Ist die Polizei nachts zu schlecht aufgestellt?
Greifswald / Lesedauer: 3 min

Gabriel Kords
Das war schon ein denkwürdiger Einsatz, für den Polizisten aus ganz Vorpommern und sogar aus Mecklenburg in der Nacht zu Sonntag in Greifswald zusammengezogen wurden: Weil eine Party mit 200 bis 300 Teilnehmern angeblich aus dem Ruder lief und aufgelöst werden sollte, rückte die Polizei mit knapp zwei Dutzend Einsatzfahrzeugen an – doch bis die vor Ort waren, dauerte es mehrere Stunden. Am Ende wurde die Veranstaltung dann gar nicht aufgelöst.
Fragen bleiben dennoch: Zum einen, ob ein so großer Einsatz überhaupt gerechtfertigt war. Zum anderen, ob es wirklich mehrere Stunden dauern darf, bis ein paar Dutzend Polizisten in der fünftgrößten Stadt des Landes einsatzbereit sind.
Genau daran hat Marco Bialecki, Vorsitzender der örtlichen Kreisgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nach dem Wochenende so seine Zweifel: „Was da passiert ist, ist genau das Szenario, vor dem unsere Gewerkschaft schon lange gewarnt hat.“
Was passiert, wenn Beamte in Not sind?
Ein Einsatz zur Beseitigung einer Ruhestörung sei im Prinzip ja noch relativ harmlos: „Aber für uns stellt sich dann die Frage: Was passiert, wenn einmal unsere Kollegen unerwartet in Not geraten. Dauert es dann auch so lange, bis ausreichend Hilfe da ist?“ Schließlich hätten sich Vorfälle von Gewalt gegen Polizeibeamte zuletzt gehäuft.
Insgesamt zeichnet Marco Bialecki ein düsteres Bild von der Lage vor Ort: „Es ist ja nicht nur der jahrelange Personalabbau, der momentan Gott sei Dank gestoppt ist. Problematisch sind auch die Überalterung der Beamten und der hohe Krankenstand.“ Polizeischutz in der Fläche sei nun mal teuer, sagt Bialecki. Und formuliert: „Wenn in einem Ort nur noch halb so viele Menschen wohnen wie früher, kann man doch nicht sagen: Deswegen haben die auch nur noch Anspruch auf halb so viel Sicherheit.“
Der Vorfall ist zudem nicht der erste dieser Art. Immer wieder berichten Bürger nachts von äußerst langen Wartezeiten. Im Oktober 2009 gab es zudem in Greifswald einen Vorfall, bei dem es – anders als am Wochenende – auch um Gewalt ging: Eine Horde marodierender Linksextremer griff damals mit Pflastersteinen das Haus einer Studentenverbindung an, in dem sich rund 20 Personen aufhielten. Sie zerstörten etliche Fensterscheiben – und die Polizei musste mangels Personal tatenlos zusehen, wurde später sogar ebenfalls angegriffen.
Wer ordnete den Einsatz an?
In Greifswald forscht Michael Steiger, Mitveranstalter der angeblich ausgearteten Party, derweil weiter nach dem Verantwortlichen, der den aus seiner Sicht unverhältnismäßigen Polizeieinsatz angeordnet hat. Gefunden hat er ihn noch nicht. Er selbst wird demnächst aber wohl auch behördliche Post bekommen. Unter anderem, weil er freimütig eingeräumt hatte, die Veranstaltung mit 200 bis 300 Teilnehmern gar nicht erst angemeldet zu haben. Dass es sich tatsächlich um ein privates Sommerfest und keine öffentliche Party gehandelt hat, bezweifeln die Behörden allerdings.
Steiger hält dem entgegen: Die Frage, ob man die Veranstaltung habe anmelden müssen, habe überhaupt nichts mit der Ruhestörung zu tun. „Ich will wissen, wieso wegen ein bisschen Lärm Dutzende Polizeibeamte und zwei Polizeihunde vor unserem Haus aufgefahren wurden.“ Insgesamt mache das Verhalten der Polizei auf ihn „einen planlosen und chaotischen Eindruck“.