatten, ihre Wünsche äußern konnten und Sie auf diese Wünsche eingegangen sind.
Es kamen als Energieminister regelmäßig Interessensvertreter auf mich zu, um mich von einer Idee zu überzeugen. Ich muss dann abwägen, was davon im Interesse des Landes ist. Und *wenn* es im Interesse des Landes ist, dann nehme ich mich dem an. Wir haben ja ein Interesse daran, dass Unternehmen hier investieren. Es sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe, ob ich zum Beispiel mit einem potenziellen Investor rede oder ob ich mich von ihm zum Werkzeug machen lasse. Wenn eine größere Ansiedlung stattfindet oder es große Genehmigungsverfahren gibt, dann müssen natürlich auch die Parteien involviert werden, die später für die Umsetzung verantwortlich sind. So war das auch mit der Klimastiftung: Ich musste die Parteien involvieren, die die Stiftung später mit Leben füllen. Ich habe auch den Eindruck, dass das in der Bevölkerung auch sehr differenziert wahrgenommen wird. Eine breite Mehrheit der Menschen hier hat unsere Bemühung zur Umgehung möglicher US-Sanktionen mitgetragen. Und auch heute wird das noch differenziert wahrgenommen, natürlich anders als vor zwei Jahren, aber differenziert. Und wir waren ja auch von Anfang an transparent mit dem gesamten Vorgehen.
Wenn man sich die Unterlagen und Dokumente zur Klimaschutzstiftung und Nord Stream 2 aus der Staatskanzlei durchsieht, dann wirkt das alles sehr hektisch und mit heißer Nadel gestrickt. Und es hätte Alarmzeichen gegeben: So zum Beispiel bei der Frage von Nord Stream, ob sie bei einem vertraulichen Hintergrundgespräch mit Journalisten abhören und mitschneiden dürfen.
Das haben wir selbstverständlich sofort abgelehnt.
Darüber wiederum lässt sich nichts in den Unterlagen finden.
Das ist meines Wissens telefonisch gemacht worden. Uns war wichtig, klar zu sagen, dass es mit uns so etwas nicht geben würde und das haben wir gemacht. Anfang 2021 musste es aber schnell gehen, weil neue US-Sanktionen in Kraft treten sollten.
Sie sagten mehrfach, dass alles in völliger Offenheit geschehen sei. Das passt nicht ganz damit zusammen, dass die Stiftung nun juristisch gegen ein Urteil vorgeht, dass sie dazu verpflichtet, Fragen der Öffentlichkeit zu beantworten.
Wir musste eine große Distanz zwischen dem Land und der Stiftung herstellen. Es durften zum Beispiel keine Landespolitiker im Vorstand der Stiftung sitzen, wie es bei vielen anderen Organisationen üblich ist. Die Stiftung sollte ja ein Schutzschirm für Unternehmen aus MV werden und wir wollten nicht, dass sich der amerikanische Sanktionszorn nun auf das Land umschlägt. Wir konnten nicht vorhersehen, wie die USA darauf reagieren. Deswegen wissen wir bestimmte Dinge einfach nicht, weil die Stiftung unabhängig arbeitet. Sie alleine können entscheiden, ob sie Informationen preisgeben oder nicht.
Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung ist ihr Parteigenosse Erwin Sellering. Nervt es Sie jetzt nicht, dass er sich so vehement dagegen sträubt, die Öffentlichkeit über die finanziellen Hintergründe der Stiftung zu informieren? Wo doch alles angeblich so transparent sein soll?
Wenn die Stiftung sich in der Auflösung befindet, dann tritt automatisch mehr Transparenz ein. Der Vorstand wird einigen Unternehmen auch eine gewisse Vertraulichkeit zugesagt haben. Aber ja, manches wäre leichter, wenn die Informationen einfach herausgegeben würden. Allerdings haben wir aus den genannten Gründen eine Stiftung mit großer Unabhängigkeit vom Land geschaffen.
Wie kommen Sie aus dem ganzen Schlamassel wieder heraus?
Wir müssen das beenden, was wir zuvor errichtet haben. Heißt: die Stiftung auflösen.
Das gestaltet sich schwierig. Sie waren so trickreich, die Stiftung zu errichten. Warum ist es so schwer, sie wieder aufzulösen?
Da gibt es juristische Gründe, das Stiftungsrecht denkt eher nicht in kurzen Abständen. Ich bin kein Stiftungsexperte, ich habe zwar viel Vertragsrecht gemacht, aber das war meine erste Stiftung. Deswegen haben wir eine Professorin für Stiftungsrecht gebeten, Wege zu beschreiben, wie die Stiftung beendet werden kann.