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Alkohol und Drogen

Lockdown ist Horrortrip für Kinder suchtkranker Eltern

Schwerin / Lesedauer: 3 min

Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brandbeschleuniger. Kinder aus Familien, bei denen Alkohol- und Drogen an der Tagesordnung sind, leiden noch mehr. Doch es lauert noch eine Gefahr.
Veröffentlicht:10.02.2022, 09:57

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Die Zahl ist alarmierend: In Mecklenburg-Vorpommern wachsen rund 3700 Kinder und Jugendliche mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf. Tendenz steigend – inklusive einer hohen Dunkelziffer. Die fatale Folge für die kleinen Jungen und Mädchen: „Kinder von suchtkranken Eltern haben ein sechsfach höheres Risiko, eine Abhängigkeit oder eine andere psychische Störung zu entwickeln”, warnt Birgit Grämke von der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen MV.

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Ein Teufelskreis, der durch die Corona-Pandemie in den vergangenen zwei Jahren nochmals deutlich verschärft worden ist. „Wir wissen aus den Sucht-Beratungsstellen im Land, dass es viele Rückfälle gegeben hat. Wer beispielsweise auf einem guten Weg war, der Abhängigkeit nach schwerem Kampf zu entkommen, ist durch die einschränkenden Corona-Regeln gegebenenfalls wieder in das alte Suchtverhalten zurückgefallen”, sagt Grämke. Der Stopp der Sozialkontakte durch die verschiedenen Lockdowns wirke für ohnehin anfällige und eher labile Familien wie ein Brandbeschleuniger.

Aber, und darauf weist Grämke ausdrücklich hin: „Auch vermeintlich normale Familien stoßen durch die Folgen der Pandemie an ihre Grenzen. Da wird dann schon einmal das Gläschen Wein eher am Tag getrunken. Home-Office, Home-Schooling, Arbeitslosigkeit, kein Besuch von Freunden und das alles auf engem Raum – dies kann ein gefährlicher Mix sein.” Es sei für alle Beteiligten eine Ausnahmesituation, die so noch keiner erlebt habe.

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Grenzerfahrungen, die vor allem auf den Rücken der Kinder ausgelebt werden. „Für Kinder ist es ein Horrortrip, wenn sie wochenlang quasi mehr oder weniger in Wohnungen gefangen sind. Deshalb sei es gerade für Jungen und Mädchen von suchtkranken Eltern zu Beginn der Pandemie wichtig gewesen, dass sie als systemrelevant eingestuft worden seien und somit weiterhin Zugang zu den Kitas hatten.” Denn ein strukturierter Tagesablauf sei überlebenswichtig.

Aus ihrer langjährigen Expertise weiß Birgit Grämke um den Spagat, den Kinder in solchen Familien tagtäglich zu bewältigen haben. „Auf der einen Seite lieben Kinder ihre Eltern bedingungslos – auf der anderen Seite wird ihnen von alkohol- und drogenabhängigen Eltern stets eingetrichtert, ja nichts davon draußen zu erzählen. Durch das Schweigen der Betroffenen fällt das Schicksal von Eltern und Kindern oftmals über einen langen Zeitraum für Außenstehende gar nicht auf.”

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Deshalb sei es so wichtig, Ärzte, Jugendamt, Lehrer, Kindergärten oder Nachbarn zu sensibilisieren, genau hinzuschauen – und gegebenenfalls nicht zu schweigen. Um das Thema einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, findet vom 13. bis 19. Februar eine bundesweite Aktionswoche statt. Der eindringliche Titel: „Still und vergessen? Kinder in suchtbelasteten Familien.” Dabei gehe es darum, die versteckten Hinweise, die auf eine familiäre Suchtbelastung hindeuten können, zu erkennen, betont Grämke.