Krise in Schwerin
Ist Schwesigs Traum vom Kanzleramt ausgeträumt?
Schwerin/Berlin / Lesedauer: 3 min

Andreas Becker
Bis zum 24. Februar 2022 war alles ganz einfach: „Russland lieferte billiges Gas und alle waren glücklich“, formuliert Wolfgang Muno etwas salopp – aber mit ernstem Hintergrund. „Denn mit dem Einmarsch der Russen in die Ukraine war plötzlich alles anders – Manuela Schwesig musste in Sachen Klimaschutzstiftung und Nord Stream 2 eine 180–Grad–Wende vollziehen. Und an dieser Rolle rückwärts trägt sie heute politisch schwer“, sagt der Politikwissenschaftler von der Universität Rostock.
Allerdings nimmt Muno die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig auch durchaus in Schutz – schließlich sei sie nur die Spitze des Eisbergs der SPD–Russland–Connection und habe viel von ihrem Vorgänger Erwin Sellering politisch geerbt. „Gerhard Schröder, Sigmar Gabriel – das waren SPD-Größen, die lange Jahre sehr enge Bindungen zu Russland pflegten. Nicht zu vergessen: Frank-Walter Steinmeier, der in diesem Zusammenhang oftmals vergessen wird.“ Schließlich sei Steinmeier langjähriger Außenminister gewesen und sitzt jetzt relativ unbehelligt als Bundespräsident im Schloss Bellevue.
„Scholz tritt 2025 noch einmal an“
Aber auch die CDU habe die Russland–Politik mitgetragen – Muno nennt Ex–Kanzlerin Angela Merkel, Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Sachsens amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretzschmer. Zwar versuche sich jetzt die CDU an Schwesig politisch abzuarbeiten und sie als Sündenbock abzustempeln, doch letztendlich habe die CDU lange Zeit mit im selben Boot und federführend auch im Kanzleramt gesessen.
Ob dort Manuela Schwesig noch hin kommt? Immer wieder werden der SPD–Politikerin aus Mecklenburg–Vorpommern Ambitionen auf den Chefposten im Kanzleramt nachgesagt. „Ich glaube, dass diese Ambitionen zunächst ad acta gelegt sind. Ich denke eher, dass Olaf Scholz 2025 nochmals antritt. Vielleicht geht für Schwesig bei der übernächsten Wahl in sechs Jahren nochmals ein Zeitfenster auf“, meint Muno. Wobei, das habe die jüngeren Vergangenheit gezeigt: In der Politik könne alles rasend schnell gehen.
Welche Rolle spielt Erwin Sellering?
Das zeige auch die Personalie Heiko Geue. Galt der heutige Finanzminister über lange Zeit als enger Gefolgsmann Schwesigs und der SPD, so ist Geue jetzt an den politischen Abgrund gerutscht – eine verbrannte Steuer–Akte und die vermaledeite Debatte um die Grundsteuer haben Geues Stern sinken lassen. Mittlerweile gilt es im politischen Schwerin als nicht mehr ausgeschlossen, dass Schwesig – auch zu ihrem eigenen politischen Überleben – den Finanzminister opfern muss.
Zur SPD–Connection zählt auch Erwin Sellering – die Rolle des Stiftungschefs und ehemaligen Ministerpräsidenten bezeichnet Muno als „undurchsichtig“. Wie auch das Verhältnis zwischen Schwesig und ihrem ursprünglichen politischen Ziehvater Sellering. „Man weiß nicht, ob sich die beiden in der Causa Klimastiftung wirklich zerstritten haben oder es vielleicht doch noch gegenseitige Absprachen gibt“, sagt der Politikwissenschaftler.
Affären müssen ordentlich untersucht werden
Gerade deshalb sei es so wichtig im Sinne eines ordentlichen demokratischen Prozesses, dass endlich der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorgänge um die Klimastiftung effektiv arbeiten könne – und sich nicht nur mit geschwärzten Akten oder fehlenden Auskünften aus der Landesregierung herumschlagen müsse. „Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert der Opposition in unserem Parlamentarismus – deshalb muss jetzt unverzüglich die Aufklärung im Mittelpunkt stehen“, fordert Muno.
Fakt ist für den professionellen Beobachter der Polit–Szene, dass Schwesig wohl kaum auf Dauer mit der derzeitigen Taktik des Wegduckens durch diese Krise komme. Die ganzen Affären und Skandale hätten ein schlechtes Licht auf das Bundesland Mecklenburg–Vorpommern geworfen. „Da haben Teile der Opposition dann auch schon Recht, wenn sie die Vorgänge in MV in die Kategorie Bananenrepublik einordnen“, befürchtet Muno.